[624] Baumwollstückfärberei (Glatt-, Unifärberei). Als Grundlage dienten der Baumwollstückfärberei die Erfahrungen der Leinen- und Wollenfärberei sowie der Türkischrotgarnfärberei und einiger schon bestehenden, auf den Import ostindischer Rohgewebe sich nützenden Indiennedruckereien. Für das Indigofärben benutzte man die heute noch gebrauchte Küpe des Leinenfärbers, zu der erst seit den siebziger Jahren unsers Jahrhunderts die Roulette- und Continueküpe[624] hinzugekommen ist (s. Indigoküpen). Für das heiße Färben der mit Tonerde oder Eisensalz gebeizten Gewebe in Krapp, Cachou, Blau-, Rot-, Gelbholz u.s.w. wurde von der Wollfärberei der runde, über einem Feuerungsroste eingemauerte, heute noch anzutreffende Kupferkessel mit gewölbtem Boden entlehnt. Die Behandlung der in Wasser oder Sodalauge abgekochten rohen Stücke vor dem Färben mit kalter Beizflüssigkeit in lauwarmem Kreidebad u.s.w. wurde in einem runden Holzbottich oder viereckigen Holzkasten vorgenommen. Quer über den Rand des Kupferkessels, Bottichs oder Holzkastens wurde ein Gestell mit einem hölzernen Lattenhaspel gestellt und dieser mit einer Handkurbel in Bewegung gesetzt, um eines oder mehrere an ihren Enden zusammengeknüpfte oder zusammengenähte Stücke in die Flüssigkeit einzuziehen und wieder aus ihr herauszuziehen, wobei ein Arbeiter bemüht war, die über den Haspel laufende Ware mit zwei Holzstäben, so gut es gehen wollte, nach der Breite auszustreifen. Aus dem Holzkasten hat sich später der große Rollenkasten mit Dampfheizung entwickelt, in dem heute noch die gebeizten Stücke über eine größere Anzahl oberer und unterer Leitwälzchen breit und in gespanntem Zustand durch ein warmes Kreide-, Kuhmist-, Kalk-, Brechweinsteinbad u.s.w. gezogen, »passiert« werden oder irgendwelche »Passage« vor oder nach dem Färben erhalten. An die Stelle des kupfernen Farbkessels trat später die hölzerne Farbkufe, für die man wohl auch die Bezeichnung »Farbkessel« beibehalten hat.
Die Farbkufe (s. die Figur) hat meist die Form einer tiefen Mulde mit schmalen, senkrechten Seitenwänden, während die beiden Längsseiten AA, von oben nach unten gegeneinander gerichtet, in einen schmalen, muldenförmig gewölbten Boden sich verlaufen. Eine nicht ganz bis zu diesem Boden hinabreichende hölzerne Scheidewand trennt die Kufe ihrer Länge nach in zwei ungleiche Teile. Ueber dieser Scheidewand ist ein hölzerner Lattenhaspel E montiert mit eiserner Achse, auf deren einer Seite eine Riemenscheibe sitzt. Durch die mit der Haupttransmission in Verbindung gesetzte Riemenscheibe erhält der Haspel seine Drehung um die über den Seitenwänden festgelagerte Achse, und zwar in dem Sinn von der kleineren zur größeren Abteilung der teilweise mit Wasser und Farbstoff gefüllten Kufe. Je nach der Länge des Haspels bezw. der Kufe läßt man in demselben Sinne 10, 20 oder 30 einzelne Stücke à 50 m im Strang über den Haspel in die größere Kesselabteilung hinunterlaufen und verbindet die beiden Enden jedes Stücks durch einen Weberknopf miteinander. Nun laufen die Stücke G in demselben Sinn 1, 23 Stunden lang unter der Scheidewand hinweg und werden nach längerem Aufenthalt in der Flotte im Strang wieder zum Haspel hinaufgezogen, um von neuem frei in die Flotte hinunterzufallen, wobei ein dem Haspel parallel laufender (in der Zeichnung nicht sichtbarer) Holzrechen die einzelnen Stücke auf ihrem Weg von unten nach oben voneinander getrennt hält. Etwas oberhalb des Kesselbodens, so daß die in der Flotte aufgehäuften Stücke unberührt bleiben, geht der Länge nach ein geschlossenes oder durchlöchertes Dampfrohr von einer zur andern Seite der Kufe und eine den Haspel verdeckende, zum Aufklappen eingerichtete Holzverschalung BCD hält die kalte Luft von der heißen Ware und Flotte ab. Ende der sechziger Jahre getraute man sich die hölzernen durch gußeiserne Kufen zu ersetzen und gleichzeitig richtete man sie zu Continuefärbkufen ein. Diese haben an Stelle des Haspels zwei schwere, aufeinander rollende Holzwalzen, von denen die untere, durch Riemenbetrieb in Bewegung gesetzt, die obere mitnimmt. Die zu färbenden Stücke sind mit ihren Enden zusammengenäht, nehmen ihren Weg von der kleineren zur größeren Abteilung des Kessels zwischen den Holzwalzen hindurch, bleiben nach jedem Durchgang kürzere oder längere Zeit in der Flotte liegen und rücken mit jedem Durchgang eine kleine Strecke gegen das eine Ende der Walzen vor. Hier angekommen, wird der Strang von einem über beiden Holzwalzen laufenden Preßwälzchen erfaßt und horizontal in der Luft durch zwei Brillen hindurch zum entgegengesetzten Walzenende zurückgeführt, wo er, wieder von einem Preßwälzchen erfaßt und freigegeben, von neuem in die Flotte hinabfällt, um diesen spiralförmigen Weg entlang der Kufe um die Holzwalzen und durch die Flüssigkeit als endloses, schmales Band bis zur Beendigung der Färbung fortzusetzen. Der Vorteil der ganzen Anordnung besteht darin, daß der Strang leinen Platz in der Flotte regelmäßig wechselt, daß er von Zeit zu Zeit ausgequetscht und in neue Falten gelegt wird. Für das Seifen der Alizarin- und andern Ware verwendet man die Continuefärbkufe gern in der Weise, daß man drei, vier und mehr solcher Kessel neben- oder hintereinander zusammenspannt, um die Stücke von dem ersten in den zweiten Kessel u.s.w. durch Brillen hinüberzuleiten, so daß sie zuletzt eine fast ungefärbte Seifenflüssigkeit passieren, was für das Weiß der Druckware von besonderer Wichtigkeit ist. Für die zum Färben bestimmten Continuefärbkufen zieht man das geschlossene Dampfrohr dem perforierten vor, damit nicht die Flotte gegen das Ende der Färbung durch das Kondensationswasser mehr und mehr verdünnt wird. Trotzdem bei den bis jetzt besprochenen Farbkesseln die Stücke zu schmalen Bändern zusammengelegt in der Flotte liegen, hat man doch bei sorgfältigem Arbeiten keine Ungleichheit der Färbung zu befürchten, solange es sich um dunkle Töne und um Farbstoffe handelt, die auf[625] den mit abgestumpftem Tonerde- oder Chromalaun oder mit Eisensalz getränkten und durch Kreide u.s.w. genommenen Geweben langsam »ziehen«. Als aber die Baumwollstückfärberei nach langem Zögern die basischen Anilinfarbstoffe und später (1884) die äusterst bequemen, am ungeheizter Baumwolle rasch ziehenden Azofarbstoffe aufgenommen hatte, sah man sich genötigt, um Ungleichheit in der Färbung zu vermeiden, die Stücke breit und gespannt durch die Flotte laufen zu lassen. Die hierfür am meisten benutzte Breitfärbemaschine ist der Jigger (auch Aufsetzmaschine genannt), der aber wie zum Färben so auch zum Auskochen und Durchnehmen der Ware durch Kreide, Kalk, Soda, Tannin, Brechweinstein, Chromkali oder Seife und zum Waschen der gefärbten Stücke in kaltem oder warmem Wasser dient. Der Jigger wird verschieden konstruiert; er besteht in der Hauptsache aus einem hölzernen oder kupfernen Trog zur Aufnahme der Flottenflüssigkeit. Fünf oder mehr Stücke werden auf eine Holzwalze aufgerollt, von der aus man sie breitgespannt über mehrere, in der kalten oder warmen Flüssigkeit um ihre horizontale Achse sich drehende Leitwälzchen zur andern Seite des Troges hinüberzieht. Dort rollen sie sich auf eine leere Holzwalze auf, von der aus sie der Reihe nach so viele Gänge herüber und hinüber durch den Trog und die Flotte zu machen haben, als für den betreffenden Artikel erfahrungsmäßig zu seiner Fertigstellung notwendig sind. Vor jedem Gange aber muß die möglichst konzentriert gehaltene Flüssigkeit im Trog entsprechend »nachgebessert« werden. Zu den Breitfärbemaschinen ist ferner zu zählen die Graufärbemaschine, in Wirklichkeit eine Kombination mehrerer hintereinander aufgestellten Jigger dann die Klotz- oder Paddingmaschine (s.d.), die gleich dem Jigger für die Baumwollstückfärberei von besonderer Bedeutung geworden ist, nachdem diese auch das Anilinschwarz und seit 1887 die modernen Entwicklungsfarben in ihr Arbeitsprogramm aufgenommen hat.
Literatur: Meißner, Die Maschinen der Färberei u.s.w., Berlin 1872; Knecht, Rawson und Löwenthal, Färberei d. Spinnfasern, 2. Aufl., Berlin 1900/01; Herzfeld, Die Praxis d. Färberei, Berlin 1893; Zipser, Die Maschinen der Färberei u.s.w., Leipzig und Wien 1894.
(Kielmeyer) R. Möhlau.
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