Marsyas

[1531] [1531] MARSŶAS, æ, Gr. Μαρσύας, ου, ein Satyr, der auch Masses nach einigen geheißen. Plutarch. de musica. p. 1133. T. II. Opp. Man giebt ihn für des Olympus, Apollod. l. I. c. 4. §. 2. oder, nach andern, des Oeagrus, Hygin Fab. 165. und, nach den dritten, des Hyagnis Sohn aus. Plutarch. & alii ap Munck. ad Hygin. l. c. Er fand die Pfeife, welche die Pallas mit dem Wunsche weggeworfen, daß dem, der sie wieder aufheben würde, alles Unglück ankommen sollte, weil sie von der Juno und Venus, indem sie auf derselben blies, der ungestalten Backen halber, war ausgelachet worden. Da er sich nun täglich darauf übete, so brachte er es damit so weit, daß er endlich den Apollo selbst mit seiner Cithar darauf heraus forderte. Es wurden dabey die Musen zu Richterinnen genommen, und behielt Marsyas anfangs allerdings die Oberhand. Indem aber Apollo die Cithar umkehrete, und von neuem darauf spielete, so konnte es ihm Marsyas mit seiner Pfeife nicht nachthun. Er verspielete daher, und wurde von dem Apollo an einen Baum angebunden. Hier zerschnitt ihn ein scythischer Knecht gliederweise, worauf denn der zerfleischete Körper seinem Schüler, Olympus, zu begraben gegeben wurde, aus dem vergossenen Blute aber entstund der Fluß Marsyas. Hygin. l. c. Nach andern soll derselbe aus den Thränen der ihn beweinenden Satyren, Nymphen, u.s.w. entsprungen seyn. Ovid. Metam. VI. 392. sq. Einige machen solchen Marsyas nur zu einem Hirten. Palæph. de Incred. c. 48. Die Richter aber sollen die Nysäen gewesen seyn, und Apollo ihn endlich damit überwunden haben, daß er auch in seine Cithar gesungen, welches Marsyas nicht thun können, weil es nicht möglich ist, zugleich zu pfeifen und zu singen. Diod. Sic. l. III. c. 59. p. 134. Er soll ihn darauf an einen Ast einer Fichte aufgehängt, und also die Haut lebendig abgezogen haben. Apollod. l. c. Cf. Ovid. Met. VI. v. 384. & Fast. VI. v. 703. Diese soll zum Andenken zu Celänä seyn aufgehangen, Herodot. VII. [1532] Polyhymn. sect. 26. oder, nach andern, zu Sicyon, in dem Tempel des Apollo aufbehalten worden. Lucius Ampelius c. 8. Sie muß mit der Zeit erst dahin gekommen seyn, weil sie Apollo in einer Höhle soll aufgehänget haben. Xenoph. de exped. Cyr. l. I. p. 246. Man findet diese Begebenheit auf vielen alten Denkmaalen vorgestellet. Montfauc. antiq. expl. T. I. P. I. 53. & 54. Sie ist auch mit allen Umständen in einem herkulanischen Gemälde abgeschildert. Der mit Lorbern gekrönte Ueberwinder Apollo sitzt auf einem schön gearbeiteten Sessel mit einem Küssen, das mit Ouasten geschmücket ist. In seiner rechten Hand hat er das Plectrum und mit der linken hält er die auf die Erde gesetzete Leyer. Neben ihm steht eine eben so bekränzete Muse in einem schön gestickten Kleide, welche einen Kranz von Lorberzweigen in der Hand hat, als ob sie das siegreiche Instrument damit krönen wollte. Zu den Füßen des Apollo kniet der junge Olympus, welcher für seinen alten Lehrmeister bittet, der seiner Kleider beraubet ist, und mit einem traurigen Gesichte an einen Baum gebunden steht. Vor ihm liegen die beyden Pfeifen mit einem Bande über einander an einem Steine auf der Erde zur Verachtung, und zwischen denselben und dem Olympus steht der Scythe mit dem Messer in der Hand bereit, den grausamen Befehl auszuführen. Pitture ant. d'Ercol. T. II. tav. 19. Nach einer andern Erfindung sieht man dieses Gericht in der Villa Borghesa auf einer halb erhabenen Arbeit vorgestellet. Apollo steht in der Mitte, und hat seine Cithar auf einen Dreyfuß, und seinen linken Fuß auf einen Greif gesetzet. Neben ihm steht Midas in einer Stellung, als wenn er sein verkehrtes Urtheil entschuldigen wollte, und sich zugleich über die harte Züchtigung beklagete, und die andern zum Mitleiden zu bewegen suchete. Die Gottheiten, welche bey diesem Gerichte erscheinen, sind, außer den Musen, die zerstreut umher stehen, Pallas, welche sich hinter dem Midas zeiget, und dem neben ihr befindlichen Bacchus, [1533] der das Unglück eines seiner Begleiter zu bedauren scheint, wie noch ein Paar andere Satyren hinter ihm, gleichsam andeutet, was ihr Fluch gewirket habe; ferner an der andern Seite des Apollo, Diana, als dessen Schwester, und Mercur, als der Götterbothe. Wie aber Cibele, welche dem Apollo gegenüber sitzt, dazu komme, weis man nicht. Sie hat indessen ihre Augen auf den an dem andern Ende des Stückes befindlichen Marsyas gerichtet, welchen ein Mensch mit einer phrygischen Mütze in einer Kleidung mit engen Aermeln und langen Beinkleidern an eine Fichte hinauf zieht, woran schon seine Pfeife hängt. Zwo andere dergleichen Personen sitzen auf der Erde zwischen ihm und dem Apollo, wovon die eine dessen Befehl zu erwarten scheint, die andere aber ein Messer schleift. Diese drey hält man für Scythen, die zur Vollziehung des Urtheiles gebrauchet worden. Zu den Füßen des Marsyas liegt ein bis auf die Mitte seines Leibes entblößter Jüngling mit einem Schilfrohre in der Hand, welcher vermuthlich den Fluß vorstellen sollen, der aus des Marsyas Blute geworden. Winkelm. monum. ant. an. p. 49. Anderer Vorstellungen zu geschweigen. Sonst machen einige solchen Marsyas zu einem gar redlichen und klugen Manne, der nicht nur durch seine Geschicklichkeit die Pfeifen erfunden, sondern auch, wegen seiner Keuschheit, der Cybele gar lieb gewesen. Er soll dieselbe nicht verlassen haben, da sie als rasend, wegen des Todes ihres Attis in der Welt umher schweifete. Auf dieser Fahrt eben traf er den Apollo zu Nysa bey dem Bacchus an, der sich nachher dessen Hinrichtung so leid seyn lassen, daß er die Saiten von seiner Leyer zerrissen, und die von ihm erfundene Harmonie wiederum abgeschaffet hat. Diod. Sic. l. c. Jedoch wollen auch wiederum andere, daß er überhaupt mit ihm so hart nicht verfahren, sondern nur gemacht, daß er zur Strafe einen Schweinschwanz am Hintern bekommen; Gloss. MSS. in Fulgent. ap. Muncker. ad Hygin. l. c. wie Midas, [1534] der zum Richter erkohren gewesen seyn soll, zu seiner Belohnung, weil er nicht recht geurtheilet, ein Paar Eselsohren davon getragen; Fulgent. Mythol l. III. c. 9. welches jedoch bey einer andeen Gelegenheit geschehen seyn soll. Sieh Midas. Sonst wird er gerühmet, daß er zuerst die phrygische Weise oder den Matrous in der Musik erfunden, und denen zu Celänä, nach der Zeit, wider die Gallier bey gestanden, indem er solche nicht nur mit Aufschwellung des Flusses Marsyas aufgehalten, sondern auch durch den Ton der Pfeifen erschrecket habe. Pausan. Phoc. c. 30. p. 668. Uebrigens haben es schon die Alten für eine Fabel angesehen, was von ihm und dem Apollo gesaget wird. Strabo l. XII. p. 578. Dennoch aber machen ihn einige zu einer wahrhaften Person, die zur Zeit der Richter gelebet, ein weiser Mann gewesen, der die Rohr- und ehernen Pfeifen zuerst erfunden, und da er endlich wahnsinnig geworden, sich in den Fluß Marsyas gestürzet habe. Andere glauben, dieß sey ihm wiederfahren, weil er sich selbst zu einem Gotte machen wollen. Suid. in Μαρσύας, s. Tom. II. p. 503. Er soll sonst von einem rauhen, wilden, unfreundlichen, garstigen Gesichte gewesen seyn, und einen groben starken Bart gehabt haben. Apulej. Florid. III. p. 762. Auf einem herkulanischen Gemälde aber, wo er den Olympus pfeifen lehret, ist er nicht so ungestalt im Gesichte, sondern hat nur stroblichtes Haar, spitzige Ohren, und was sonderlich zu bemerken ist, ein Paar kleine Hörner. Pitt. ant. d'Ercol. T. III. tav. 19. Aber auch diese fehlen ihm auf einem andern, wo er ihm Unterricht wegen der Pfeifen zu geben scheint, wovon Olympus eine in der Hand hat. Er ist daselbst so gar bey seinem Unterrichte freundlich, und hat eine Tiegerhaut um die Mitte des Leibes, da er auf einem Steine sitzt, und Olympus vor ihm steht. Ivi T. I. tav. 9. Dieß Gemälde scheint mit des Polygnotus seinem ehemaligen zu Delph überein zu kommen. Pausan. Phoc. c. 29. p. 668. Indessen soll die ganze Geschichte weiter nichts sagen wollen, [1535] als daß vor der Erfindung der Leyer die Flöte über alle musikalische Instrumente den Preis davon getragen, und alle diejenigen reich gemacht habe, die darauf spielen können. Da aber die Leyer nachher den Vorzug bekommen, und das Flötenspielen nichts mehr eingetragen, so habe man gedichtet, Apollo habe den Marsyas überwunden, und ihm das Fell abgezogen, weil das Geld, dessen man sich damals bedienet, von Leder gewesen. Licet. in Hieroglyph. c. 109. Damit aber doch sein Streit mit dem Apollo nicht schlechthin erdichtet zu seyn scheine, so wollen ihn wiederum andere lieber für einen schlimmen und doch eingebildeten Poeten an sehen, welcher mit einem Priester des Apollo Händel gehabt, und vieleicht in der That von solchem geschunden worden. Banier Entret. VII. ou P. I. p. 222. Wenn aber auch gleich alles erdichtet wäre, so soll es doch zur Lehre und Warnung dienen, sich auf seine Kunst nicht allzu viel einzubilden, weil sonst Gottes Strafe gern darauf er folge. Nat. Com. l. IV. c. 15. Dieses soll sich denn zumal die Jugend so fern merken, weil sie sonst durch ihre Vermessenheit leicht bey verständigen Leuten zu Schanden werden kann. Omeis Mythol. in Marsyas. p. 149.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1531-1536.
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