Sozialdemokratie

[729] Soziāldemokratīe, polit. Partei, die die Gesellschaftsordnung nach den Prinzipien des Sozialismus (s.d.) umgestalten will, steht hauptsächlich unter dem Einfluß von Karl Marx (s.d.). Die deutsche S. wurde zuerst 1863 von Lasalle in dem »Allgemeinen deutschen Arbeiterverein« organisiert. Daneben stand die Marxistische Partei, die 1864 die »Internationale Arbeiterassoziation« gründete, aus der die deutsche »Sozialdemokrat. Arbeiterpartei« unter Führung von Bebel und Liebknecht mit dem Eisenacher Programm von 1869 hervorging. Durch das Gothaer Programm von 1875 vereinigten sich die beiden Parteien nach anfänglicher Bekämpfung, wobei die Marxistischen Ideen die Oberhand gewannen. Seitdem hat die Partei außerordentlich an Ausbreitung gewonnen. Das Sozialistengesetz (vom 21. Okt. 1878, bestand bis 1890), ein Ausnahmegesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen des S., vermochte sie nur vorübergehend zurückzudrängen. Die Forderungen der S. sind zuletzt im Erfurter Programm (1891) niedergelegt. Die Zahl der Abgeordneten der S. im Deutschen Reichstag betrug 1871: 2, 1881: 13, 1893: 44, 1903: 81. – In Österreich fängt die S. erst an, sich zu entwickeln, doch wurden 1897: 14, 1901: 10 Abgeordnete gewählt. – In Frankreich bestehen verschiedene Gruppen, die Arbeiterpartei, das revolutionäre Zentralkomitee, die nationale Verbindung der Arbeitersyndikate und die Possibilisten, die sich 1890 in zwei Gruppen spalteten. Auch hier gewinnt der Marxismus an Umfang. – In England ist der Charakter der Arbeiterbewegung nicht so revolutionär. Die engl. Gewerkvereine (Trade Unions) erstreben eine Besserung der Lage der Arbeiter ohne Umwälzung der Wirtschaftsform. – In Belgien kam die Bewegung Mitte der achtziger Jahre in Fluß. 1902 setzte die sehr gut organisierte Partei 34 Abgeordnete für die Repräsentantenkammer durch. Auch in den übrigen Ländern hat die S. mehr oder minder große Erfolge erreicht. – Vgl. Mehring (3. Aufl. 1879 u. 1903), Adler (1885), Schäffle, »Quintessenz des Sozialismus« (13. Aufl. 1891) und »Aussichtslosigkeit der S.« (4. Aufl. 1891), Kautsky und Schoenlank, »Grundsätze und Forderungen der S.« (1892), Sombart, »Sozialismus und soziale Bewegung im 19. Jahrh.« (5. Aufl. 1905).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 729.
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