[744] Pathetisch (v. gr.), leidenschaftlich, empfindend. Das P-e in der ästhetischen Form beruht auf der Darstellung des Affects, wo das übersinnliche Princip im Menschen mit dem sinnlichen im Kampf ist, darin den Sieg erhält u. dieser Sieg idealisirt in der Darstellung versinnlicht wird. Die bloße Darstellung des Leidens als Leiden ist nie Zweck der Kunst; denn nie ist das Leiden selbst, sondern nur der geistige Widerstand gegen dasselbe pathetisch. Gegen das Object, welches ihm Leiden bereitet, kann sich der Mensch oft mit seiner Muskelkraft vertheidigen; gegen das Leiden selbst hat er keine anderen Waffen, als Ideen der Vernunft. Diese müssen also in der Darstellung versinnlicht, od. durch sie erweckt werden, wo Pathos Statt finden soll; denn bei allem Pathos muß der Sinn durch Leiden, der Geist durch Freiheit interessirt sein. Fehlt es der pathetischen Darstellung an einem Ausdrucke der leidenden Natur, so ist sie ohne ästhetische Kraft, u. unser Herz bleibt kalt; fehlt es ihr an einem Ausdrucke der moralischen Wirksamkeit, so kann sie, bei aller sinnlichen Kraft, nie pathetisch sein u. muß unsere Empfindung empören. Aus aller Freiheit des Gemüths muß immer der leidende Mensch, aus allen Leiden der Menschheit[744] immer der selbständige, od. ein der Selbständigkeit fähiger Geist hervorscheinen. In der ästhetischen Darstellung des Pathos muß aber die Phantasie auf die Kraft des Willens, welche in Thätigkeit gesetzt worden ist, hingewiesen werden; dennnur die Betrachtung dieser Kraft kann Wohlgefallen erregen, weil die Phantasie dieses Wohlgefallen dadurch unterhält, daß keine sinnliche Empfindung die Freiheit des Gefühls unterdrücken kann. Unter den Künsten, durch welche man das P. darstellen kann, sind Malerei, Plastik, Poesie (bes. die epische u. tragische), Beredtsamkeit, Mimik, Musik. Vgl. Schiller, Über das Pathetische (im 11. Bande der Sämmtlichen Werke).