Flieder

[57] Flieder, Hollunder, Schibbiken ist der Name eines bekannten einheimischen Baums, der sich überall in feuchten Wäldern, an Flüssen und Gräben vorfindet, und sich durch seine gelblichweißen, stark duftenden und betäubenden, flachen, großen Blütendolden, und später durch seine auf purpurrothen Stielen stehenden schwarzen Beeren weithin kenntlich macht. Er steht bei den Landleuten in großem Ansehen, sodaß in manchen Gegenden die Rede herrscht: »Vor dem Hollunderstrauche muß man den Hut abnehmen«. Dies rührt von seiner großen Nutzbarkeit her, weil man jeden Theil gebrauchen kann, und er nicht selten die ganze Apotheke der Landleute ausmacht. Die frischen Blätter legt man auf Geschwülste und Geschwüre. Die Blüten sind als Theeaufguß schweißtreibend und werden auch zu trockenen und nassen erweichenden Umschlägen mit Nutzen gebraucht, auch häufig, unter Eierkuchen gebacken, genossen. Mit den Beeren bereitet man wohlschmeckende, erwärmende Suppen und kocht sie zu dem bekannten Fliedermus oder Schibbikensaft ein. Dieser ist schweiß- und harntreibend. Die junge und frische Rinde, welche einen widrigen Geruch und Geschmack hat, wurde sonst auch als Arznei gebraucht, und wirkt brechenerregend und abführend; sie und die Blätter bewirken bei unvorsichtiger innerlicher Anwendung sogar Betäubung, Schwindel und andere gefährliche Zufälle. Das harte und feste Holz alter Stämme dient zu kleinen Holznägeln, kleinen Drechslerwaaren und dergl. Das Mark der jungen Schößlinge und Zweige benutzen arme Leute zu Lampendochten. In mehren Gegenden nennt man auch den Lilas oder die Syringe, einen mit blauröthlichen oder weißen Blütensträußen prangenden und herzförmige Blätter tragenden Strauch, Hollunder oder Flieder.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 57.
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