[377] Reichardt, Johann Friedrich. Wer diesen Meister zuerst aus seinen von deutschem Tiefsinne beseelten Instrumental- und Gesangsstücken zu Göthe's »Egmont« kennen lernte, möchte schwerlich glauben, daß gerade er in Deutschland zuerst jenes drollige und nicht immer graziös lächelnde Kind auf der Bühne einführte, welches mit seiner scherzenden Persiflage und den tändelnden Potpourris lyrischer Dramatik der Liebling des Publikums und selbst der Grazien geworden ist, wir meinen das Vaudeville. Und doch componirte er zuerst solche Liederspiele, unter denen namentlich eins: »Liebe und Treue« mit vielem Beifalle aufgenommen wurde. Im frischesten Andenken steht er jedoch wohl durch seine Melodien, die noch immer in jenen kleinen musikalischen Liedersträußchen für uns eine freundliche Gabe waren. Mit vorzüglichem Vergnügen spielen wir noch jetzt seine Compositionen zu Göthe's Liedern: denn in ihnen weht jener leichtmüthige, kecke, dem Dichter früher eigene Sinn, dem jedoch auch die ernsteren Heimathstöne aus den Tiefen des Wehe und des Grauens nicht fremd sind. Wir erinnern nur an den »Erlkönig« von ihm, der in seiner einfachen Haltung dem phantastischen von Schubert an innerem Gehalte nicht nachsteht. R. war 1751 zu Königsberg geb., und zweimal verheirathet. Für eine der ausgezeichnetsten Sängerinnen ihrer Zeit, Tochter des berühmten Franz Benda, galt seine erste Frau, Julie, geb. zu Berlin 1752, so wie sich auch eine seiner Töchter, Namens Luise R., durch artige Liedercompositionen bekannt gemacht hat.
B.