Gebirgsbahnen

[259] Gebirgsbahnen (montain railways; chemins de fer de montagne; ferrovie di montagne). Der Begriff der G. im Unterschied von Bergbahnen (s.d.) ist ein technisch und geographisch unbestimmter. Unter letzteren versteht man meist solche, die nur auf Anhöhen oder Berge führen, dort endigen und in der Regel dem Touristenverkehr in günstiger Jahreszeit dienen; während G. auch für den großen Verkehr bestimmt sind und das ganze Jahr hindurch im Betrieb stehen. Zum Unterschiede von den Bahnen des Flach- und Hügellandes müssen G. im gebirgigen, daher schwierigen, meist steil ansteigenden Gelände bei Einhaltung bestimmt begrenzter Neigungs- und Richtungsverhältnisse geführt werden. Diese Führung bedingt je nach der Bahnart starke Steigungs- und scharfe Krümmungsverhältnisse, oft größere sog. künstliche Längenentwicklungen oder Verlängerungen der Bahn, zahlreiche und längere Tunnel, hohe Aufträge und tiefe Abträge, vielfach in felsigem Boden, Stütz- und Futtermaueranlagen, größere und hohe Talübergänge und Brücken, nicht selten auch Schutzanlagen gegen Schnee und[259] Lawinen sowie gegen Steinstürze; dagegen sind Rutschungen seltener auf den Gebirgsbahnen, wie auf den Bahnen des Hügellandes. Mit zunehmender Höhenlage verschlechtern sich die klimatischen Verhältnisse, wodurch Bau und Betrieb der Bahn erschwert und verteuert werden, so daß Bau- und Betriebskosten der G. die der Hügelland- und Talbahnen oft beträchtlich übersteigen. Die G. übersetzen vielfach Gebirgsrücken und verfolgen, soweit angängig, die gegen die Wasserscheiden durchschnittlich anfänglich flach, dann aber zunehmend steiler ansteigenden Täler, in denen stark geneigte mit flacheren Strecken wechseln (Talstufen). Zur Erreichung der Scheitelhöhe wird die Bahn entweder gleich mit der zulässig größten Steigung hoch geführt und liegt in diesem Falle stellenweise oft recht hoch über Talsohle. Hierbei wird künstliche Verlängerung vermieden, wenn die Bahnsteigung der Durchschnittsneigung des Tales gleichkommt. Diese nur bedingt mögliche Anordnung erschwert aber unter Umständen, namentlich bei ungünstiger Beschaffenheit steil ansteigender Talwände, Bau und Betrieb sowie auch den Zugang von den im Tale liegenden Ortschaften zur Bahn.


Beispiele zeigen Abb. 191 und 192, die Westrampe der Arlbergbahn und die Tauernbahn, wo die Bahn stellenweise 130 m und 360 m über der Talsohle liegt.


Die Bahn verbleibt auch mitunter in der Talsohle oder nicht sehr hoch über ihr, solange deren Neigung die zulässige Größtneigung der Bahn nicht überschreitet und wird in den steiler ansteigenden Talstrecken oder an den Talstufen durch künstliche Entwicklungen bei Anwendung des Größtneigungsverhältnisses von Fall zu Fall über die Talsohle gehoben (s. Abb. 193, Nordrampe der Gotthardbahn). Diese künstlichen Entwicklungen werden an die hierfür günstigen Stellen des Baugeländes verlegt und kommen dabei in Anwendung:[260]

1. Spitzkehren wie Abb. 194 die Anlage auf der chinesischen Ostbahn zeigt, die aber durch eine Tunnellinie ersetzt werden soll. Die Anordnung von Spitzkehren ermöglicht die Bahn, zumeist auf der Geländeoberfläche zu führen und tiefe Einschnitte und Tunnels oder hohe Aufträge zu vermeiden; dagegen hat sie den Nachteil der Betriebserschwernisse, da an den mit Weichen versehenen Spitzkehren jedesmal ein Aufenthalt der Züge nötig ist, die Züge abwechselnd gezogen und geschoben werden, wenn die Lokomotiven in den Spitzkehren nicht umgesetzt werden, was besondere Gleisanlagen und Zeitverluste bedingt. Spitzkehren kommen noch mehrfach vor auf südamerikanischen Bahnen (Peru, Bolivia und Chile) auf der Darjeeling-Himalaja-Bahn (s.d.), auf der Bahn von Menaggio nach Porlezza u.s.w. Sie haben auch für zeitweilige Anlagen (z.B. Mont Cenis-Bahn) auch für Baubahnen Verwendung gefunden.

2. Bogenkehren oder Schleifen, bei denen statt der Spitzen an den Kehrstellen Bogen eingeschaltet werden. Hierbei fallen die Nachteile der Spitzkehren fort, dagegen sind an den Kehrstellen meist größere Auf- und Abträge oder längere Tunnel erforderlich, namentlich bei Bahnen mit größerem Krümmungshalbmesser der Bogen. Abb. 195 (Berninabahn) und Abb. 289, S. 357, bei Art. Gotthardbahn (Nordrampe).

3. Seitentalkehren. Hierbei wird die durch den Unterschied in den Neigungen der Bahn und der Talsohle erforderliche Mehrlänge dadurch erreicht, daß die Bahn in vorhandene Seitentäler ein- und wieder in das Haupttal zurückgeführt wird. Abb. 196 zeigt die Ausfahrung des Pflerschtales an der Brennerbahn.

4. Schlingen. Wenn die Geländeverhältnisse die Längenentwicklungen nach 2 u. 3 nicht erlauben oder nicht als zweckmäßig erscheinen lassen, wie namentlich an den Talstufen mit steil ansteigenden Talwänden, werden Schlingen, auch mehrere solcher oft unmittelbar hintereinander angeordnet, wie z.B. die Schlingenbildung (Abb. 197) Georgetown der Breokenridge-Leadville-Bahn, die bei Giornico an der Gotthardbahn (s. Abb. 291 auf S. 358) und die der Albulabahn bei Muot und Naz (vgl. Abb. 134, Bd. I, S. 129).

Durch die künstlichen Entwicklungen wird die Länge der Bahn manchmal sogar recht beträchtlich vergrößert, dagegen wird sie stellenweise entweder ganz auf der dem Bau und Betrieb günstigen Talsohle verbleiben oder nur auf kurze Längen und nicht sehr hoch über Talsohle geführt werden können.

Die G. werden als Reibungsbahnen und wenn die Steigungsverhältnisse das für diese Bauart zulässige Maß überschreiten und künstliche Längenentwicklung vermieden werden soll, auch als Zahnbahnen ausgeführt. Zumeist kommen dann die gemischten Bahnen (s.d.), wobei Reibungs- und Zahnstrecken mit den Geländeverhältnissen wechseln, zur Ausführung. Man geht im schwierigen Gelände, in dem die[261] G. in der Regel liegen, mit den Steigungsverhältnissen bis an die obere noch zulässige Grenze, die von der Größe der Zugbelastung, der Bauart der Lokomotiven, dem Reibungswerte zwischen Rad und Schiene und der Fahrgeschwindigkeit auf der Berg- und Talfahrt abhängt, damit die Bahn dem Gelände tunlichst angepaßt und künstliche Verlängerungen eingeschränkt oder vermieden werden. Bei reinem Reibungsbetrieb ist man für Haupt- oder Vollbahnen, für die großer Güterverkehr und rascher Personenverkehr, der demnach größere Fahrgeschwindigkeit bedingt (s.d.), über 35 (Giovibahn – Italien) nicht hinausgegangen. Man hat die Erfahrung gemacht, daß auch mit Rücksicht auf rasche und sichere Talfahrt (Bremswirkung) das Neigungsverhältnis von 30 schon reichlich hoch ist; daher ist man für Haupt-G. mit großem Verkehr in letzter Zeit über das Neigungsverhältnis von etwa 28 nicht hinausgegangen.

Für Nebenbahnen mit Voll- und Schmalspur bei kleinem Güterverkehr und geringer Fahrgeschwindigkeit hat man etwa 70 Neigung kaum überschritten.

Die Bogen der G. erhalten möglichst kleine Krümmungshalbmesser, damit bei tunlichster Anschmiegung an das Gelände kostspielige Erd-, Tunnel- und Brückenbauten vermieden werden. Für vollspurige Hauptbahnen ist man mit dem Krümmungshalbmesser ausnahmsweise bis auf 190 m, zumeist aber nicht unter 250 m, für Schmalspurbahnen mit 1∙0 und 0∙75 m Spurweite nicht unter 60 m herabgegangen. Hierbei ist in Erwägung zu ziehen, daß die Größe der Zugwiderstände mit der Abnahme der Bogenhalbmesser wächst und daher zur Erzielung gleichen Zugwiderstandes die für die Gerade zulässige Größtneigung im Bogen um das Maß des Bogenwiderstandes zu vermindern ist, was bei gegebenem Höhenunterschiede eine Verlängerung der Bahn, daher einen Mehraufwand von Bau- und Betriebskosten bedingt. Es sind daher die Vor- und Nachteile scharfer Bogen von Fall zu Fall gegeneinander wohl abzuwägen.

Auf den gemischten G., wobei Reibungs- und Zahnstrecken wechseln, betragen die Größtneigungen auf den Reibungsstrecken nicht mehr wie etwa 25 und 40‰, in den Zahnstrecken nicht mehr wie 125‰, meist noch weniger; die Krümmungshalbmesser der Bogen bewegen sich auf Vollspurbahnen zwischen 180 und 280 m, auf Schmalbahnen zwischen 80 und 125 m; ausnahmsweise etwas weniger und mehr.

Abb. 198 zeigt den Längsschnitt der gemischten Reibungs- und Zahnbahn von Eisenerz über den Prebichel nach Vordernberg (Steiermark).

Infolge der weit größeren Steigungen, die die Zahnstrecken zulassen, kann sich die Bahn den wechselnden Geländeverhältnissen im Gebirge besser anpassen und auch im steilen Gelände zumeist künstliche Verlängerungen vermeiden, was billigen Bau und Betrieb ermöglicht, wobei allerdings die Fahrgeschwindigkeit für Berg- und Talfahrt in den Zahnstrecken wesentlich eingeschränkt werden muß. Ein Beispiel, wie an stark steigenden Talstufen statt künstlicher Entwicklung zweckmäßig Zahnbahnen eingeschaltet werden, zeigt Abb. 199[262] (Visp-Zermatt). Auf den G. mit Reibungsbetrieb und großem Verkehr und 25 bis 27 Größtneigung wird mit Schnellzügen in der Steigung mit etwa 35 bis 40 km Std. im Gefälle mit 50 bis 55 km Std., auf den schmalspurigen Bahnen mit 35 Größtneigung wird in der Steigung auch mit 25 km Std., im Gefälle mit 35 km Std. gefahren. Auf den Zahnstrecken mit 50 bis 120 Steigung beträgt die größte Geschwindigkeit 9 bis höchstens 18 km/Sid.

Die G. liegen teilweise oft in großen Höhen ü. M. und befinden sich daher unter ungünstigen klimatischen Verhältnissen, wodurch Bau und Betrieb erschwert werden. Lage des Gebirges, sowie Zeit, Art und Sicherheit des Betriebes, zumal im Winter, sowie Größe des Verkehrs sind bestimmend für die Grenze der Höhenlage einer G. Die Höhenlage der »Bergbahnen« (s.d.), die nur dem Sommertouristenverkehr dienen, kommt hier nicht in Betracht.


Die höchste Stelle der Berninabahn (Schweiz) liegt auf 2256 m ü. M., die der Furkabahn (Brig-Dissentis) auf 2170 m ü. M. Für die Beseitigung der bedeutenden Schneemassen in den oberen Strecken der Berninabahn wurden, abgesehen von Schneeschutzanlagen, besondere Schneeschleudermaschinen verwendet, die es ermöglichten, den Betrieb im Jahre 1911 schon im Mai zu eröffnen und dann im Winter fortzusetzen. Die Freihaltung der Bahn von Schnee während des Winters wird aber wegen zu bedeutender Kosten auf die Dauer nicht durchgeführt werden können, was die gemachten Erfahrungen bereits ergaben.

Die höchste Stelle der Albulabahn liegt auf 1820 m ü. M., die klimatischen Verhältnisse sind dort noch günstig. Die größten Höhen der übrigen großen G. Österreichs und der Schweiz bewegen sich zwischen 1100 und 1300 m, wobei ber Winterbetrieb ohne namhafte Kosten gesichert ist. Die Bergenerbahn (Bergen-Kristiania s.d.) in Norwegen erreicht eine größte Höhe von etwa 1309 m ü. M. Auf der 100 km langen baumlosen Hochgebirgsstrecke mußten aber wegen hoher und lange dauernder Schneelage 40% der Länge durch Schneeschutzdächer und Tunnel, der übrige Teil durch Schneeschirme geschützt werden. Die Union und Central Pacific Bahn (Nordamerika) erreicht im Felsengebirge 2570 m, in der Sierra Nevada 2139 m ü. M. Auf dieser Bahn sind ausgedehnte Schneeschutzanlagen (Schneedächer) erforderlich gewesen.

Dagegen war es möglich, die südamerikanischen Gebirgsbahnen in Folge der günstigen klimatischen Verhältnisse, wie die Andenbahn zwischen Chile und Argentinien, bis auf 3200 m ü. M., die Bahn von Lima nach Oroja (Peru) bis auf 4800 m ü. M. und die Bahn von Rio Mulatti nach Potosi (Bolivia) bis auf fast 4880 m ü. M. zu führen.


Da die Höhenlage der Bahn durch die klimatischen Schnee- und Lawinenverhältnisse, durch die Sicherung des Winterbetriebes begrenzt ist, außerdem die Täler stärker in den oberen Strecken ansteigen, die Geländeverhältnisse ungünstiger werden, wodurch meist noch umfangreichere künstliche Entwicklungen, kostspielige Bauten und Schutzanlagen, sowie höhere Betriebskosten und Verlängerung der Fahrzeiten[263] bedingt wären, auch die offene Überschienung eines hochliegenden Gebirgsrückens größere Hebungen der zu fördernden Lasten erheischten, so wird die Scheitelstrecke der G. sehr häufig in den Tunnels gelegt, dessen Eingänge unter Umständen verhältnismäßig tief liegen, daher die sog. Scheiteltunnel meist große Längen erhalten und namhafte Kosten für Bau, Lüftung und Erhaltung fordern.

Die Scheiteltunnel der großen G. haben, vom etwa 20 km langen Simplontunnel abgesehen, Längen bis 15 km erhalten. Nur die Brennerbahn übersetzt die Wasserscheide, die Brennerhöhe, auf 1370 m ü. M. im offenen Einschnitte, also ohne Tunnel, ohne daß der Winterbetrieb gefährdet wäre.

In nachfolgenden Tab. 1 und 2 sind nur die besprochenen Verhältnisse einiger G. mit Reibungsbetrieb und mit gemischtem Betrieb beispielsweise angegeben.


Tabelle 1.


Gebirgsbahnen mit Reibungsbetrieb.


Gebirgsbahnen

Tabelle 2.


Gebirgsbannen mit gemischtem Betrieb.


Gebirgsbahnen

Die neueren Entwürfe für große G. zeigen das Bestreben, die zu ersteigende Gesamthöhe[264] sowie die Neigungsverhältnisse gegenüber älteren Anlagen herabzumindern, die Krümmungshalbmesser zu vergrößern, dagegen folgerichtig die Scheiteltunnel zu verlängern.


Von der größeren Zahl dieser Entwürfe seien hervorgehoben die Kaukasusbahn (Wladikawkas – Tiflis) in Rußland, die mit einer Größtsteigung von 23 nur bis auf 1359 m ü. M. geführt werden und einen Scheiteltunnel von 23.500 m Länge erhalten soll; sodann die Vorschläge für Ostalpenbahnen über den Splügen-, Greina- und St. Bernhardinpaß. Für die Splügenbahn (Chur-Chiavenna), die mit einer Greinabahn in Wettbewerb tritt, aber wahrscheinlich den Vorzug erhalten wird, liegen mehrere Entwürfe vor, u.zw. mit einem Scheiteltunnel von 26.100 m Länge, dessen Eingang auf etwa 1000 m ü. M. liegen soll, mit Größtsteigungen von 26 und kleinstem Krümmungshalbmesser von 300 m, sowie ein Entwurf mit einem auf 1144 m ü. M. liegenden Scheiteltunnel von 18.640 m Länge.

Für eine St. Bernhardinbahn ist ein 27.900 m langer, zweimal geknickter Tunnel, auf 800 und 1000 m ü. M. vorgeschlagen. Auch liegen Bestrebungen und Entwürfe für eine Montblancbahn mit verschieden langen Scheiteltunnels vor, deren Zufahrtstrecken aber immerhin große Schwierigkeiten bereiten werden.


Da auf älteren G. infolge der großen Höhenlage und der ungünstigen Steigungsverhältnisse der Betrieb wesentlich erschwert st und der stetig anwachsende Verkehr zeitweise kaum mehr bewältigt werden kann, so hat man sich wiederholt veranlaßt gesehen, neue tieferliegende Bahnen mit geringerem Höhenunterschiede und mit günstigeren Neigungs- und Richtungsverhältnissen neben den bestehenden älteren Bahnen zu erbauen.


In Italien hat man unterhalb der alten mit 35 ansteigenden Giovibahn (Genua – Tortona), mit einem auf 361 m ü. M. und in der Steigung von 34% liegenden 3259 m langen Scheiteltunnel, eine neue Umgehungsbahn mit nur 15 Größtneigung und dem auf 324 m ü. M. in 12 Größtneigung liegenden 8298 m langen Roncotunnel erbaut, und da nun auch die neue Linie zur Bewältigung des großen Verkehrs von und nach Genua nicht mehr genügt, so wird beabsichtigt, zwischen Genua und Tortona eine dritte Bahn mit einem auf 230 m ü. M. liegenden etwa 19.000 m langen Tunnel mit sehr günstigen Steigungs- und Richtungsverhältnissen zu erbauen. Neben der mit der Größtneigung von 25∙65 bis auf 617∙5 ü. M. führenden Bahn von Bologna über Pistoja nach Florenz, die einen Scheiteltunnel von 2725 m Länge hat, wird eine Abkürzungslinie mit nur 12 Größtneigung, 500 m kleinem Bogenhalbdurchmesser, aber mit einem 328 m ü. M. liegenden, 18.000 m langen Scheiteltunnel erbaut.

In der Schweiz ist die bestehende Linie über den Hauenstein von Sissach nach Olten, die mit der Größtneigung von 26∙26 einem auf 562 m ü. M. und auch in der genannten Größtneigung liegenden Scheiteltunnel von 2495 m ausgeführt ist, unzureichend geworden; der Betrieb ist sehr erschwert und kostspielig, man erbaut daher daneben eine zweite Bahn mit 10∙5 Größtneigung, 500 m kleinstem Bogenhalbmesser und einem 449 m ü. M. liegenden, 8135 m langen Scheiteltunnel mit einer Größtneigung von 7∙5‰, die um etwa 112 m tiefer liegt wie die alte Bahn und auch etwas kürzer ist.

Es war gewiß richtig, die Simplonbahn nicht über die Paßhöhe, sondern gleich unmittelbar von Brig aus dem Rhonetal auf 686 m ü. M. nach Iselle in das Diveriatal, 634 m ü. M., mittels eines rund 20 km langen, in der Größtneigung von 7 liegenden Tunnels zu führen und es wäre zweckmäßiger gewesen, den 19 km langen Südanschluß von Iselle nach Domo d' Ossola, 371 m ü. M., nicht, wie geschehen, mit 26‰, sondern mit etwa 18 Größtsteigung und etwas größerer Länge, wofür vor dem Bau bereits ein Entwurf vorlag, auszuführen.

Bei ansteigendem Verkehr werden in den kommenden Jahren zweifellos noch mehrere G. mit ungünstigen Höhen- und Richtungsverhältnissen günstiger liegende Aushilfsbahnen erhalten; auch manche nur eingleisig erbaute Gebirgsbahnen werden zu ähnlichen Mitteln greifen müssen.


Der Betrieb auf den G. erfolgt zumeist noch mit Dampflokomotiven verschiedener Bauart, großem Gewichte und großer Zugkraft. Über Bauweisen und Gewicht der Gebirgsbahnlokomotiven s. Art. »Lokomotiven«.

Der elektrische Betrieb hat, abgesehen von den bekannten Vorteilen, für G. noch die Vorteile der Ausnützung der häufig ausreichend vorhandenen Wasserkräfte, der Vermeidung der Rauchbelästigung in vielen stark steigenden und oft langen Tunneln, des Fortfalles der Tenderbelastung auf den starken Steigungen.

Auf Talbahnen hat der elektrische Betrieb bereits vielfache Verwendung gefunden; auf den G. beginnt man mit seiner Einführung; so ist u.a. für den Simplontunnel, die Giovibahn, die Montreux-Oberlandbahn, die Berninabahn, die Karwendel- oder Mittenwaldbahn, die Niederösterr. Alpenbahn, die Lötschbergbahn der elektrische Betrieb mit Lokomotiven und mit Triebwagen bereits durchgeführt; seine Einführung auf anderen G., wie u.a. auf der Schlesischen Gebirgsbahn und auf einer Strecke der Rätischen Bahn ist nahe bevorstehend, auf der Mont Cenisbahn, Gotthardbahn, auf den Rätischen Bahnen sowie auf der Südrampe der Simplonbahn in Aussicht genommen.

S. Art. »Elektrische Bahnen«.

Literatur: Arlbergbahn, Denkschrift der Direktion der österr. StB. Wien 1881, 82, 90. – Etzel, Österr. Eisenbahnen (Brennerbahn) 1857–1867. – Instruktionen für die Bauausführung der Brennerbahn. Innsbruck 1864–1865. – Birk, Die Semmeringbahn. Wien 1879. – Dolezalek, Die Gotthardbahn. Hann. Ztschr. 1882 – Dolezalek, Die Arlbergbahn. Dt. Bauztg. 1883. – Dolezalek, Die Simplon- und Montblancbahn. Hann. Ztschr. 1884. – Geschichte der Eisenbahnen der österr.-ungar. Monarchie. Wien 1898 und 1908. – Hennings, Die neuen Linien der Rätischen Bahn. – Steinermayer, Der Bau der 2. Eisenbahnverbindung mit Triest. Allg. Bauztg. 1906. – Wetzel, Die Scalettabahn. Glasers Ann. 1890. – Zollinger, Die Bern-Lötschberg-Simplonbahn. Schw. Bauztg. 1910. – Koller, Die Berninabahn, Elektr. Kraftbetriebe und Bahnen, München 1911. – Über die Schweizer Gebirgsbahnen bringen die fortlaufenden[265] Jahrgänge der Schweizer. Bauztg. vorzügliche Mitteilungen; s.a. Art. »Alpenbahnen«, Bd. I, S. 137.

Dolezalek.

Abb. 191. Westrampe der Arlbergbahn.
Abb. 191. Westrampe der Arlbergbahn.
Abb. 192. Tauernbahn.
Abb. 192. Tauernbahn.
Abb. 193. Nordrampe der Gotthardbahn.
Abb. 193. Nordrampe der Gotthardbahn.
Abb. 194. Spitzkehren (chinesische Ostbahn).
Abb. 194. Spitzkehren (chinesische Ostbahn).
Abb. 195. Bogenkehren bei Alp Grüm (Berninabahn).
Abb. 195. Bogenkehren bei Alp Grüm (Berninabahn).
Abb. 196. Ausfahrung des Pflerschtales (Brennerbahn).
Abb. 196. Ausfahrung des Pflerschtales (Brennerbahn).
Abb. 197. Schlingenbildung Georgetown der Breokenridge-Leadville-Bahn.
Abb. 197. Schlingenbildung Georgetown der Breokenridge-Leadville-Bahn.
Abb. 198. Längsschnitt der Eisenerz-Vordernbergbahn.
Abb. 198. Längsschnitt der Eisenerz-Vordernbergbahn.
Abb. 199. Längsschnitt der Bahn Visp–Zermatt (Schweiz).
Abb. 199. Längsschnitt der Bahn Visp–Zermatt (Schweiz).
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1914, S. 259-266.
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