Chemotáxis

[1] Chemotáxis (Chemitropismus, griech.), die durch chemische Reize vermittelte Bewegung der lebenden Zelle. Lösungen chemischer Körper in Kapillarröhrchen wirken auf die eigenbeweglichen, in einem Wassertropfen befindlichen Zellen anziehend oder abstoßend, wenn man die Mündung des Röhrchens in den Wassertropfen eintaucht. Die chemotaktische Wirkung ist je nach der Art der chemischen Körper, der Konzentration der Lösung und nach den in Frage kommenden Zellen verschieden. Die männlichen Samenfaden der Farnkräuter werden durch Abscheidung von Apfelsäuresalzen, diejenigen der Moose durch Zuckerabscheidung chemotaktisch zum Fruchtorgan gelockt (erotische C.). Auch der Pollenschlauch wird in seiner Wachstumsrichtung durch chemische Reizung bestimmt. Auf seinem Wege durch den Griffel folgt er dem Reiz, den gewisse Kohlehydrate und Eiweißkörper auf ihn ausüben. Bakterien sammeln sich in mikroskopischen Präparaten an solchen Stellen, wo gleichzeitig vorhandene grüne Algen unter dem Einfluß des Sonnenlichts Sauerstoff abscheiden. Auch bei den weißen Blutkörperchen ist chemotaktische Reizbarkeit nachgewiesen worden; gewisse Bakteriengifte rufen eine Zuwendung und Ansammlung der Leukozyten hervor, und so erklärt sich die Eiterung bei Infektion einer Körperstelle. Sehr wahrscheinlich üben chemische Reizstoffe des tierischen Eies anlockenden Einfluß auf die Spermatozoen derselben Tierart aus.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 1.
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