Standesherren

[275] Standesherren gab es schon vor der Auflösung des deutschen Reichs in Östreich, in Schlesien, in der Lausitz und in Sachsen. Sie sind Besitzer größerer Herrschaften und haben vorzugsweise gewisse Regierungsrechte, welche andern Gutsbesitzern nicht zukommen. Als 1806 das deutsche Reich aufgelöst wurde, mußten viele reichsunmittelbare Herren in das Landesunterthanenverhältniß größerer Staaten treten, und diese werden mediatisirte Standesherren genannt. Nach den Beschlüssen der Bundesversammlung sind ihnen gewisse Vorrechte zuerkannt worden, welche in einzelnen Staaten durch specielle Gesetze näher bestimmt worden sind. Nach den Bestimmungen der Bundesstaaten sind die mediatisirten Standesherren nach wie vor zu dem hohen Adel Deutschlands zu rechnen, sodaß sie das Recht der Ebenbürtigkeit behalten; die Häupter der mediatisirten Häuser sind die ersten Standesherren des Staats, zu welchem sie gehören, und bilden aus ihren Familien die privilegirteste [275] Classe der Unterthanen; es sollen ihnen endlich in Rücksicht ihrer Personen, Familien und Besitzungen alle die Rechte und Vorzüge zugesichert werden oder verbleiben, welche aus ihrem Eigenthume und dessen ungestörtem Genusse herrühren und nicht zu der Staatsgewalt und den höhern Regierungsrechten gehören. Hierher gehören namentlich die unbeschränkte Freiheit, in jedem zum Bunde gehörigen oder mit demselben in Frieden lebenden Staate sich aufzuhalten; die Aufrechthaltung der noch bestehenden Familienverträge nach den Grundsätzen der frühern deutschen Verfassung, und die Befugniß, über ihre Güter und Familienverhältnisse verbindliche Verfügungen zu treffen, die indeß dem Souverain vorgelegt und den höchsten Landesstellen bekannt gemacht werden müssen; der privilegirte Gerichtsstand und die Befreiung von aller Militairpflichtigkeit für sich und ihre Familien; die Ausübung der bürgerlichen und peinlichen Gerichtspflege in erster, und bei ausgedehntern Besitzungen auch in zweiter Instanz, der Forstgerichtsbarkeit, der Ortspolicei, der Aufsicht in Kirchen- und Schulsachen, über milde Stiftungen, jedoch nach Vorschrift der Landesgesetze. Sie stehen überall unter der Oberaufsicht der Regierung des Staats, zu welchem sie gehören. Auf den Präsidialantrag vom 18. Aug. 1825 haben dann die Mitglieder des deutschen Bundes weiter beschlossen, daß den mediatisirten vormals reichsständischen Familien ein ihrer Ebenbürtigkeit mit den souverainen Häusern angemessener Rang und Titel gewährt werde, sodaß den Häuptern der fürstlichen Familien das Prädicat Durchlaucht ertheilt wurde. Ebenso erhielten auf ihr Gesuch die Häupter der damals reichsständischen gräflichen Familien durch Bundestagsbeschluß vom 13. Febr. 1829 das Prädicat Erlaucht. Alle Mitglieder der mediatisirten fürstlichen Familien haben endlich 1833 das Prädicat Durchlaucht erhalten.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 275-276.
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