Fischwege

[44] Fischwege sind Einrichtungen, welche es den Wanderfischen ermöglichen, die bestehenden hohen Wehre in Bächen und Flüssen zu überwinden.

Da die Fische sich an den Stellen, an welchen sie sich zum Zweck der Nahrungsaufnahme während des größten Teils des Jahres aufzuhalten pflegen, in der Regel nicht vermehren können, müssen sie zu gewissen Zeiten mehr oder weniger weit wandern. So z.B. vermehren sich die Lachse in dem oberen Lauf der Flüsse; die junge Brut zieht sich noch etwas weiter herauf in die Bäche und bleibt hier höchstens 15 Monate. Dann wandern die jungen Lachse ins Meer und bleiben dort, bis sie die Geschlechtsreife erlangt haben und die Rückwanderung flußaufwärts antreten. Umgekehrt steigt die Aalbrut in die Flüsse auf und wandern die geschlechtsreifen Aale ins Meer zurück. Werden die Fische durch hohe Wehre an ihrer Wanderung und somit an ihrer Vermehrung gehindert, so ist die betreffende Fischart nach wenigen Jahren in dem abgesperrten Wassergebiet verschwunden. Will man dies verhüten, so sind Fischwege unerläßlich. Damit aber die aufwärts strebenden Fische die Fischwege finden und annehmen, ist es notwendig, daß letztere 1. möglichst nahe bei dem Kolk (Vertiefung) unterhalb des Wehres münden, und 2. reichlich mit Wasser gespeist werden.

Beträgt die Höhendifferenz zwischen Ober- und Unterwasserspiegel nicht mehr als etwa 3 m, und ist der Wehrrücken (Abschußböden) bis zum Unterwasserspiegel wenig geneigt, so kann auf letzterem ein schräger Balken (Schrägpaß) oder ein ca. 0,3 m breites, bei Hochwasser wegnehmbares Brett so befestigt werden, daß für die Fische eine Schwimmbahn mit einem Gefälle von 1 : 4–6 entsteht. Am oberen Ende des Streichbalkens muß jedoch die Wehrkrone einen muldenförmigen Ausschnitt erhalten, welcher der Schwimmbahn das nötige Wasser liefert. Ost leistet schon ein mehr oder weniger gewundener Seitengraben, der Ober- und Unterwasser mit einem Gefälle von 1 : 5 unter Umgehung des Wehres verbindet und ständig oder periodisch sämtliches Wasser oder einen Teil desselben aufzunehmen hat, vortreffliche Dienste.

An hohen und steilen Wehren sind vorwiegend Fischtreppen, d.h. staffelförmig gruppierte Bassins (Fischkammern) zu empfehlen. An den Zwischenwänden solcher Bassins können wechselständig[44] stets unter Wasser bleibende Schlupflöcher angebracht werden, durch die manche Fische nach aufwärts schwimmen, während andre Fische es vorziehen, ein Bassin nach dem andern sprungweise zu erreichen. Selbstverständlich ist eine solche Fischtreppe nur funktionsfähig, wenn ihr mehr Wasser zugeleitet wird, als durch die Schlupflöcher abfließen kann. Die Dimensionen der Kammern sind abhängig von der Größe und den Lebensgewohnheiten der Fische, welchen der Aufstieg ermöglicht werden soll [1]. Aehnlich ist die Anlage des Treppenpasses (Fig. 1), bestehend aus einer breiten Wasserrinne, in der in geeigneten Abständen Querwände, die nicht ganz von einer Seitenwand zur andern gehen, angebracht sind, so daß das Wasser schlangenförmig und mit einem Gefälle von nicht mehr als 1 : 4 durch den Paß fließt. Vielfach (insbesondere an Mühlen, Fabriken u.s.w.) kann der Leerlauf (Leerschuß, Freischleuse) mit einem Gefälle von 1 : 4–5 angelegt und, wenn der Betrieb ohnedies ruht, das Wasser durch Aufziehen der Leerschußfalle dem als Fischweg dienenden Leerschuß zugeleitet werden.

Um ausschließlich die Aufwärtswanderung junger Aale (Aalbrut) über hohe Wehre zu ermöglichen, genügt es oft schon, sehr wenig Wasser über eine Rinne (Aalrinne), deren Sohle durch aufgestreuten Kies oder angenagelte Querlatten (Aalleiter) uneben gemacht ist, herabrieseln zu lassen. Für abwärts wandernde Aale bezw. zum Schütze derselben vor dem Zermalmen in Turbinen u.s.w. sind Rinnen vor den Rechen der Wassertriebwerke in Sohlenhöhe und Schlupflöcher durch die Seitenwände der Obergräben erforderlich; auch sollte die Spiegelwelle zwischen den Rechenstäben höchstens 20 mm, wenn möglich kleiner sein. Wegen des stets großen Wasserverbrauches und des Druckverlustes an engen Rechen, besonders dort, wo der Fluß viel Treibzeug führt, sind die Fischwege den mit Wasserkraft arbeitenden Industrien oft recht nachteilig. In den wasserrechtlichen Bestimmungen der Kulturstaaten sind meistens Vorkehrungen zur Ausgleichung der Gegensätze zwischen industrieller Wasserbenutzung und Fischpflege getroffen (vgl. Wasserrecht). Weitere Details der technischen Einrichtungen für Fischwege und der hieraus entstehende Wasserverbrauch wollen in [1] nachgesehen werden. In bezug auf Fischzucht, Fischerei, Fischpflege u.s.w. sei auf [2] verwiesen.

In der neueren Zeit hat Reck-Hannover den Vorschlag gemacht, an Stelle der Fischleitern, -treppen u.s.w. Fischschleusen, wie aus Fig. 2 ersichtlich ist, einzubauen. Der Einbau besteht in einer Schleusenkammer, deren Abschlußwände gegen den Ober- und Unterwasserspiegel mit kleinen mittels Schützen abschließbaren Oeffnungen versehen sind. Der obere Schütz ist durch ein festes Gestänge mit einem Schwimmer in Verbindung gesetzt und vertikal geführt. Der untere Schütz erhält ein Gegengewicht, bestehend in einem oben offenen Hohlzylinder mit einer Auslauföffnung und ist durch ein Band mit ihm verbunden, das über eine Rolle geführt ist. Hat nun das die untere Abschlußwand überströmende Wasser den Hohlzylinder angefüllt, so hebt sich der Schütz und das Wasser kann hier ausströmen. Dadurch fällt der Spiegel in der Kammer und durch den sinkenden Schwimmer wird der obere Schütz geschlossen. Die Fische können in die Kammer eintreten. Da aber der Hohlzylinder nunmehr keinen Zufluß erhält, entleert er sich und bewirkt den Abschluß der unteren Kammerwand. Sobald nun das über die obere Abschlußwand einströmende Wasser die Kammer wieder angefüllt hat, öffnet der Schwimmer den oberen Schütz, und die Fische können nach dem oberen Flußlauf gelangen. Durch den Ueberlauf der Kammer füllt sich der Hohlzylinder wieder und das Spiel beginnt von neuem. Entsprechende Dimensionierungen der einzelnen Einrichtungen lassen hierbei den Vorgang in beliebiger Weise regeln.


Literatur: [1] Gerhardt, P., Fischwege und Fischteiche, Leipzig 1904. – [2] Weigelt, Hofer und Seelig, Zeitschrift der Fischerei und deren Hilfswissenschaften mit Einschluß von Fischwasserhygiene, Fischerei und Wasserrecht, Leipzig-Reudnitz.


Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 1., Fig. 2.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 44-45.
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