Keller-Jordan, Frau Henriette

[417] *Keller-Jordan, Frau Henriette, München, Thierschplatz 1, wurde im Jahre 1835 am 4. Juni in Marburg in Kurhessen geboren. Ihr Vater war der durch seine Verdienste um die kurhessische Verfassung und das Martyrium einer siebenjährigen Gefangenschaft berühmt gewordene Sylvester Jordan. Er war damals Professor der Rechte an der Landesuniversität und wurde im Jahre 1848, mit dem Titel Geheimer Legationsrat, Bundestagsgesandter und Mitglied des deutschen Parlamentes in Frankfurt am Main. Ihre Mutter war die Tochter des bekannten Geschichtsforschers Dr. Paul Wigand, des Direktors des Reichskammergerichts in Wetzlar. Derselbe hatte neben seinem grossen Forschungssinn auch dichterische Begabung, verfasste eine Reihe lyrischer und epischer Dichtungen und mehrere historische Dramen, die unter dem Pseudonym »Walter Hesse« an verschiedenen Bühnen zur Aufführung kamen. In dieser geistigen Atmosphäre wuchs Henriette auf und ihr verdankte sie fast mehr Anregung und Interesse an den bedeutenden Fragen der Zeit, als der Privatschule in Marburg und dem 2jährigen Aufenthalte in einem der ersten Institute in Frankfurt am Main. Schon früh regte sich die Lust zum Träumen und Gestalten in ihr und sie begann bereits mit 16 Jahren Geschichten zu erfinden und niederzuschreiben, gegen die ihr Vater, der alles Unfertige verwarf, protestierte. Als derselbe sich mit Beginn der Reaktion, im Jahre 1850 nach Kassel ins Privatleben zurückzog, widmete er sich ganz der Erziehung dieser Tochter. Er las und studierte mit ihr deutsche, englische und französische Klassiker, suchte ihren Geist mit gediegenem Wissen zu bilden und ihm eine ernste Richtung zu geben. Er, der selbst poetische Begabung hatte, verstand es, in der Tochter neben der Einsicht in das Wesen der Dinge, auch die künstlerische Anschauung anzuregen, die sich mit der philosophischen Basis herrlich vertrug. Im Jahre 1855 verheiratete sich Henriette Jordan mit dem Kaufmann Edgar Keller in Mexiko, den sie in dem Bade Wolfsanger kennen lernte. Die fremde Atmosphäre, die Erzählungen vom Meere und den Tropen regten Herz und Phantasie an und so folgte sie dem Gatten in die schöne Hauptstadt der Azteken. Zehn Jahre verweilte sie dort und nahm alle Schönheiten einer fremden Welt und alle Bitternisse des Heimwehs, zu denen sich der Tod des Vaters gesellte, in sich auf. Sie füllte ganze Tagebücher, dichtete Legenden und Märchen und vernichtete sie wieder. Erst viele Jahre später, nachdem der Tod ihr zwei Kinder geraubt, und sie ihren zweiten Sohn auf die Universität nach Tübingen begleitet hatte, fand sie die nötige Schaffensruhe und begann ihre litterarische Thätigkeit, die von Anbeginn ihres Lebens ihr schönster Traum gewesen war. Sie veröffentlichte ihre ersten Novellen und Skizzen, ohne Hinzufügung ihres Namens, teils in Stuttgarter Zeitungen, teils in Frankfurter Blättern und der[417] Gartenlaube. Der Redakteur der »Württemberger Landeszeitung«, Dr. jur. Schlageter, riet ihr dann entschieden, in Zukunft ihren Namen hinzuzusetzen. Das Eis war ja nun auch gebrochen, ihre Sachen wurden mit Interesse gelesen und auch das Vorurteil der Mutter ward besiegt, die sich nicht sogleich daran gewöhnen konnte, den Namen ihrer Tochter der Öffentlichkeit, wie sie sich ausdrückte, preisgegeben zu sehen. Im Jahre 1886, nach dem Tode der Mutter, liess sich die Dichterin in München nieder und besuchte von hier aus noch einmal, auf ein Jahr das schöne Land Mexiko, wo ihr Sohn lebte. Sie ergab sich immer mehr der litterarischen Thätigkeit, schrieb Kritiken, Feuilletons und eine Anzahl Aufsätze aus der spanischen Litteratur für das »Magazin für Litteratur«, für das »Ausland« und die »Wissenschaftliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung«. Auch von Spanien bekam sie Aufforderungen zu litterarischen Beiträgen und dadurch mannigfache Beziehungen.

‒ Aus der Gegenwart. Stuttgart, Kohlhammer. 2.–; geb. 3,–

‒ Ausgewanderte. Rom. 8. (240) Ebda. 1893. n 2.–; geb. n 3.–

‒ Die Grubers. Erzählg. aus Kur-Hessen. 12. (210) Kassel 1887, Gosewisch. n 1.50

‒ Hacienda Felicidad. 8. (184) Stuttgart 1886, Kohlhammer, n 1.60; geb. n 2.50

‒ Lebenstiefen. Nov. 8. (206) Ebda. 1891. n 2.–; geb. n 3.–

‒ Mexikanische Novellen. 8. (317) Tübingen 1883, Osiander. n 5.–; geb. n 6.20

‒ Natalie. Erzählg. a. d. Mexikanischen Kaiserzeit. 2. Aufl. 8. (156) Ebda. 1885. n 2.60

‒ Roderich Wallner. Eine Erzählg. a. d. vorkaiserl. Zeit in Mexiko. 2 Aufl. 8. (202) Ebda. 1883. n 3.50; geb. n 4.70

‒ Transatlantisches. 8. (143) Stuttgart 1887, Kohlhammer. n 1.80

Quelle:
Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder Bd. 1. Berlin, 1898., S. 417-418.
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