Verhör

[76] Verhör (Vernehmung), die amtliche Befragung einer Person über zweifelhafte Tatumstände, um darüber Gewißheit zu erlangen; sie wird im bürgerlichen Prozeß mit Zeugen und Sachverständigen, im Strafverfahren mit diesen, aber auch mit dem Angeschuldigten vorgenommen. Manche verstehen unter V. nur die letztgedachte Art der Vernehmung. Das V. des Angeschuldigten soll ihm Gelegenheit zur Beseitigung der gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe und zur Geltendmachung der zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geben. Nach der deutschen Strafprozeßordnung (§ 136) ist dem Beschuldigten bei Beginn der ersten Vernehmung zu eröffnen, welche strafbare Handlung ihm zur Last gelegt wird. Er ist zu befragen, ob er etwas auf die Anschuldigung zu erwidern habe. Das artikulierte V. (s. d.), mit allgemeinen und speziellen Fragstücken, ist in das gegenwärtige Strafverfahren nicht übergegangen; dagegen findet das dem englischen Recht eigentümliche Kreuzverhör (s. d.) jetzt in gewissem Umfange auch in andern Ländern statt. Vgl. noch Zeuge und Sachverständige. In Österreich dürfen jetzt auch die Parteien als Zeugen vernommen werden (s. Eid).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 76.
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