Reichardt

[725] Reichardt, 1) Johann Friedrich, Komponist und Musikschriftsteller, geb. 25. Nov. 1752 zu Königsberg i. Pr., gest. 27. Juni 1814 in Halle a. S., erwarb sich neben der musikalischen eine gründliche allgemeine Bildung und wurde 1775 von Friedrich d. Gr., dem er seine Oper »Le feste galanti« gesandt, an Grauns Stelle zum königlichen Kapellmeister ernannt, erhielt aber wiederholt Urlaub zu ausgedehnten Studienreisen (1785–86 nach Paris, 1791–93 nach England und Schweden). Fortgesetzten Intrigen der Italiener am Berliner Hofe gelang es, ihn wegen Sympathien mit der französischen Revolution zu verdächtigen, so daß er 1794 entlassen wurde. Seit dieser Zeit lebte er, neue Reisen (Paris 1802–03, Wien 1808–09) und vorübergehenden Aufenthalt in Berlin abgerechnet, in Giebichenstein bei Halle, wo er 1796 eine Stelle als Salineninspektor erhielt. Nur gezwungen versah er 1806–08 auf Befehl Jérômes die Hofkapellmeisterstelle in Kassel. R. war seinerzeit als Komponist hochangesehen, besonders als Opernkomponist (»Tamerlan«, »Andromeda«, »Protesilaos«, »Brennus« und die Goetheschen Singspiele »Claudine von Villabella«, 1789, »Erwin und Elmire«, »Jery und Bätely«, 1790) und als der zuerst von Goethe bevorzugte Komponist Goethescher Liedertexte. Seine Komposition von Miltons »Morgengesang« wurde noch 1835 von Mendelssohn in Düsseldorf ausgeführt. Den geringsten Erfolg hatten auch bei seinen Lebzeiten seine Instrumentalwerke (Symphonien, Ouvertüren, Kammermusik, Klavierwerke). Dagegen sind seine schriftstellerischen Arbeiten durchweg von bleibendem Wert, namentlich die »Briefe eines aufmerksamen Reisenden, die Musik betreffend« (Braunschw. 1774–76); »Über die deutsche komische Oper« (Hamb. 1774); »Musikalisches Kunstmagazin« (Berl. 1781–92); »Studien für Tonkünstler und Musikfreunde« (das. 1793); »Vertraute Briefe aus Paris« (Hamb. 1804, 3 Bde.); »Vertraute Briefe aus Wien« (Amsterd. 1810) u. a. Vgl. Schletterer, Joh. Friedr. R. (Augsb. 1865); Pauli, Joh. Friedr. R. (Berl. 1903). – Seine Tochter Luise R., geb. 1788 in Berlin, gest. 17. Nov. 1826 in Hamburg, hat sich ebenfalls durch Liederkompositionen bekannt gemacht.

2) Gustav, Gesangskomponist, geb. 13. Nov. 1797 zu Schmarsow bei Demmin in Vorpommern, gest. 19. Okt. 1884 in Berlin, ging vom Studium der Theologie zur Musik über und wurde Schüler Bernhard Kleins in Berlin, wo er als Gesanglehrer, zeitweilig als Dirigent der »jüngern Liedertafel« auch als Musiklehrer am Hofe lebte. Von seinen Kompositionen sind die Lieder: »Das Bild der Rose« und »Was ist des Deutschen Vaterland?« zu seltener Popularität gelangt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 725.
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