Spiegeltäuschungen

[733] Spiegeltäuschungen, durch Anbringung von Spiegeln an Stellen, wo man sie nicht vermutet, hervorgebrachte Täuschungen auf Bühnen, in Panoptiken etc. Man benutzt gewöhnliche Spiegel, die einen menschlichen Körper ganz oder teilweise verdecken, so daß der von ihm ausgefüllte Raum leer zu sein scheint, und unbelegte Spiegelplatten, durch welche Personen und Gegenstände in andern Lagen und Räumen gezeigt werden, als sie wirklich einnehmen. Wenn z. B. eine unter einem Tische knieende oder sitzende Person ihren Kopf durch ein Loch der Tischplatte und einer auf derselben stehenden Schale steckt und dabei durch zwei Spiegelscheiben verdeckt wird, die zwischen den den Zuschauern zugekehrten Tischfüßen eingelassen sind, so spiegelt sich in den Spiegeln der Teppich, der den Boden bedeckt, man glaubt zwischen den Tischfüßen frei hindurchzuschauen und erblickt nur auf der Tischplatte in der Schale den lachenden, sprechenden Kopf. Eine ältere Form der S. beruht auf der Anwendung des Zauberspiegels (Polemoskop), entweder zwei parallele schrägstehende Spiegel, von denen einer das Gesichtsfeld ausfüllt und das Licht von dem andern, für den Zuschauer verborgenen erhält, so daß dieser die vor jenem aufgestellten oder sich bewegenden Objekte sieht; oder ein Hohlspiegel, der von dem hell beleuchteten verborgenen Gegenstand ein objektives Bild erzeugt, das in Luft (oder Rauch) zu schweben scheint. Durch unbelegte, durchsichtige und gewöhnlich umgekehrt gegen die Zuschauer geneigte Spiegelplatten, die den Mittelraum der Bühne einnehmen, können mannigfache Illusionen erzeugt werden, indem man durch ab wechselnde Beleuchtung bald nur den schwach beleuchteten Hintergrund der Bühne durch den Spiegel hindurch, oder mit diesem zugleich die auf ihm gespiegelten, stark beleuchteten Figuren und Schauspieler, die sich in einer Versenkung befinden, erblickt; bei Entziehung ihres Lichtes zerfließen die Spiegelbilder in Luft. Hierauf beruhen die Geistererscheinungen, deren ätherischer Leib von dem Degen der hinter dem Spiegel auftretenden Schauspieler durchschnitten zu werden scheint. Wenn die Beleuchtung der hinter und vor dem Bühnenspiegel befindlichen und scheinbar (bei den Geistererscheinungen) auf demselben Raume, ja auf derselben Stelle agierenden Personen plötzlich gewechselt wird, so kann damit die plötzliche Verwandlung einer Person in eine andre, eines Skeletts in einen lebenden Menschen etc. bewirkt werden. Noch überraschender ist die Täuschung, wenn die Verwandlung nach Art der Nebelbilder langsam geschieht, z. B. durch langsame Dämpfung des Beleuchtungsapparates für die hinter dem Spiegelglas befindlichen und Erhellung der vor denselben gestellten und nur im Spiegelbild sichtbaren Person. – Eine auf den Prinzipien des Winkelspiegels und der wiederholten Reflexion beruhende Täuschung ist der Vervielfältigungsspiegel (Irrgarten). Man steigt durch eine Treppe in einen prismatischen, von drei unter gleichem Winkel (von 60°) gegeneinander geneigten, senkrechten Spiegelwänden eingeschlossenen Raum und sieht seine Gestalt in einem weiten Raum unendlich vervielfältigt, und wenn mehrere Personen zugleich hinaufsteigen und ihr Dasein durch lebhafte Bewegungen betätigen, so erhält man das Schauspiel einer auf weitem Platze verteilten erregten Menge.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 733.
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