Holländische Eisenbahngesellschaft

[222] Holländische Eisenbahngesellschaft (Hollandsche Yzeren Spoorweg Maatschappy). Die H., am 8. August 1837 in Amsterdam gegründet, ist die älteste der noch selbständig bestehenden Bahngesellschaften des europäischen Festlands.

Am 20. September 1839 wurde ihre erste Strecke, von Amsterdam nach Haarlem (16 km), eröffnet.

Die Konzession zur Erbauung dieser Strecke wurde am 1. Juni 1836 auf Grund eines im Jahr 1835 bei der Regierung eingereichten Projekts erteilt und am 8. August 1837 der H. übertragen. Am 22. Juni 1840 wurde die Verlängerung bis Rotterdam genehmigt (eröffnet 1842–1847).

Bis zum Jahre 1865 blieb es bei dieser einzigen Linie, auf der sich indessen – trotz des vollständig isolierten Betriebs – allmählich ein reger Verkehr, hauptsächlich von Personen, entwickelt hatte. Am 20. Dezember des genannten Jahres erfolgte die Eröffnung der Strecke Helder – Alkmaar (Teil der Staatsbahnlinie von Amsterdam über Zaandam und Uitgeest nach Helder), die nach einem Übereinkommen mit der Staatsregierung von der Gesellschaft pachtweise in Betrieb genommen wurde. Die Strecke Helder-Alkmaar wurde unabhängig von der Stammlinie betrieben, bis am 1. Mai 1867 durch Eröffnung der Strecke Alkmaar-Uitgeest der Staatsbahn und der Linie Uitgeest-Haarlem, die von der Gesellschaft aus eigenen Mitteln hergestellt worden war, der Anschluß in Haarlem erreicht wurde. Am 1. November 1869 erfolgte die Inbetriebnahme der Strecke von Uitgeest bis Zaandam der Staatsbahnlinie Helder-Amsterdam.

Bis dahin hatte sich die Ausdehnung des Netzes nur innerhalb sehr bescheidener Grenzen bewegt, und da Anschlüsse an fremde Bahnen weder in Rotterdam noch in Amsterdam vorhanden waren, konnten die Linien nur dem Lokalverkehr dienen. 1870 wurde der Gesellschaft die Konzession für die Linien von Amsterdam über Hilversum und Amersfoort nach Zutphen, dann von Hilversum nach Utrecht erteilt; einige Jahre später übernahm die H. noch die damit zusammenhängende Strecke Zutphen-Winterswyk – den niederländischen Teil der von der niederländisch-westfälischen Eisenbahngesellschaft zu erbauenden Linie Zutphen-Winterswyk- Bismarck nebst Zweigstrecke Winterswyk-Bocholt – pachtweise in Betrieb. Durch die Eröffnung dieser Linien (1874 bis 1878) erlangte die H. zunächst Anschlüsse an die Nachbarbahnen in Utrecht, Amersfoort, Zutphen und Winterswyk. Nachdem am 15. Oktober 1878 die Reststrecke von Zaandam bis Amsterdam der Staatsbahnlinie Helder-Amsterdam in Betrieb übernommen war, wurde auch der provisorische Zentralbahnhof in Amsterdam eröffnet und bald darauf eine durchgehende Verbindung zwischen den drei, bis dahin vollständig getrennten Bahnen hergestellt. Außerdem wurde der eigene Bahnhof in Rotterdam aufgelassen und daselbst gemeinschaftlich mit der Gesellschaft für den Betrieb niederländischer Staatseisenbahnen, der neue – für gemeinsame Rechnung – vom Staat gebaute Bahnhof Delftsche Poort in Mitbenutzung genommen, wodurch auch hier der Anschluß hergestellt war. Damit war eine wichtige Durchgangslinie nach Belgien und Frankreich geschaffen, die Anknüpfung direkter Verkehrsbedingungen mit dem Deutschen Reich und den hinterliegenden Ländern ermöglicht.

In den nächsten Jahren wurde die Linie von Velsen nach Ymuiden von der H. aus eigenen Mitteln hergestellt und 1883 eröffnet. 1884–1885 folgte die pachtweise Inbetriebnahme der vom Staat gebauten Strecken von Zaandam nach Hoorn und von Hoorn nach Enkhuizen, bedeutungsvoll wegen der neuen Verbindung, die dadurch, im Zusammenhang mit einer über den Zuidersee eingerichteten Dampffähre von Enkhuizen nach Stavoren, zwischen den holländischen Provinzen und den Provinzen Friesland und Groningen geschaffen wurde. 1886 wurde die Staatsbahnlinie Amersfoort-Kesteren in Betrieb genommen und nach einem Übereinkommen mit der Nymegenschen Eisenbahngesellschaft[222] und der Eisenbahndirektion Köln (linksrheinisch) der Betrieb der teilweise dem preußischen Staat, teilweise der genannten Gesellschaft gehörigen Linie von Nymegen nach Cleve der H. übertragen. Da die Gesellschaft für den Betrieb niederländischer Staatseisenbahnen vertragsmäßig die Durchführung direkter Züge zwischen Kesteren und Nymegen gestattete, sah sich die H. am 1. Juni 1889 in die Lage versetzt, eine neue direkte Schnellzugsverbindung zwischen Amsterdam und Köln über die Route Hilversum-Amersfoort-Kesteren-Nymegen-Cleve ins Leben zu rufen.

Nachdem durch das Gesetz vom 9. August 1878 die Möglichkeit gegeben worden war, Nebenbahnen unter minder kostspieligen Bedingungen zu bauen, nahm sich die H. besonders dieses Zweiges des Verkehrswesens an, so daß sie auch jetzt noch die Mehrzahl aller Nebenbahnen in Holland betreibt.


Bei Förderung des Nebenbahnwesens wurde von dem Grundsatz ausgegangen, daß es die hauptsächlichste Aufgabe der Nebenbahnen sei, den Hauptlinien als Zufuhrwege zu dienen. Die der H. unterstellten Nebenbahnen sind, mit Ausnahme der Linie Alkmaar-Broek op Langendyk, von besonderen Gesellschaften und auf deren Kosten gebaut, jedoch von der H. pachtweise übernommen. Anlage und Betrieb erfolgte nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 9. August 1878, das durch Gesetz vom 28. Oktober 1889 und später durch das vom 9. Juli 1900 (Erhöhung der höchstzulässigen Fahrgeschwindigkeit von 40 auf 50 km in der Stunde) ersetzt wurde.


Infolge neuer Pachtverträge zwischen dem niederländischen Staat, der H. und der Gesellschaft für den Betrieb niederländischer Staatseisenbahnen wurden 1890 die niederländischen Eisenbahnverhältnisse einer gründlichen Umgestaltung unterzogen. Die H. erlangte außer den bereits von ihr betriebenen Linien noch den ausschließlichen Betrieb der Staatslinien von Dordrecht nach Vork und Elst; von Vork nach Ressen-Bemmel; von Stavoren nach Leeuwarden und von Schiedam nach Hoek van Holland, während sie zur Mitbenutzung folgende Linien erhielt: a) von Rotterdam über Dordrecht und Roosendaal nach der belgischen Grenze; b) von Hengelo über Enschede nach der deutschen Grenze (Gronau); c) von Arnheim nach Elst und von Ressen-Bemmel nach Nymegen; d) von Nymegen nach Venlo; e) von Arnheim über Zevenaar nach der deutschen Grenze; f) von Utrecht über Gouda nach Rotterdam (Maasbahnhof), und ferner: g) die Teilstrecke der niederländischen Zentralbahn von Amersfoort nach Utrecht.

1892 erhielt die H. den Betrieb der Strecke Almelo-Salzbergen, die bisher im alleinigen Betrieb der Staatseisenbahngesellschaft gestanden hatte, und von nun an dieser Gesellschaft im Mitbetrieb gegeben wurde, sowie den Mitbetrieb oben unter b), f) und g) genannten Bahnen; die anderen standen ihr schon im Jahre 1890 zur Verfügung.

Im Jahre 1899 wurde die Ringbahn um Rotterdam (die H. hatte sich bei dem Übereinkommen von 1890 verpflichtet diese Bahn, gegen eine staatliche Beihilfe von 1∙2 Mill. Gulden, zu bauen) zwischen der Linie der H. Amsterdam-Rotterdam und der Staatsbahn Rotterdam-Utrecht in Betrieb genommen, wodurch die für den norddeutschen Verkehr bestimmten Züge der H. von Hoek van Holland über Gouda, Utrecht, Amersfoort, Apeldoorn und Almelo, Salzbergen erreichen konnten.

Die H. war durch das Übereinkommen von 1890 in den Stand gesetzt, auf eigenen Linien größere internationale Verbindungen herzustellen und mit der Staatseisenbahngesellschaft in einen gleichwertigen Wettbewerb einzutreten. Hauptsächlich kommen hier drei Verbindungen mit dem Nachbarland in Betracht. In erster Reihe die Linie Amsterdam-Rheine über Amersfoort, Almelo, Salzbergen, über die jetzt 5 Expreß- und Schnellzüge die Hauptstädte Hollands mit Hamburg, Berlin, Leipzig, Dresden, Wien, Münster i. W. u.s.w. verbinden. Weiter die Linie Amsterdam und Rotterdam-Köln über Cleve. Beide Linien wurden von großer Bedeutung, als die Great Eastern Railway im Jahre 1893 die Schiffsverbindung Hoek van Holland-Harwich herstellte. Die dritte internationale Verbindung, die die H. seit 1890 entwickeln konnte, geht von Amsterdam über Haag, Rotterdam und Esschen nach Antwerpen, Brüssel und Paris.

1898 wurde die Linie der H. Alkmaar-Hoorn dem Verkehr übergeben, wodurch eine schnellere Verbindung von Rotterdam, Haag und Haarlem mit Friesland und Groningen über Enkhuizen und Stavoren ermöglicht wurde. Die Seestrecke Enkhuizen-Stavoren war bereits im Jahre 1896 mit staatlicher Subvention in Betrieb übernommen. Seit 1900 werden Güterwagen mit besonderen dazu eingerichteten Dampffährbooten über die 22 km lange Seestrecke zwischen Stavoren und Enkhuizen befördert. Weiter wurde 1908 der Betrieb der elektrischen Bahn Rotterdam-Haag-Scheveningen (Einphasenwechselstrom-Vollbahn, 10.000 Volt), Eigentum der Süd-holländischen elektrischen Eisenbahngesellschaft, der H. pachtweise überlassen. Ende des Jahres 1902 wurde die Nebenbahn Haarlem-Zandvoort als Hauptbahn ausgestattet. Die Teilstrecke Cleve-Landesgrenze der Linie Nymegen Cleve kam 1906 unter preußische Verwaltung; die H. führt gegen eine feste Vergütung den Fahrbetrieb.[223]

Auch der Nebenbahnbetrieb der H. erhielt nach 1890 eine erhebliche Erweiterung.

Ende 1913 umfaßte das Netz der H.:

Hauptbahnen988∙95 km
Nebenbahnen437∙00 km
Vereinfachte Nebenbahnen113∙16 km
Kleinbahnen 42∙10 km

1913 wurden eröffnet:

Nebenbahnen: Hattem, Kampen und Metslavir-Anjum.

Vereinfachte Nebenbahnen: Alkmaar-Schagen.

Kleinbahn: Hoorn-Venhuizen-Grootbroek.

Die Anlagekosten stellen sich Ende 1911, wie folgt:

a) Gesamtbetrag des vom Staat der Niederlande verwendeten Baukapitals der von der H. betriebenen Staatseisenbahnen (ausschließlich der, die bei der H. bloß in Mitbetrieb stehenden)

M. 134,669.219

b) Gesamtbetrag des von der H. verwendeten Bau- und Betriebskapitals für ihre eigenen Linien und Erweiterungen der ihr unterstellten Staats- und Privatbahnen (einschließlich der von ihr erhaltenen zinsfreien Subventionen) M. 141,018.205

c) Gesamtbetrag des Anlagekapitals der von der H. gepachteten Privatbahnen M. 75.308.872

Insgesamt M. 350,996.296

Die oben unter a) erwähnten Staatsbahnen sind sämtlich Hauptbahnen (rund 332 km).

Die unter b) begriffenen eigenen Linien umfassen rund 270 km »Hauptbahnen« und rund 40 km vereinfachte »Nebenbahnen« und »Kleinbahnen«.

Von den unter c) erwähnten Privatbahnen sind rund 614 km Haupt- und Nebenbahnen und rund 65 km vereinfachte Neben- und Kleinbahnen.


Die Hauptverkehrslinien sind:

Amsterdam-Rotterdam-Rosendaal (Antwerpen, Brüssel, Paris), Amsterdam-Apeldoorn-Salzbergen (Berlin, Hamburg), Hoek van Holland-Rotterdam-Amersfoort-Apeldoorn-Salzbergen und Hoek van Holland-Rotterdam-Dordrecht-Kesteren-Nymegen-Cleve. Durch die zwei letzten Linien wird in Konkurrenz mit der Vlissinger Route der niederländischen Staatsbahngesellschaft der englische Durchgangsverkehr (Harwich-Hoek van Holland) bedient.


Betriebsergebnisse (1 Gulden niederländischer Währung = 1∙70 M.)


Holländische Eisenbahngesellschaft

Von den Gesamteinnahmen kamen in 1912 durchschnittlich 53% auf den Personenverkehr, 44% auf den Güter- und Gepäckverkehr und 3% auf Einnahmen aus sonstigen Quellen.

Der Güterverkehr war anfänglich und auch später noch ohne jede Bedeutung und beschränkte sich infolge der vollkommen getrennten Lage der Bahn auf einige wenige tausend t Lokalgüter. In den ersten Jahrzehnten des Betriebs betrug der Verkehr an sämtlichen Güterarten nur 10–20.000 t im Jahr und überstieg die Anzahl der beförderten Frachtgüter nur einmal 10.000 t. Sofort, nachdem die Anschlüsse hergestellt waren, trat ein erheblicher Verkehrsaufschwung ein. Die Eröffnung der Ostbahn, die weitere Ausdehnung des Netzes und die auch späterhin[224] noch erzielten Anschlüsse an die Nachbarbahnen wirkten mächtig auf die Hebung des Güterverkehrs ein. Von Jahr zu Jahr anwachsend, erreichte der Güterverkehr 1890: 2,907.950 t, 1912: 5,416.984 t.

Vorstehende Tabelle (S. 224) enthält eine Übersicht über die Betriebsergebnisse.

Nach dem Jahresbericht über 1912 war das Aktienkapital am 31. Dezember 1912: M. 38,250.000 und das Obligationenkapital M. 234,600.000.

Die von der Gesellschaft erzielten finanziellen Ergebnisse erwiesen sich im allgemeinen bis 1890 als sehr befriedigend.

Das Jahr 1883 brachte sogar 8% Dividende (eine Rekordziffer) ein. Seither ging die Dividende zurück und betrug 1890 nur 4∙6%.

1891 konnte nur eine Dividende von 2% ausgezahlt werden, und 1892 sank diese sogar bis 11/5.

Verschiedene Faktoren trugen zu diesem Rückgang bei, zunächst waren die wirtschaftlichen Zustände in den Niederlanden nach 1890 sehr ungünstig; zudem kam die H. nicht sofort in den Besitz der ihr bei dem Übereinkommen von 1890 zugesagten Linien, die Lokalbahn Apeldoorn-Almelo mußte noch als Hauptbahn umgebaut werden, während die Strecke Hoek van Holland-Schiedam erst 1893 und die Ringbahn um Rotterdam erst 1899 fertig wurde.

Dazu kam, daß auf verschiedenen Linien der H. ein Rückgang in dem Verkehr durch die Konkurrenz der neuen Routen der Staatseisenbahngesellschaft eintrat. Nach 1893 besserte sich der finanzielle Zustand allmählich, trotz der immer steigenden Ausgaben des Betriebs.

Über das Übereinkommen der H. mit dem Staate von 1890 u.s.w. s. unter »Niederländische Eisenbahnen«.

Nieboer.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 6. Berlin, Wien 1914, S. 222-225.
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