Weisse Frau

[411] Weisse Frau. Die Sage von derselben ist schon seit Jahrhunderten in Deutschland verbreitet. Einige nennen als solche Kunigunde von Bulgarien, erste Gemahlin Königs Ottokar II. von Böhmen, die später an einen Herrn von Rosenberg verheirathet war und 1285 starb; Andere Bertha von Rosenberg-Neuburg (im 15. Jahrh. verstorben), oder eine Kurfürstin von Brandenburg, die ihren Enkeln vor dem Tode erscheine, weil ihr Gemahl ohne Absolution gestorben sei. Man will sie in vielen deutschen Schlössern, z. B. in Ansbach, Baireuth, Darmstadt, Berlin, Altenburg, Neuhaus in Böhmen etc. bei Nacht, seltener bei Tage, in weißem Gewande, mit verbundenem Untergesicht, wehendem Schleier und einem Schlüsselbunde an der Seite gesehen haben. Erscheint sie lächelnd, so deutet dieß auf ein frohes Ereigniß, ist sie aber traurig und dabei gestiefelt und gespornt, so steht der Tod eines männlichen Gliedes vom Regentenstamme bevor; mit schwarzen Handschuhen, der eines weiblichen. Ihrer Erscheinungen zu Neuhaus, einst auch an hellem Mittage, gedenken mehrere Schriftsteller zu Ende des 16. Jahrh.; 1604 rief sie zu einem sterbenden Herrn von Rosenberg einen Pater Jesuiten und erzwang im 30jährigen Kriege von den Schweden auf demselben Schlosse die Verabreichung eines von ihr früher für die Armen gestifteten süßen Brei's. Im brandenb. Hause kommt sie bereits 1628 vor und antwortete unter andern einer Kurfürstin, die vor einem Spiegel stehend ihre Kammerfrau fragte, wie viel Uhr es sei, sofort aus der Wand tretend: Zehn Uhr, Ihre Liebden. Später leuchtete sie einer Frau von Montfort, die[411] eine kranke Prinzessin von Preußen besucht hatte, mit einer Wachsfackel vor, erschien 1678 in Baireuth, wo der Markgraf Erdmann Philipp im Schloßhofe vom Pferde stützte und gleich darauf den Geist aufgab, und auch in neueren Zeiten will man im berliner Schlosse vor jedem Todesfalle der regierenden Familie die weiße Frau gesehen haben.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 411-412.
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