2. Der Aschenstocherer

[5] Es war einmal ein jung verheiratetes Paar. Der Mann war schrecklich faul und nachlässig; nichts tat er und die Arbeit liebte er nicht; den ganzen Tag saß er am Herde, hielt ein Stöckchen in der Hand und stocherte in der Asche herum. Darum nannte man ihn nur den Aschenstocherer.

»Mann,« sagte eines Tages seine Frau zu ihm, »Mann, steh auf und rühr' dich, arbeite und bringe etwas ins Hauswesen, sonst kann ich nicht bei dir bleiben.«

Aber das half nichts; er blieb am Herde sitzen und tat keinen Schritt aus dem Hause hinaus.

Am Ostersonntag entschloß er sich doch, in die Kirche zu gehen und als er nach Hause kam, fand er die Türe verschlossen und seine Frau ließ ihn nicht mehr hinein. So bat er sie um einen Schlauch voll Asche, eine Ahle und einen frischen Käse und trollte sich von dannen.

Ob er weit oder nicht weit gekommen war, wissen wir nicht; aber er kam schließlich an einen großen Fluß und sah am andern Ufer einen riesigen Div sitzen, der mit großer Gier aus dem Flusse trank.

Da wurde es dem Aschenstocherer doch recht bange, aber was sollte er tun? Es blieben ihm nur zwei Wege übrig, entweder nach Hause zu seiner Frau zurückzukehren oder dem Div als Frühstück zu dienen. Er dachte hin und her und was er sich schließlich ausgedacht, war dies: Er stach ein Loch in den Schlauch mit der Asche, schwang ihn umher und machte einen fürchterlichen Staub.

Der Div wunderte sich, ja er erschrak sogar. Dann nahm er einen Stein und forderte den Aschenstocherer auf, daraus Wasser herauszudrücken. Der nahm seinen neuen Käse, drückte ihn so fest er konnte, daß das Wasser herauslief und rief dem Div zu: »Hör' mal, komm mal her,[6] laß mich auf deine Schulter steigen und trag mich über den Fluß; ich will mir doch die Füße nicht naß machen.«

Der Div gehorchte, nahm ihn auf die Schulter und sagte: »O, wie leicht du bist!«

»Das ist bloß, weil ich mich mit einer Hand am Himmel halte,« sagte der Aschenstocherer, »wenn ich loslasse, kannst du mich ja gar nicht tragen.«

»Nun, laß einmal los!« sagte der Div.

Der Aschenstocherer nahm seine Ahle heraus und stach sie dem Div in den Hals. Der Div fing fürchterlich an zu schreien und bat ihn, sich wieder am Himmel festzuhalten. Als sie am andern Ufer angekommen waren, sagte der Div: »Jetzt steig' herunter, jetzt geht es ans Essen.«

Der Aschenstocherer erschrak, aber was half's? Er mußte herunter. Als er das Haus des Divs sah, gefiel es ihm ungemein. Im Backofen lag ein ungeheurer Laib Brot. Der Div sagte, er müsse jetzt für das Mittagessen sorgen und beauftragte ihn, auf den Brotlaib Acht zu geben, damit er nicht verbrenne. Als der Aschenstocherer sah, daß eine Seite schon hübsch braun geworden war, wollte er den Laib umdrehen. Aber es gelang ihm nicht; im Gegenteil, er geriet unter den Laib. Er strengte sich furchtbar an, aber das Gewicht war zu groß, er konnte nicht loskommen. Schließlich kamen die Divs nach Hause und als sie ihn unter dem Laib liegen sahen, wunderten sie sich und frugen ihn, was er da treibe.

»Ich habe fürchterliches Bauchweh bekommen,« entwortete der Aschenstocherer, »und mir den warmen Laib auf den Bauch gelegt, damit es vergeht. Jetzt ist es besser, ihr könnt den Laib herausnehmen.«

Dann brauchten die Divs Wein zum Mittagessen. Einer nahm einen mächtigen Krug, gab ihn dem Aschenstocherer und sagte: »Du, wenn du ein guter Kamerad sein willst, draußen im Hof ist die Weintonne4, geh' und hol' Wein!«[7]

Der Aschenstocherer bekam ordentlich Angst, als er den riesigen Krug vor sich sah, ging aber doch hinaus. Die Divs warteten und warteten auf seine Rückkehr, als es ihnen aber zu lange dauerte, gingen sie selber hinaus, um nachzuschauen. Da stand der Aschenstocherer, hatte eine Schaufel in der Hand und war daran, die Weintonne auszugraben.

»Was treibst du denn da?« frugen sie ihn.

»Ach, es ist doch gescheiter, ich nehme die ganze Weintonne heraus,« antwortete der Aschenstocherer, »was soll ich denn immer mit dem kleinen Krug hin und her laufen?«

Den Divs wurde es nun doch Angst: »Wenn wir zu neune die leere Weintonne kaum schleppen können, und der allein will sie voll hereinbringen, so ist es nicht ganz geheuer«, dachten sie, füllten sich ihren Krug selber und setzten sich zum Essen. Als einer der Divs hustete, warf es den Aschenstocherer an die Decke. Alle schauten verwundert hinauf und sahen, wie er da saß und würfelte.

»Was tust du denn da droben?« frugen sie ihn.

»Wie wagt ihr es, in meiner Gegenwart zu husten? Den Stecken da zieh' ich aus der Decke, um euch die Seiten ein bißchen einzuschmieren.«

Noch mehr erschraken jetzt die Divs. »Wir neune können kaum so einen Deckenbalken schleppen, und er nennt das einen Stecken«, sagten sie einer zum andern. So groß war ihr Schrecken, daß sie das Haus verließen und sich in alle Winde zerstreuten. Der Aschenstocherer aber richtete sich in dem verlassenen Haus der Divs häuslich ein.

Einer von den Divs traf auf der Flucht einen Fuchs. Der frag ihn: »Wohin läufst du denn, Div? Was ist dir denn passiert?«

»Wieso, wohin ich laufe?« antwortete der Div. »Zu uns ist ein Mensch gekommen, der hat uns beinahe alle verschluckt.«

Der Fuchs aber lachte laut auf, als ihm der Div alles[8] erzählt hatte. »Das ist ja der Aschenstocherer, ein armer Schlucker!« sagte der Fuchs. »Wegen seiner Faulheit hat ihn seine Frau aus dem Hause gejagt. Ich kenne die beiden ganz gut. Alle ihre Hennen hab' ich ihnen weggeschleppt. Und ihr habt euch vor diesem Hasenfuß gefürchtet!«

»Ich glaub' dir nicht«, sagte der Div.

»Komm nur, du wirst schon sehen. Hier, binde mich mit diesem Strick an!« Und der Fuchs band sich selbst den Strick um und das andere Ende um den Leib des Divs. So kehrten sie beide zum Hause des Divs zurück. Als der Aschenstocherer sie kommen sah, erschrak er zuerst, faßte dann aber wieder Mut und fing an zu schimpfen.

»Ha, du elender Kerl!« herrschte er den Fuchs an, »meine zwölf Divs solltest du fangen und da bringst du mir einen einzigen? Wart' nur ...«

So fürchterlich erschrak der Div, daß er eiligst den Strick zerriß, der ihn mit dem Fuchs verband und davonlief, bis hinter den neunten Berg.

Der Aschenstocherer aber nahm sich die ganze Habe der Divs, lud sie auf Kamele und machte sich auf den Weg zu seiner Frau. Die war's zufrieden und von nun an lebten sie in Lust und Freude miteinander.

4

Große, übermannshohe Tontöpfe, die in die Erde eingelassen werden.

Quelle:
Dirr, A.: Kaukasische Maerchen.Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 5-9.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Holz, Arno

Phantasus / Dafnis

Phantasus / Dafnis

Der lyrische Zyklus um den Sohn des Schlafes und seine Verwandlungskünste, die dem Menschen die Träume geben, ist eine Allegorie auf das Schaffen des Dichters.

178 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon