Tatian

[418] Tatian, ein feuriger Vertheidiger des Christenthums, der aber allmälig in gnostische Irrthümer verfiel u. das Haupt der Enkratiten, Hydroparastaten, Aquarier oder Severianer wurde, war gebürtig aus Assyrien, ein Zeitgenosse des Bardesanes und Schüler Justins des Martyrers. Er schrieb sehr viel, aber nur seine Apologie des Christenthums (oratio ad Graecos) ist auf uns gekommen, worin er um 170 n. Chr. die Blößen des Heidenthums mit leidenschaftlicher Erregtheit besprach. Schon in ihr sind Spuren der platonischen Lehre von der Materie u. einem der Vernunft widerstrebenden Lebensgeiste, aus dem die materiellen Geister abgeleitet werden. Später sammelte er zu Antiochien eine gnostische Partei. Seine Aeonenlehre war der des Valentinus ziemlich verwandt, den angeblichen Gegensatz zwischen dem A. und N. T. betonte er stark, drang rigoros auf Enthaltsamkeit, entdeckte aus Paulus (1 Kor. 7, 5), die Ehe sei Unzucht und sah in Christo vor allem das Ideal der Ehelosigkeit. Gleich den meisten Gnostikern gebrauchten die Anhänger des T. beim Abendmahle statt des Weines nur Wasser u. modelten die kirchliche Abendmahlslehre allmälig in einer ihrem System entsprechenden Weise um. – Treffliche Ausgabe der Apologie von Maranus, Paris 1742, neueste von Otto im 6. Bd. seines Corpus apologetarum etc., Jena 1851.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 418.
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