Brüten

[689] Brüten im eigentlichen Sinne heißt das eine bestimmte Zeit hindurch anhaltende Sitzen der Vögel auf ihren Eiern, um durch die Wärme ihres Körpers den Keim im Eie zu entwickeln, bis dieser den nöthigen Grad der Ausbildung und Reise erlangt hat. Im weiteren Sinne heißt B. auch die Zeitigung der Fisch- und Amphibieneier durch die Wärme ihrer Umgebung u. der Sonnenstrahlen, ohne Zuthun der Eltern. Bei den monogamischen Vögeln nimmt häufig auch das Männchen unmittelbaren Antheil am B., jedoch nur wenige Stunden um die Mittagszeit, oder es bewacht doch schützend das Nest und trägt dem Weibchen Futter zu. Die in Vielweiberei lebenden Männchen aber kümmern sich nichts um das Brutgeschäft, zerstören selbst bisweilen die Eier. Die Dauer des B.s ist verschieden bei den verschiedenen Vögeln. und im allgemeinen länger bei solchen, wo das Junge mehr ausgebildet aus dem Ei tritt. Die kleineren Singvögel brüten 12–14 Tage, die Taube 16, die Henne 21, Truthenne 27, Gans 29 Tage, die großen Raubvögel 3–4 Wochen, der Schwan 5 Wochen, der Strauß 40 Tage. Der zur Entwickelung der Jungen nöthige Wärmegrad ist hie Körperwärme des Vogels, ungefähr 30–32°R. und im Anfang der Brütezeit gewöhnlich niedriger als gegen das Ende. Doch kann diese Wärme auch künstlich ersetzt werden, z.B. durch Brütmaschinen mit Lampenfeuer (zu wissenschaftl. Zwecken [689] benützt), besonders aber die großartigen Brüteöfen in Aegypten, in welchen jährlich mehrere Millionen Eier künstlich ausgebrütet werden. – Das Erwachen des Brütetriebs hängt mit größerem Blutandrang gegen den Unterleib des Vogels und dadurch erhöhter Temperatur desselben zusammen und der Trieb tritt mit aller Kraft auf, so daß das Weibchen ob dem B. oft alles vergißt, nicht blos Hunger und Durst, sondern selbst die natürliche Scheue, und auf seinen Eiern die drohende Gefahr nicht flieht oder selbst kühn und muthig in den Kampf tritt. Zugleich fallen während des B.s die Federn am Bauch des Vogels zum Theil aus (Brüteflecken), oder er zieht sie selbst aus, damit das Ei in unmittelbare Berührung mit der Haut komme.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 689-690.
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