Hypochondrie

[383] Hypochondrie (von ὑπο u. Χόνδρος, Rippenknorpel, weil man namentl. nach der Ansicht des seiner Zeit berühmten Arztes Fr. Hofmann den Sitz dieser Krankheit unter den Rippen – in der Milz – gesucht hat, daher der deutsche Ausdruck Milzsucht), beruht wesentlich in einer krankhaft gesteigerten Reizbarkeit des Gemeingefühls, welche zuletzt die ganze psychische Seite des Menschen in Anspruch nimmt, so daß der Hypochondrist für nichts mehr auf der Welt Sinn hat als für die ängstlichste Beobachtung seiner körperl. Zustände. Dieser subjectiven Seite der Krankheit entspricht keineswegs irgend eine constante objectiv wahrnehmbare Abnormität irgend eines einzelnen Organs. Am häufigsten kommen noch Hämorrhoiden und damit zusammenhängende Zustände vor. Als Ursache dieser Krankheit gibt Neumann hauptsächlich eine nach Beruf einförmige und dabei mehr oder weniger geistlose Beschäftigung an, wobei der Geist anstatt in gewissem Grade angestrengt zu werden, sich in einer höchst verderblichen Abspannung, die ihn allenthalben planlos umherschweifen läßt, befindet. Die H. ist ein trauriges Vorrecht des männl. Geschlechtes u. großentheils der jungen gebildeten Stände, deren Beruf insbesondere eine sitzende Lebensart mit sich bringt; ist insbesondere in Kanzleien zu Haus, ausnahmsweise kommt sie auch bei andern Ständen vor, bei Schustern, Schneidern etc. Heimliche Jugendsünden sind häufig der Ausgangspunkt der Krankheit. Prognose, schlecht; Therapie besteht wesentlich in Regelung der Diät. Als ein vorzügliches Mittel empfiehlt Neumann die Jagd.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 383.
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