[397] Tezel (Johann), der berüchtigte Ablaßkrämer, war in der Mitte des 15. Jahrh. zu Leipzig (nach einer unrichtigen Angabe zu Pirna in Sachsen) geboren, wo sein Vater, Johann Dietze, ein Goldarbeiter war. Aus dem Namen Dietze ist Tezel, d.h. kleiner Dietze, entstanden. T. studirte zu Leipzig Theologie, wurde Baccalaureus der Philosophie und trat 1489 daselbst in das Dominikanerkloster. Er wurde vom Bischof zu Merseburg zum Priester geweiht, und da er sich durch kirchlichen Eifer und ein dreistes Redetalent auszeichnete, übertrug ihm der Erzbischof Albrecht von Mainz das Geschäft eines Ablaßpredigers, das er seit 1502 in Meißen, Thüringen, Niedersachsen, der Oberlausitz u.s.w. mit großem Erfolg betrieb. Um 1512 lebte er in Innsbruck und machte sich daselbst des Ehebruchs mit einer Frau schuldig, weshalb er vom Kaiser Maximilian verurtheilt wurde, gesäckt und ersäuft zu werden. Durch Verwendung Friedrich's des Weisen wurde die Strafe in ewige Hast verwandelt und T. in den ehemaligen Thurm am grimmaischen Thore in Leipzig gesetzt. Aber wegen seiner Verdienste um den Verkauf des Ablasses wurde er vom Papste begnadigt und ihm seine frühere Bestimmung wieder angewiesen. T betrieb nun aufs Neue sein Geschäft mit der größten Unverschämtheit. An den Orten, wo er hinkam, schlug er eine Bude auf und lockte zum Kauf seiner Ablaßbriefe an, durch die Versicherung: Sowie das Geld im Kasten klingt, sobald die Seele in den Himmel springt. Als Luther gegen diesen Sündenhandel T.'s in seinen 95 Sätzen auftrat und dadurch den ersten Schritt zur Reformation that, ließ es zwar T. an Schmähungen gegen Jenen nicht fehlen, doch machte er sich dadurch nur verächtlich und lächerlich. Seine Lage wurde noch mislicher, als bei dem schnellen Fortgange der Reformation der päpstliche Kämmerer Karl von Miltitz ihn als den Urheber des gefährlichen Handels mit den bittersten Vorwürfen überhäufte. Diese Ungnade und die eigne Schande seines Lebens warfen ihn, als er sich bereits in das Dominikanerkloster zu Leipzig zurückgezogen hatte, in eine gefährliche Krankheit, an welcher er nach kurzem Darniederliegen 1519 starb, nachdem ihn noch zuvor Luther, der gerade um diese Zeit die bekannte Disputation in Leipzig hielt, bei einem Besuche mit Trost aufzurichten gesucht hatte.