Dreyfus

[203] Dreyfus, 1) Abraham, franz. Bühnendichter, geb. 20. Juni 1847 in Paris, zeichnet sich durch eine liebenswürdig humoristische Ader aus, die sich sowohl in seinen Beiträgen für Blätter und Zeitschriften als in seinen Theaterstücken, größtenteils Einaktern, bekundet. Es sind dies: »Un Monsieuren habit noir« (1872), »Petites annonces« (1878), »La Victime«. »La Gifle« (1880), »Le Klephte« (1881), »Une Rupture« (1885). Sie erschienen gesammelt u. d. T.: »Jouons la comédie« (1887). Mehr Gehalt hatte der psychologisch sehr seine Zweiakter »Les amis« (1898).

2) Camille Ferdinand, franz. Politiker, geb. 19. Aug. 1851 in Paris, wurde republikanischer Journalist, erst in der Provinz, dann in Paris, war 1879 bis 1881 Kabinettschef des berüchtigten Wilson, hierauf Unterstaatssekretär im Finanzministerium, wurde dann Redakteur der »Lanterne« und Mitglied des Pariser Gemeinderats und gründete 1884 die Zeitung »Nation«, deren Direktor er ist. Seit 1885 war er Deputierter und gehörte der äußersten Linken an, ist aber in den letzten Wahlen wiederholt durchgefallen. D. schrieb: »Les budgets de l'Europe et des États-Unis« (1882), »L'évolution des mondes et des sociétés« (1888), »L'arbitrage international« (1892, preisgekrönt), »A la Côte d'Ivoire. Six mois dans l'Attiè« (1900) u.a. und ist einer der Herausgeber und Generalsekretär der 1886–1903 veröffentlichten »Grande Encyclopédie«.

3) Alfred, franz. Artilleriehauptmann, geb. 9. Okt. 1859 in Mülhausen i. E., einer aus dem Elsaß stammenden jüdischen Familie angehörig, wurde, nach glänzender militärischer Laufbahn, im Dezember 1894 vom obersten Kriegsgericht wegen Spionage und Verrat militärischer Geheimnisse an eine fremde Macht zur Degradation und lebenslänglichen Deportation nach Cayenne verurteilt; er wurde dort auf der Teufelsinsel in qualvoller Gefangenschaft gehalten. Die klerikale und nationalistische Partei benutzte diese »Affaire« zur Entfesselung des Antisemitismus in Frankreich. Allein den Bemühungen wahrheitsliebender Männer, besonders Emil Zolas, gelang es, die Schuldlosigkeit D.' wahrscheinlich zu machen. Trotz des Widerstrebens des Generalstabs und der mächtigen Militärpartei übertrug das Kabinett Brisson (September 1898) die Angelegenheit dem Kassationshof, der das erste Urteil aufhob und die Sache dem Militärgerichtshofe zu Rennes zur Revision überwies (Oktober 1898). D. wurde nach Rennes überführt. Das dortige Kriegsgericht verurteilte ihn (9. Sept. 1899) von neuem, doch mit Zubilligung mildernder Umstände. Dieses ungeheuerliche Urteil führte die Begnadigung D.' durch den Präsidenten der Republik herbei (21. Sept. 1899). Seitdem suchten alle Parteien die durch die »Affaire« verursachte leidenschaftliche Aufregung zu beschwichtigen. D.' »Briefe aus der Gefangenschaft« wurden deutsch veröffentlicht (3. Aufl., Berl. 1899). Er schrieb: »Cinq années de ma vie« (Par. 1901; deutsch, Berl. 1901). Vgl. Marin, Histoire de l'affaire D. (Par. 1898); Steevens, The tragedy of D. (Lond. 1899); Guyot, L'affaire D. (Par. 1899); Mittelstädt, Die Affäre D. (Berl. 1899); Zola, L'affaire D. (Par. 1901; deutsch, Stuttg. 1901); Reinach, Histoire de l'affaire D. (Par. 1901 bis 1908, 6 Bde.; Bd. 1 deutsch, Berl. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 203.
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