Seiltänzer

[304] Seiltänzer, Personen, die auf einem gespannten Seil einherschreiten, tanzen und allerlei Künste ausführen, kommen schon bei den Griechen, viel häufiger aber bei den Römern vor. Die Funambuli tanzten auf starken Seilen, die Neurobatae auf Darmsaiten. Letztere hießen auch Aërobatae (»Lufttänzer«), weil[304] sie bei der Dünne der Saiten aus der Entfernung in freier Luft zu tanzen schienen. S. finden sich auf Vasen und Wandgemälden abgebildet, auf Münzen von Kyzikos ist sogar das Besteigen des Turmfeils dargestellt. Später kamen von Indien und Ägypten aus S. nach Konstantinopel, und im Mittelalter kannte man indische, persische, morgenländische Gaukler dieser Art. Der S. Arcangelo Tuccaro verfaßte eine illustrierte Schrift über seine Kunst (Par. 1599). In neuerer Zeit zeichneten sich besonders Italiener als S. (Akrobaten, Äquilibristen) aus, und namentlich die Chiarinis, in Deutschland Kolter, erlangten darin Ruf. Später wurden die Künste auf Drahtseilen, teilweise auch ohne Balancierstange und selbst mit einer Bürde beladen, ausgeführt, auch oben allerlei Kunststücke, Umkleidungen etc. vorgenommen, Feuerwerke abgebrannt etc. Berühmt wurde Charles Blondin (eigentlich Gravelet, geb. 1824 in St.-Omer, gest. im Februar 1897 in London), der auf einem gespannten Seil wiederholt den Niagarafall überschritt. Auch Tiere sind zu Seilkünstlern dressiert worden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 304-305.
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