[289] Niederländische Kunst, Literatur, Sprache und Wissenschaft, Da die am frühesten bekannten Bewohner der Niederlande durchaus deutscher Abkunft waren, so gehörten auch die von ihnen gesprochenen Mundarten dem deutschen Sprachstamme an und stimmten mit den in den angrenzenden deutschen Ländern gangbaren noch im 10. Jahrh. völlig überein. In den südl. Landestheilen fing aber nun das Französische an, sich besonders unter dem Adel zu verbreiten, und gewann vorzüglich an Ausdehnung, während das Haus Burgund im 14. und 15. Jahrh. einen großen Theil der niederländ. Provinzen erwarb und das Französische Hofsprache war. Auch jetzt ist es in einem großen Theile der Niederlande, und namentlich im Königreich Belgien, in allen großen Städten herrschend und hat während der Vereinigung des Landes mit dem franz. Kaiserthume von Neuem festen Fuß gefaßt. Aus einer Vermischung des Altfranzösischen mit den ursprünglich deutschen Mundarten entstand das Wallonische, welches südl. von Brüssel im sogenannten Wallonischen oder in Wälschbrabant, in Namur, Lüttich, Hennegau und einem Theile von Limburg noch die Sprache der untern Volksclassen ist. In den übrigen südl. Landestheilen und in Nordbrabant reden diese jedoch Flamländisch oder Flämisch, eine mit wallonischen Ausdrücken gemischte und durch französirende Aussprache verderbte, deutsche Mundart, welche noch auf einer tiefen Stufe der Ausbildung steht, in der jedoch auch Volksschriften und geistliche Bücher gedruckt sind und der schriftliche Verkehr zwischen Kleinkrämern und dergl. geführt wird. Im Norden blieb dagegen die Sprache länger frei von fremder Beimischung und das Holländische bildete sich hier seit dem 15. Jahrh. zur Geschäfts- und Schriftsprache aus und ward als solche in den durch den niederländ. Befreiungskrieg vereinigten sieben Provinzen angenommen, was neuerdings König Wilhelm I. auch in den südl. Landestheilen, wiewol vergeblich, zu bewirken suchte. Die jetzige Ausbildung erlangte das Holländische oder die eigentliche niederländ. Nationalsprache erst seit dem vorigen Jahrh., wo man anfing, die fremdartigen Beimischungen wieder zu entfernen, welche durch zahllose Einwanderer aus allen Theilen Europas und den abwechselnd vorherrschenden franz. und engl. Einfluß sich eingeschlichen und namentlich die Umgangssprache ungemein verderbt hatten.
Die ältesten sprachlichen Denkmäler bestehen in Stadtrechten, Chroniken, Nachbildungen von ursprünglich franz. romantischen Dichtungen und in Erbauungsschriften. Erst im 15. Jahrh. erhielten die geistigen Bestrebungen der Niederländer, begünstigt von der politischen Vereinigung der verschiedenen Provinzen unter der burgund. Herrschaft und dem herrschenden Wohlstande, sowie mit Benutzung der von den Niederlanden sogar als eigne Erfindung angesprochenen Buchdruckerkunst (s.d.) und angeregt von den nun auch im Norden sich verbreitenden Schriften der Alten, Wichtigkeit für das allgemeine Fortschreiten der Wissenschaften. Damals glänzte die 1426 gestiftete Universität Löwen, mit welcher die Schule zu Deventer in Oberyssel wetteiferte; es lebten die berühmten Theologen Thomas a Kempis, geb. 1388 zu Kempen im Erzbisthume Köln, gest. 1471; Joh. Wessel, mit dem Beinamen Gansevoort, geb. 1419, gest. 1489; Rudolf Agricola, geb. 1442, gest. 1485, der gleich Desiderius Erasmus (s.d.) zu Deventer den Grund seiner Gelehrsamkeit legte. Beide gehörten zu den ausgezeichneten Männern des 15. Jahrh., welche ein geschmackvolleres Studium der Alten und eine freiere Methode zu philosophiren verbreiteten. Die Gelehrten dieser Zeit schrieben aber alle in lat. Sprache, und das Wichtigste, was außer der 1477 zuerst zu Delft gedruckten Bibelübersetzung in der Landessprache zum Vorschein kam, waren einige dichterische Versuche und Uebersetzungen der Classiker. Im 16. Jahrh. erfolgte die berühmte politisch-religiöse Umwälzung, welche der Gewissensfreiheit und Aufklärung eine Freistätte in den nördl. Provinzen schuf, welche nun, sobald der Sieg entschieden war, die unter der geisttödtenden Mönchsherrschaft zurückgehenden belg. Provinzen weit überflügelten. Bald zog namentlich die 1574 gestiftete Universität Leyden die Augen von ganz Europa auf sich und von allen Seiten strömten ihr Schüler aus weiter Ferne zu. Berühmte Namen der Folgezeit sind: Hugo Grotius oder Huig van Groot, geb. 1583, der zugleich als Dichter, Staatsmann, Rechtsgelehrter, Theolog und Philolog glänzte, aber in den politisch-religiösen Zwist seines Freundes Oldenbarneveldt, des Beschützers der Remonstranten, und des Prinzen Moritz von Nassau verwickelt zu lebenslänglichem Gefängniß verurtheilt ward, aus dem ihn [289] nur die List seiner Gattin befreite. Das Ausland feierte und nutzte nun seine Talente und er war 10 Jahre schwed. Staatsrath und Gesandter in Paris gewesen, als er im Begriff, endlich ins Vaterland zurückzukehren, 1645 zu Rostock starb. Im Fache der Heilkunst wie als Naturforscher wirkten mit Auszeichnung: Joh. Bapt. van Helmont aus Brüssel, gest. 1644; Herm. Boerhaave (s.d.); Swammerdam, gest. 1680; Friedr. Ruysch, gest. 1731; Ant. Leuwenhoeck, gest. 1723; Joh. Ingenhouß, gest. 1799. Berühmte Mathematiker und Physiker waren: Cornel. Drebbel (s.d.); Christ. Huyghens, gest. 1695, der Verbesserer des Teleskops und Erfinder der Anwendung des Pendels bei den Uhren; Peter van Muschenbroek, gest. 1761, und Andere. Eine selbständige Bahn verfolgend, aber fast ohne Einfluß auf seine Landsleute, trat in der Philosophie nur Baruch (Benedict) Spinoza auf, geb. 1632 zu Amsterdam in einer portug. Judenfamilie, gest. 1677 im Haag. Am reichsten ist die Literaturgeschichte der Niederlande an Gelehrten, welche sich allgemein anerkannte Verdienste um die Beförderung der Kenntniß des classischen Alterthums erworben haben, und in dieser Beziehung sind besonders anzuführen: Justus Lipsius, gest. 1606 und einer der Wenigen, welche von den in die nördl. Provinzen aus Löwen auswandernden Gelehrten dahin zurückkehrten; I. I. Scaliger, gest. 1609; Joh. Meursius, gest. 1639; Joh. Friedr. Gronov aus Hamburg, gest. 1671; Ezech. Spanheim, der als preuß. Gesandter 1710 zu London starb; Grävius aus Naumburg an der Saale, gest. 1703, sowie im 18. Jahrh. Pet. Burmann, Drakenborch, Wesseling, Tiberius Hemsterhuis, Valckenaer, Dav. Ruhnken und Dan. Wyttenbach. Die vaterländische Geschichte ward bis auf die neueste Zeit mit Vorliebe bearbeitet; eine Blüte der Dichtkunst entwickelte sich aber erst im 17. Jahrh. und war durch die Bestrebungen eines Dirk Volkertszoon Coornhert, gest. 1590, Filips von Marnix, Herr von St.-Aldegonde, gest. 1598, Jan van der Does, gest. 1604, der mit Dan. Heinsius, gest. 1655, auch als lat. Dichter berühmt war, vorbereitet worden. Peter Corneliszoon Hooft, gest. 1647, Jakob Cats, gest. 1660, Joost van der Vondel, gest. 1679, sind die berühmtesten Dichter jener Zeit, unter den spätern aber sind Bellamy, gest. 1786, Hieronymus de Bosch, van Kooten, Klija, Feith, gest. 1824, vor Allen aber der auch als Rechtsgelehrter und vaterländischer Geschichtschreiber ausgezeichnete Willem Bilderdijk, gest. 1831, aufzuzählen. Von den noch lebenden hat sich Hendrich van Tollens durch Romanzen, Legenden und patriotische Dichtungen vorzüglich beliebt gemacht. – Von den bildenden Künsten hat in den Niederlanden die Malerei am herrlichsten geblüht und eine eigne Schule, die niederländische, ins Leben gerufen. (S. Malerei.)
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