[677] Freiheit, 1) das Vermögen der Selbstbestimmung für das Handeln, ohne von fremden Einwir[677] kungen abhängig zu sein. Eine absolute F., d.i. eine Entbundenheit von allen äußeren Motiven, ist eine bloße Idee u. kann nur Gott beigelegt werden. In der Erfahrung tritt die F. uns nur in unserem eigenen Bewußtsein entgegen. Unter einer Menge Bestimmungen, die uns im Leben etwas zu thun od. zu lassen nöthigen, ist auch eine innere, mit unserem geistigen Wesen innigst verbundene, von welcher Handlungen ausgehen. Jene Bestimmung bezeichnet man als Willen, od. schärfer als freien Willen, u. die davon ausgehenden Handlungen, als freie Handlungen. Es ist schwierig, diese F. mit dem Gesetz der Causalität in Verbindung zu bringen, nach welchem Alles, was in die Erscheinung tritt, einen zureichenden Grund seines Werdens u. Seins in einem früheren u. anderweitigen Zustande hat, u. man muß, da jedem Willen Vorstellungen u. diesen sinnliche Eindrücke vorhergehen, dent menschlichen Geist eine relative F. zugestehen, nämlich sofern er, zwar aus der Natur hervorgegangen, doch auch diese selbst (wenigstens theilweise) erkennend u. beherrschend, über sie erhaben ist. Eine blos vom naturalistischen Standpunkte ausgehende Philosophie führt nothwendig zur Verleugnung aller F. od. zum Determinismus (s.d.). Diese Ansicht ist jedoch in neuerer Zeit zuerst durch den Kriticismus untergraben u. dadurch der F. des Geistes zunächst als Antinomie der theoretisirenden Vernunft unantastbare Sicherung ertheilt; zugleich aber ist sie als Postulat der praktischen Vernunft dargelegt worden. In dem Neuen Testament bezeichnet das Wort F. 2) jede Ungebundenheit von irgend einer drückenden Fessel, z.B. von der Sünde, von dem Mosaischen Gesetz etc. Die wahre F. besteht hiernach darin, daß sich der Mensch durch die christliche Wahrheit zum Wollen u. Handeln bestimmen läßt. Wer sich durch äußere sinnliche Dinge (Fleisch) bestimmen läßt, ist nicht frei, sondern ein Knecht des Fleisches od. der Sünde; vgl. Röm. 6, 18. Gal. 5, 1 u.a.; 3) (Staats- u. Naturrecht), der Begriff der F., als der aus der menschlichen Natur von selbst entspringenden Selbstbestimmung, ist auch im Gebiete des Rechtes festzuhalten. In jedem geordneten Staate steht daher auch dem Bürger die F., zu thun u. zu lassen, was er will, zu, insofern u. insoweit nicht ausdrücklich gebietende od. verbietende Gesetze ihm darin Schranken setzen. Die letzteren sind aber nothwendig, weil ohne sie ein geordnetes Zusammenleben gar nicht denkbar sein u. der Staat in Anarchie verfallen würde. Der ideale Begriff der F. kann daher hier nur dahin gefaßt werden, daß man die Stellung des Bürgers, die Verfassung etc. dann frei nennen wird, wenn die Gesetze die Selbstbestimmung nicht mehr beschränken, als dies nach den historisch gegebenen Staatszwecken nothwendig ist. Diese Selbstbestimmung wird dabei nach den Grundsätzen einer vernünftigen Staats- u. Rechtsverfassung bes. in folgenden Richtungen zu erstreben u. festzuhalten sein: A) als persönliche (natürliche) F., nach welcher der Staatsbürger nicht willkürlich eingekerkert od. definirt werden darf, sei es denn, daß die öffentliche Sicherheit od. Vergehen gegen die Gesetze des Staates dies nöthig machen (Freiheitsstrafen, s.u. Strafe). Der Staat hat aber auch darauf zu sehen, daß die persönliche F. nicht durch andere Staatsbürger, so durch unrechtmäßige Gefangenhaltung, gestört werde. Der Mensch ist keine Sache, sein Leib, als der sinnliche Repräsentant seines Vernunftlebens, darf nicht der willkürlichen entehrenden Verfügung u. Mißhandlung Anderer preisgegeben werden. Modificirt wird diese natürliche F. in Staaten, wo Sklaverei u. Leibeigenschaft gesetzlich ist. B) Bürgerliche F. bezeichnet das Verhältniß der Regierten zur Staatsregierung, nach welchem die Regierten nicht zu blindem, sondern blos zu verfassungsmäßigem Gehorsam verpflichtet sind, u. nicht blos Pflichten, sondern auch Rechte haben, u. nach der nicht blos für die Interessen des Regierenden, sondern für das Wohl des Staates u. der Staatsbürger regiert wird. Ein solches Verhältniß muß auch in absolut monarchischen Staaten angenommen werden, denn hierdurch unterscheidet sich die absolute Herrschaft von der Despotie u. Tyrannei. C) Politische F. ist das Recht u. das Verhältniß eines Volkes, nach welchem es vermöge der Grundverfassung des Staates für die Ausübung gewisser Theile der Staatsgewalt (Gesetzgebung, Finanzhoheit) auf bestimmte Weise durch Stellvertreter mitwirkt. Die Ausübung der Rechte der politischen F. hat sich dabei nach den verschiedenen Bildungsgraden, Interessen, Ständen u. Klassen der Bevölkerung allerdings sehr verschieden zu gestalten, u. ein System, welches vorzugsweise auf Verwirklichung der F. Anspruch machen könnte, läßt sich dabei ketneswegs aufstellen. D) Glaubens- u. Gewissensfreiheit ist das Recht, in Sachen der Religion nicht zur Annahme einer gewissen Staatsreligion u. zur Bekennung bestimmter Dogmen gezwungen zu sein, sondern nach eigenem Gewissen sich seinen Ansichten über Gott u. die letzten Dinge zu bilden. Von selbst versteht es sich indessen auch hier, daß der Staat nicht dulden kann, daß eine solche Glaubensfreiheit in Glaubenslosigkeit ausausarte od. daß sie zur Aufstellung von Grundsätzen benutzt werde, welche sich mit einem geordneten Staatsleben u. einer geläuterten Moral nicht vertragen. Über Preßfreiheit, Versammlungsfreiheit vergl. die bezüglichen Artikel.