Helm

[401] Helm. Zu Tacitus' Zeit kannten die Germanen noch keine Kopfbedeckung. Barhaupt stürzten sie sich in den Kampf, sträubten dabei die Haare empor, um dem Feinde recht fürchterlich zu erscheinen. Den Gebrauch des Helmes lernten sie also wohl von den Römern. Schon Diodor sagt von den Galliern, dass sie eherne Helme trügen, mit Hörnern und Schädelknochen geschmückt. Eine beliebte Helmzierde der alten Deutschen waren die Eberbilder, der Talisman der Kämpfenden; auch die Kopfhaut der Auerochsen, des Hirsches und Elchs wurden in gleichem Sinne benutzt. Der Helm hatte oft selbst die Gestalt eines Eberkopfes und war aus Erz gefertigt: daneben war auch die Fellkappe noch vielfach in Gebrauch.

Jene heidnischen Eberhelme wurden[401] auch von den zum Christentum bekehrten Sachsen in England fortgeführt, allerdings nur von den höheren Führern und vornehmen Kriegern. Zwei Exemplare sind unserer Zeit erhalten geblieben. Das eine besteht aus Eisenrippen, welche strahlenförmig zum Kopfwirbel emporsteigen und deren Zwischenräume mit schmalen Platten von Horn ausgefüllt waren. Der andere besteht aus kreuzweis übereinander gebogenen Stangen, welche durch einen um den Kopf laufenden Reif zusammengehalten wurden. Auf beiden Seiten finden sich Fortsätze zum Anheften der Wangenbänder. Dieser zweite Helm ist aus Erz gemacht. Nach dem Waltharilied war ein solcher Helm auch mit Helmbüschen oder Rossschweifen geziert.

Die erste historisch sicher nachweisbare Form erhält der Helm (ahd. ags. helm-, altn. helm, hialm, got. hilms) erst in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Das spröde Erz hat dem schmiegsameren Eisenblech Platz gemacht, das anfänglich in niedriger Glockenform Schädel, Stirn und Schläfen deckt, während unter demselben die aus Maschen gestrickte Kapuze und Halsberge die Verbindung mit der Brünne herstellen. Das Gesicht ist einzig noch frei, wenn auch eng begrenzt; ein starkes Stirnband giebt dem Hute die nötige Festigkeit, und ein vorn in der Mitte festgenieteter Metallstreifen (Nasenschirm, Nasenband, nasale, nasile) gewährt der Nase etwelchen Schutz. Dieser îsenhuot erscheint bald auch mehr kegelförmig, um die Wucht der Streiche zu mildern, die auf dem näher anliegenden topfartigen Vorgänger immer noch empfindliche Erschütterungen des Gehirns hervorrufen konnten. Nicht selten ist die Spitze des Kegels leicht nach vorn geneigt und es tritt neben dem Nasenband auch der Nackenschirm als ein weiterer Bestandteil des Helmes hinzu. Die berühmte Tapete von Bayeux (1066) stellt die meisten Krieger in dem konischen Helm mit Nasenblatt, aber ohne Nackenschirm dar und zeigt deutlich, dass diese unbequeme Kopfbedeckung erst im Augenblicke des Kampfbeginnens aufgesetzt wurde. Die Nasenplatte des Glockenhelmes erweitert sich in der Folgezeit in den Werkstätten der rheinischen Waffenschmiede zu vollständigen Gesichtsschirmen, die nur für die Atmungs- u. Gesichtsorgane die nötigen ventaille (vintalha, venteilen) offen liessen, während andere das Kettengeflecht unter dem Kinn derart verlängerten, dass es über die Stirne am Helm festgeknöpft werden konnte. Eine solche Vorrichtung hiess barbier, barbel. Noch andere verlängerten den Stirnteil der Kapuze, sodass dieser beliebig hinaufgeschlagen und herabgelassen werden konnte. So entstand das härsenier.Man stroufte im ab sîn härsenier« »Sîn härsenier von im er zôck, des twanc in starkiu hitze«) Unmittelbar auf dem Kopfe liegt die lederne, aussenberingte Hirnhaube (gupfe, hûbe, hüetelîn, patwal) als schützende Unterlage, sodass der Kopf dreifach geschützt war, durch diese, durch die Kapuze des hauberts und endlich durch den Helm. Zur Zeit der Kreuzzüge tritt noch eine schleierartige Helmdecke hinzu, welche die syrischen Sonnenstrahlen abzuhalten bestimmt war. Denkt man sich noch die schwere Arbeit eines solchen Krieges hinzu, so ist wohl die Hitze des Kampfes, von der die Sänger soviel zu melden wissen, genügsam illustriert, und begreift man wohl, dass der Helm nur während des Kampfes getragen wurde, sonst aber am Sattel hing, ja, dass er auch in den Pausen des Gefechtes abgelegt wurde, damit der Träger der Gefahr des Erstickens entgehe. Die Querschranze, der wagerechte Durchschnitt für die Augen, wird[402] oft durch eine senkrechte, nasenartige Verstärkung gekreuzt.

Neben dem Topf- und Glockenhelm kommt die leichtere und bequemere sogenannte kleine Kesselhaube in Gebrauch, welche man als eine Erweiterung der Hirnhaube oder wenn man will als eine Verkleinerung des alten Glockenhelms betrachten kann. Sie wurde über der Kettenkapuze getragen und war mit derselben sogar zuweilen unmittelbar verbunden, denn sie bildete im Grunde nur einen Ersatz der Hirnhaube und wurde auch nicht abgenommen, wenn man den Topfhelm aufsetzte, vielmehr stülpte man diesen über die Kesselhaube. Es dürfte um die Mitte des 13. Jahrhunderts gewesen sein, dass man darauf kam, an dieser Kesselhaube ein Visier zu befestigen, welches bei plötzlichen Fällen der Notwehr herabgeschlagen werden konnte, falls der grosse Topfhelm nicht zur Hand war. Die kleine Kesselhaube dieser Form fand sehr viel Beifall, denn sie erlaubte es, sich in jedem Augenblicke durch Aufschlagen des Visiers Luft und freie Umsicht zu gestatten und sicherte den Krieger gleichwohl ausweichend gegen Schläge, die nach Hals und Gesicht geführt wurden. Ihr grösster Nachteil war der, dass das herniedergelassene Visier als ein rüsselartiger Vorsprung den feindlichen Schlag leichter auffing als die Ovale und Flächen, und somit, wenn auch keine Verwundungen, so doch heftige Hirnerschütterungen zuliess. Darum kommt mit und neben ihr auch der einfache Eisenhut auf, gerundet und spitz, ohne Visier, aber mit breitem Rand. Der Eisenhut schützt nur Kopf und Stirne, während die Eisenkappe auch mit Wangenkappen oder doch öfter mit Ohrsternen, Gehörrosen versehen war.

Im späteren Mittelalter tritt mit dem Plattenpanzer die grosse oder hochgekegelte Kesselhaube, beggelhûben (Beckenhaube) auf, die mit ihrem Visier das Antlitz völlig deckt, aber die Nachteile der kleinen teilte. Daneben ist es der oben genannte einfache Eisenhut und wieder der Topfhelm in verschiedener Gestalt und unter den Namen Stulphelm, Helmfass, Kübelhelm, der vorzüglich im ritterlichen Lanzenkampfe diente und noch immer über der einfachen Kesselhaube getragen wurde. Er besteht meist aus drei bis fünf zusammengenieteten Lederflächen oder Eisenplatten, deren eine die Scheitelschale bildet, die sich im 14. Jahrhundert mehr nach der Höhe wölbte, weil sie in dieser Form den wuchtigen Schlag der Streitkolben weniger empfinden lässt, als mit der ebenen Platte. Der »grand heaume«, welcher anfangs des 14. Jahrhunderts in Frankreich und England üblich war, ist sogar nahezu eiförmig und überragt den Schädel fast um Kopfhöhe. Er wurde meist in Verbindung mit den Achselschilden (ailettes) getragen. In Deutschland reichen während der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Helmfässer noch nicht auf die Schultern herab; bald aber verlängern sich die Seitenwände und zwar meist derart, dass der Helm auf den Achseln aufsitzt. Die Öffnung für die Augen besteht entweder aus zwei Schlitzen, die bisweilen mit Messing eingefasst sind, oder aus einem offenen Spalt (Sehschnitt) zwischen Kappe und Kübel (Ober- und Unterteil). An der Seite befinden sich einige kleine Luftlöcher und ein kreuzförmiger Einschnitt zur Befestigung an die Halsfeste. Die Topfhelme wurden bald blank, bald vergoldet, bald heraldisch bemalt getragen.

Gegen Ende des 14. Jahrhunderts wird der Topfhelm wieder niedriger, erhält aber ein Visier, ähnlich der Kesselhaube, welches entweder Mund und Kinn allein oder auch die Augen mit bedeckte.[403] Er bürgerte sich jedoch nie völlig ein, da er nicht mit der Maschenkapuze in Zusammenhang gebracht war, und so wurde er denn bald wieder verdrängt durch den geschlossenen Kübel, der nun endlich durch Abplattung des Hirnstückes, sowie durch Ausschweifung des Gesichtsschutzes diejenige Gestalt erhält, welche er als Stechhelm bis ins 16. Jahrhundert hinein bewahrt. Diese Krötenkopfhelme entsprachen ihrem Zwecke vortrefflich. Der obere Teil folgt der natürlichen Rundung des Kopfes, der untere schliesst sich bequem dem Halse an und steigt über Kehlkopf, Kinn und Nase, mit einem stark vorspringenden Grate empor, so dass er über der Nase weit ausladet. Die Sehspalte, welche horizontal über diesem Vorsprunge liegt, bietet der Spitze des feindlichen Schwertes oder der Lanze keinen Anhalt; die zurückweichenden Aussenseiten lassen den Hieb abgleiten; solide Platten reichen auf Brust und Rücken zum Kürass herab und gestatten es, den Helm hier festzuschnallen. Aber diese Schutzwaffe war sehr schwer (18–20 Pfund) und kostbar, und so kommt es, dass sie als »grand heaume de joute« oder »tilting pot-helm« mehr und mehr dem Turnier anheimfällt, während sie im Felde von der grossen Kesselhaube und dem Eisenhute verdrängt wird.

Bei der Reiterei kommt an der Stelle der ersteren die sogenannte Schale (Schaller) auf, oben nach dem Schädel geformt, herabreichend über Nase und Mund, hinten mit einem grossen Nackenschirm oder Schweif. Die unteren Partien des Kopfes wurden durch die Kinnkappe oder Barthaube geschützt, die zugleich als Halsberge diente und am Harnisch festgeschraubt werden konnte.

Der Burgunderhelm brachte in seinen Variationen das Visier zu besonderer Entwicklung und zierte sich mit allem möglichen Zierat. Er ist jedoch nicht deutschen Ursprungs, weswegen wir hier nicht näher auf denselben eintreten. Hauptsächlich nach Jähns, Geschichte des Kriegswesens.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 401-404.
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