Schraubenberechnung [1]

[796] Schraubenberechnung umfaßt die Uebersetzung der Kraft mit Rücksicht auf die Reibung, ferner den Flächendruck im Gewinde und die Beanspruchung des Schraubenkernes.

Wird an einer Schraube mit der axialen Belastung Q (Fig. 1) die Mutter auf fester Unterlage gedreht und der Bolzen an der Drehung durch einen gleitenden Anschlag gehindert, dessen Wirkung U ebenso wie die seitliche Reaktion von der am Schraubenschlüssel wirkenden Kraft hier vernachlässigt wird, so hat man für eine Umdrehung die Arbeitsgleichung

P 2 π r = Q h + μ N 2 π r/cos α + μ0 M 2 π e,

d.h. die Kraft P im mittleren Radius r des Gewindes überwindet die Last Q über eine Ganghöhe h, die Reibung des Normaldruckes N im Gewinde auf die Länge eines Gewindeganges sowie die Reibung der Mutter in der Auflagefläche, deren mittlerer Radius e = 1,5 r sein mag. Der Normaldruck N, der in tangentialer Ebene (s. die Figur) unter dem Steigungswinkel α schräg gerichtet ist, erscheint in der Figur verkürzt, weil er in radialer Ebene unter dem Neigungswinkel β der Flanke schräg steht, der sich auf die unter α geneigte Ebene als β' projiziert mit der Bestimmungsgleichung tg β' = tg β cos α. Danach ist der axiale Druck in der Ruhelage = N cos α cos β'; während der Drehung wirkt noch die Komponente der Reibung μ N sin α in axialer Richtung. Dafür bestimmt sich der Normaldruck aus der Beziehung Q = M = N (cos α cos β'μ sin α). In Verbindung mit der Arbeitsgleichung folgt

P = Q tg α [1 + μ/sin α (cos α cos β' – μ sin α) + μ0 e/r tg α].

Setzt man tg ρ = μ/cos β', so wird P = Q [tg (α + ρ) + μ0 e/r]. Für reibungslosen Gang wäre P0 = Q tg α. Der Wirkungsgrad ist η = P0/P. Dieselben Formeln gelten auch, wenn die Schraube mit dem Stützradius e in der Mutter gedreht wird. Wird die Last abgelassen oder die Schraube gelöst, so hat man in der Klammer – 1 statt 1 bezw. – ρ statt ρ zu setzen, um die dazu erforderliche Umfangskraft P' zu finden. Selbsthemmung befiehl, wenn P' Schraubenberechnung [1] 0 ist, wobei η < 0,50 wird. Für Befestigungsschrauben ist α = 3 bis 2°; ferner cos β' = rd. 0,87; wenn μ = μ0 = 0, 1 gesetzt wird, so ergibt sich z.B. P = Q · 0,04 (1 + 3 + 4) = 0,32 Q bei η = 1/8 = 2,5%. Zum Lösen der Schraube gehört die Umfangskraft P' = Q · 0,04 (– 1 + 3 + 4) = 0,24 Q. Für eine eingängige Bewegungsschraube mit tg α = 0,06, cos β = 1, μ = 0,08 und e = 1,4 r wird P = 0,06 · 4,2 Q = 0,25 Q mit η = 24%; für eine zweigängige Schraube P = 0,31 Q mit η = 39%. Die nur drei- bis vierfache Uebersetzung an den Schrauben erhöht sich wesentlich im Verhältnis des Hebelarmes der am Schlüssel angreifenden Kraft zu dem kleinen Radius r des Gewindes.

Der Flächendruck im Gewinde beträgt p = Q/z 2 π r t, wenn z Windungen von der Tiefe t in der Mutter anliegen. Setzt man r = 0,45 d cm und t = 0,09 d cm, so wird p = Q 0,25 d2 z. Für Bewegungsschrauben bestimmt man hieraus z und danach die Mutterhöhe mit p = 25 kg/qcm für Schmiedeeisen auf Gußeisen, 50 für Schmiedeeisen auf Schmiedeeisen oder Metall, 75–100 für Stahl auf Metall. Meist ist H = 1,5 d bis 2,5 d. Für Befestigungsschrauben mit H = d wird p größer, 150–200 kg/qcm, bis 300 für Stahl auf Stahl oder harter Bronze.

Für die Festigkeitsberechnung der Schrauben legt man in der Regel nur die axiale Belastung Q zugrunde und berücksichtigt die Torsion durch Ermäßigung der Spannung für die Fälle, in denen die Schraube unter Belastung angezogen wird. Die Festigkeitsformel für Zug und Druck lautet Q = s π d12/4. Der Kernquerschnitt π d12/4 beträgt für die Befestigungsschrauben mit Whitworth-Gewinde 0,45 d2 ~ 0,60 d2, mit metrischem Gewinde. 0,50 d2 ~ 0,60 d2; setzt man dafür im Mittel 0,50 d2 bezw. 0,55 d2 qcm ein, so findet man die Bolzenstärke aus Q = (0,50 ~ 0,55) d2 s. Die zulässige Spannung s in Kilogramm/Quadratzentimeter beträgt: 200 für Schrauben, die mit Rücksicht auf Abnutzung ein gröberes Gewinde erhalten sollen, z.B. an Stopfbuchsen, oder deren Höchstbelastung zeitweise steigen kann; 300 für Schrauben für geringe Kräfte, für plötzlichen Kraftwechsel und vielleicht exzentrische Belastung; 400 für Schrauben, die unter der Belastung oder wie Fugendichtungsschrauben [1] überhaupt fest angezogen werden; 500 für Schrauben, die nicht unter Spannung angezogen werden; 600 für sauber geschnittene Schrauben aus gutem Material; 600–800 für stählerne Schrauben; 700–900 für Schrauben von bestem Material bei ruhender Belastung; 50–600 ist die Spannung der Schrauben für normale Flanschenrohre, auch Zylinderdeckel, je nach ihrer Stärke. Nach den Hamburger Normen sollen Dichtungsschrauben aus Schweiß- oder Flußeisen für Q kg Kraft berechnet werden auf den Kerndurchmesser d1 = 0,045 √Q + 0,5 cm bei guten Schrauben, guter Bearbeitung der Flächen und weicher Dichtung, dagegen mit d1 0,055 √Q + 0,5 cm bei weniger günstigen Umständen; dem entspricht eine Spannung von 630 bezw. 420 kg/qcm auf den ohne den Zuschlag gerechneten Querschnitt. Die Schrauben an Haken (s.d.) erhalten s = 30 √Q kg. Daß dünnere Schrauben[796] geringere Spannung erhalten, ist durch die willkürliche Kraftäußerung beim Anziehen, besonders bei Dichtungsschrauben, begründet. Man verwendet daher auch Schrauben unter 13 mm im Maschinenbau nicht als Konstruktionsteile. Die Festigkeit einer Schraube beträgt bei reiner Zugwirkung 110 ~ 115%, beim Anziehen der Mutter 85 ~ 100% von der Zugfestigkeit eines glatten Stabes vom Kerndurchmesser [2]. Sofern die Spindel auf Knickung beansprucht ist, hat man in der Formel J = 1/2 S Q l2 zu setzen J = d14/20 in Zentimetern, Q in Tonnen zu 1000 kg, l in Metern, S = 5fache Sicherheit. Hat man die Spindel berechnet und den Durchmesser festgestellt, so kann man die axiale Spannung s nochmals genauer berechnen und mit der Torsionsspannung τ, die für das Moment P r = 0,2 d13 τ (ohne die Reibung in der Auflagefläche der Mutter) gilt, zu einer ideellen Spannung si = s + 0,5 τ zusammensetzen [3].


Literatur: [1] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1900, S. 1063–1065, Camerer. – [2] Ebend. 1895, S. 505–508, Martens. – [3] Ebend. 1895, S. 854–894, v. Bach.

Lindner.

Schraubenberechnung [1]
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 796-797.
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