[102] Fernig, Felicitas und Theophile, die Schwestern Felicitas und Theophile, lebten friedlich im Hause ihres Vaters zu Mortagne, im Norddepartement an der äußersten Grenze von Belgien, als die Stürme der Revolution über Frankreich hereinbrachen und in Folge derselben die Armeen der Coalition dasselbe bedrohten. Die Oestreicher verübten in dem Wohnorte der Schwestern die empörendsten Gewaltthätigkeiten und die unglücklichen Einwohner waren wehrlos bis auf den schwachen Widerstand, den die mangelhaft organisirte Nationalgarde zu leisten vermochte. Da faßten die Schwestern Fernig einen Entschluß, würdig der Großthaten edler Römerinnen; sie versammelten eine Schaar von Freiwilligen aus der Mitte der Landleute und führten dieselbe gegen den Feind. Mit wechselndem Glück fochten sie in wiederholten nächtlichen Ausfällen, bei einem derselben ging ihr Wohnort in Flammen auf; kurz nachher aber[102] erlitten die Oestreicher bedeutende Verluste und mußten den Rückzug antreten. Auf den Bericht des Generals Beurnonville wurden die heldenmüthigen Jungfrauen öffentlich belobt. Nicht lange darauf erschien der Herzog von Braunschweig an denselben Gränzen und General Dumouriez veranlaßte die Familie Fernig, ihren Wohnort zu verlassen. Beide Schwestern traten in das Heer der Republik ein und theilten die glänzenden Siege von Valmy und Jemappes. Namentlich in der letztern Schlacht warf Theophile mit einer Hand voll reitender Jäger ein ganzes Bataillon ungarischer Garden, während die Aeltere im Gefolge des Herzogs von Chartres, gegenwärtigen Königs der Franzosen, focht. So kämpften sie mit gleicher Auszeichnung an den blutigen Tagen bei Anderlecht und Nerwinden, in der unmittelbaren Nahe Dumouriez's bis zu dessen Abfall nach der Proklamation von St. Amand. Ein Bataillon Freiwilliger unter der Anführung von Davoust, dem nachherigen Herzoge von Eckmühl, schoß auf ihn und sein Gefolge, das Pferd des Generals bricht getödtet unter ihm zusammen, Felicitas Pferd rettet ihn, er flüchtet über die Schelde. Die Schwestern sahen sich hierauf genöthigt, fern von ihrem Vaterlande durch Deutschland, Dänemark und Holland als Flüchtlinge umherzuirren, bis ihnen endlich im Jahre 1802 die Erlaubniß zur Rückkehr nach Frankreich ward; die allgemeinste Bewunderung hatte ihnen keine Verbannung entziehen können. Die Güter ihres Vaters waren verkauft und der Befehl des Nationalconvents, ihr Haus zu Mortagne auf Kosten des Staats herzustellen, blieb unausgeführt; sie selbst zu bescheiden, um irgend einen Anspruch geltend zu machen, fühlten sich durch die unzweideutigen Beweise einer hohen Achtung die ihnen ihre Heldenthaten verschaffen mußten, hinreichend belohnt. Die ältere, Felicitas verheirathete sich später an einen ehemaligen Officier, der sie mit sich nach Brüssel nahm; die jüngere wies jeden Antrag der Art entschieden zurück, und weihte ihr Leben den Wissenschaften, die sie mit Eifer betrieb, und den schönen Künsten, [103] denen sie mit warmer Liebe anhing. Sie zeichnete und malte mit Geschmack und Fertigkeit, und die Dichtungen, die sie bei ihrem Tode 1816 ihrer Schwester, in deren Hause sie starb, hinterlassen hat, athmen Empfindung und Tiefe des Gemüths. Der Schauplatz ihrer Waffenthaten deckt ihre Hülle; vergebens aber wird einst die Nachwelt ein Denkmal suchen, das den heldenmüthigen Schwestern Dankbarkeit und Bewunderung schulden.
R.