XXIII. Das Eiriksriff.

[20] Unweit vom Tindholm ist ein Riff, welches Eiriksriff genannt wird; dort ist bisweilen selbst bei herrlichem Wetter und glatter See Brandung; am meisten brandet es bei trockenem Wetter, Hitze oder harter Kälte. Von diesem Riff haben wir die Sage, welche hier erzählt werden soll.

Zwei Brüder, Símun und Eirik, besassen alles Land, welches an dem Dorfe »zu Bö« auf Vágar liegt; sie hatten eine Schwester, welche mit dem Bauer zu Hús in Miđvág [Dorf] verheiratet war. Diese beiden konnten nicht darüber einig werden, das Land unter sich zu teilen; darum sollten sie zum Lögmann fahren, um ihn zwischen ihnen teilen zu lassen. Eines Tages war Símun auf der Ausfahrt, aber Eirik sass inzwischen zuhause und schärfte die Axt. Am Abend, als das Boot an das Land legt, geht Eirik eiligst zum Strand hinab zu ihnen und sagt zu Símun, er solle nun schleunigst mit ihm zum Lögmann fahren, um Entscheidung über die Landteilung und das Erbe zu erhalten. Símun sagt, er sei sowohl hungrig als durstig und habe es notwendig, andere Kleider anzuziehen; doch Eirik wollte nichts davon wissen, dass er sich dem sofortigen Gang entziehe, nun, da es gelte, diese Fahrt zu unternehmen. Símun gab ihm nun nach und ging mit ihm; er war durstig und legte sich nieder, um aus dem Flusse zu trinken, der die Skataschlucht zwischen Bö und Sörvág herabfliesst; – Eirik nimmt nun die Axt und schlägt seinem Bruder den Kopf ab. Eirik geht nun zu Fuss um den Teich (Sörvágsvatn) herum und nach Miđvág. Als er gegen die Felder in Hús rennt, sieht ihn die Schwester und kommt heraus, um ihn zu fragen, welcher Teil des Landes Símun zugefallen sei; er antwortet, dass das der Teil sei, der dem Friedhof am nächsten ist. Er lief dann von hier nach Sandavág; ein Boot stand hier am Sande, Eirik war nicht imstande, es zu ziehen, sondern wandte es immer um, bis er es zur See gebracht hatte; so machte er das Boot flott. Die Schwester argwöhnte sehr aus der Antwort, die ihr Eirik gegeben hatte, dass er Símun getötet haben möchte, und bat darum ihren Mann, sich aufzumachen um seinen Tod zu rächen. Der Bauer eilte mit der Axt in der Hand Eirik nach, aber als er auf den Sand herabkam, hatte Eirik vom Lande abgestossen; er warf da die Axt nach Eirik, aber sie fiel auf den Steven und[20] beschädigte den Mann nicht. Eirik fuhr nun zum Bischof in Kirkjubö, um den Mord anzuzeigen, und der Bischof versprach, dass ihm der Mord verziehen sein sollte, wenn er der Kirche gute Bussen und dem Bischof jährlich einen fetten Ochsen gäbe; das liess der Bischof alles auf einen Holzstab einschneiden, dass nun die letzte Busse für Símun in Bö erloschen sein sollte. Als Eirik die Bussen bezahlt hatte, welche ihm auferlegt waren, fuhr er nach Westen zurück, die ganzen Vágawände vorbei; obzwar das eine gefährliche Fahrt war für einen Mann, hatte er doch das Glück, durch die harte Strömung und die hohen Wogen den ganzen langen Weg zu kommen. Er war nun durch den Dragasund in das tote Wasser und die glatte See innerhalb der Klippen und Tindholm gekommen, und sah nun das Dorf in Bö und das ganze Land vom Gebirge bis zum Strande, das er nun allein besass; er glaubte nun allen Gefahren entronnen zu sein, nahm den Stab und begann froh zu lesen, was darauf stand; – nun glaubte er, brauchte er vor nichts bange sein zu müssen. Als er nun in diesen Gedanken sass und nicht daran dachte, Gott zu loben und zu danken, der ihn über das Meer geführt hatte, oder ihn zu bitten, ihm den Mord zu vergeben, da erhob sich die Woge vom Grunde und ein Riff kam empor, wo es früher nicht gebrandet hatte, der Wirbel wälzte das Boot um und zog Eirik auf den Grund. Später trieb die Leiche in die Skataschlucht und hatte noch den Stab des Bischofs in der Hand. Daher heisst dieses Riff noch heute das Eiriksriff.

Quelle:
Jiriczek, Otto L.: Færöerische Märchen und Sagen. In: Zeitschrift für Volkskunde 2 (1892) 1-24, 142-165, Berlin: A. Asher & Co, S. 20-21.
Lizenz:
Kategorien: