Sprache

[293] Sprache, im weitesten Sinne jede Mittheilung geistiger Zustände durch äußere Zeichen. im eigentlichen die Mittheilung der Gedanken durch Worte, was unter allen irdischen Geschöpfen dem Menschen allein möglich ist; im engsten Sinne das bestimmte u. ausgebildete Mittheilungsmittel eines Volkes. Die S. ist das natürliche Erzeugniß des Menschen als eines sinnlich-vernünftigen Wesens, ebenso wenig eine durch Reflexion gemachte Erfindung als eine bewußtlose natürliche Verrichtung; sie ist ein Organismus, in sofern sie sich nach bestimmten, nicht willkürlich gegebenen, sondern aus der Doppelnatur des Menschen stammenden Gesetzen entwickelt und ausbildet. Die S. ist also das getreueste Abbild des geistigen Lebens eines Volkes als das Erzeugniß seiner gesammten geistigen Thätigkeit, und wirkt auf die Bildung desselben zurück, je nachdem in der S. eine Weltanschauung niedergelegt ist u. sie Fähigkeit besitzt als Träger neuer Anschauungen und Begriffe zu dienen. Nach der Weise wie eine S. das Verhältniß von Stoff und Form auffaßt u. ausdrückt, unterscheidet man isolirende od. beisetzende S.n, welche Stoff- u. Formwörter unmittelbar neben einander stellen; agglutinirende, welche Stoff- u. Formwörter lose an einander hängen; endlich flectirende oder anbildende (s. Flexion). Bei allen S.n zeigt sich die eigenthümliche Erscheinung, daß sie im [293] Laufe der Zeit an Anschaulichkeit des Ausdrucks sowie an Lautfrische verlieren, dagegen in der Satzbildung sich vervollkommnen. In Rücksicht auf Abstammung unterscheidet man Stamm- und Tochter-S. n, in Rücksicht auf Dauer lebende u. todte S.n, welche letztere als Gelehrten-S. n (z.B. Latein, Hebräisch, Sanscrit) oder als heilige S.n manchmal fortdauern.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 293-294.
Lizenz:
Faksimiles:
293 | 294
Kategorien: