Korn, Familie

[575] Korn, Familie. Die Familie Korn, welche sich bis in die Zeiten der Reformation hinauf urkundlich verfolgen läßt, war fünf Generationen hindurch dem geistlichen Stande zugethan. Lorenz Korn (gest. 1598) war Oberpfarrer und Ordensinspektor der Johanniterballey Sonnenburg in Brandenburg wohin er aus Storkow gekommen war; sein dritter Sohn Daniel Korn (gest. 1627) bekleidete das Amt eines Pastor primarius in Calau; dessen Sohn Johannes (gest. 1658) ward 1656 Pfarrer zu Kalkwitz bei Kalau, sein Sohn Johann Korn (geboren zu Calau, gest. 1706) war von 1658-1706 Pastor in dem Spreewalddorf Papitz. Sein zweiter Sohn Christian (geb. 1669) folgte seinem Vater vom Jahre 1706 bis 1732 im Pfarramt zu Papitz, das noch durch zwei weitere Generationen bis zum Jahre 1823 im Besitz der Familie Korn verblieb. Der vierte Sohn Christian Korns war Johann Jakob Korn (geb. 1702), der Begründer der Breslauer Verlagsfirma.

Zu österreichischer Zeit war der Buchführer Korn, der sich[575] anfänglich gleich seinen Vorfahren dem theologischen Beruf gewidmet, aber in kirchlicher Unruhen des wendischen Dorfes Burg verwickelt seine Heimat verlassen hatte, in Breslau eingewandert, hatte einen Verlag begründet und bereits seit 1727 mehrere umfangreiche Werke erscheinen lassen, so die Institutiones theologiae moralis von Buddäus, welche 1727 und eine Anzahl Predigten, welche in demselben und dem nächstfolgenden Jahre erschienen. Jedoch wird der Gründungstag der Firma auf den 13. 1. 1732 verlegt, da der Begründer der Firma mit diesem Tage in das Collegium mercatorum eintrat und dadurch das Recht erlangte, nicht nur in Breslau Buchhandel zu treiben, sondern auch an auswärtige Handlungen Bücher zu liefern.

Schon die ersten Jahre des geschäftlichen Unternehmens zeigten einen Aufschwung, welcher demselben die Aufmerksamkeit weiter Kreise zulenkte. In einer zu jener Zeit erschienenen Beschreibung von Schlesien heißt es: »Die Buchhandlung ist um deswillen in Schlesien von keiner Bedeutung gewesen, weil die Einfuhr fremder Bücher und der Druck derselben innerhalb Landes wegen der scharfen Censur der katholischen Geistlichkeit mit vieler Beschwerlichkeit hat geschehen müssen. Nachdem aber die Buchhändler freyere Hände bekommen, so ist in Breßlau von dem Johann Jacob Korn eine Buchhandlung etabliret worden, welche noch in gutem Flore steht. Dieser kluge und erfahrene Mann hat viele in Schlesien bisher unbekannte Wege gesuchet, seine Buchhandlung nach Petersburg, den Russischen Provinzien, Pohlen, der Ukraine, Moldau und Wallachey auszubreiten, und ist auch so glücklich gewesen, seine Zweck zu erreichen«.

Als Friedrich der Große in Schlesien einrückte, wandte Korn als echter Preuße sich sofort diesem zu. Er besorgte den Abdruck der preußischen Plakate, Patente usw.; durch seinen Buchladen wurden die Nachrichten über das Vorrücken der preußischen Truppen eifrig verbreitet; von ihm aus ward ihre erste Waffenthat, die Erstürmung Glogaus am 9. 3. 1741 verkündet und durch die einen Monat später bei Korn erschienene »Vorläufige Relation eines vornehmen Preuß. Offiziers von der dem 10. 4. 1741 ohnweit dem Dorfe Hermsdorf vorgegangenen Bataille« wurde die Kunde von der gewonnenen Schlacht bei Mollwitz verbreitet. Diese und noch einige weitere Relationen waren die Vorläufer der am 3. Januar 1742 erstmals erschienenen »Schlesischen Privilegierten Staats-, Kriegs- und Friedenszeitung«, zu deren Herausgabe Friedrich der Große am 22. Okt. 1741 das Privilegium vollzogen hatte.[576]

Der Verlag nahm inzwischen einen bedeutenden Umfang an. Korn veranstaltete eine Sammlung aller schlesischen Provinzialgesetze, für deren Herausgabe es ihm gelang, den Geheimen Justizrat Suarez zu gewinnen, denselben, welchen Friedrich II. später mit der Redaktion des Landrechts betraute. Daneben erschienen außer einer größeren Anzahl von Schulbüchern hauptsächlich juristische und evangelisch-theologische Werke. Als besonders erfolgreich erwies sich die Herausgabe des »Evangelischen Gesangbuches für die Königlich Preußisch-Schlesischen Lande«. Dasselbe entstand 1742 auf unmittelbare Veranlassung und unter persönlicher Mitwirkung des Verlegers. Bis zur Gegenwart hat es in fast unveränderter Gestalt mehr als 60 Auflagen erlebt und ist es nicht nur bei vielen Gemeinden Schlesiens und Gebrauch geblieben, sondern wird auch jetzt noch in vielen Hunderten von Exemplaren jährlich an die Nachkommen schlesischer Auswanderer in Australien, Ungarn usw. abgesetzt.

Johann Jacob Korn starb im Jahre 1756. Noch zu seinen Lebzeiten war aus dem Schoße seines Geschäftshauses eine zweite Buchhandlung hervorgegangen, welche längere Zeit neben der älteren fortbestand. Johann Friedrich Korn, der älteste Sohn Johann Jacobs, hatte dieselbe begründet und durch den Erwerb guter Verlagsartikel rasch zu Ansehen und Blüte gefördert. Nachdem er, ohne männliche Erben zu hinterlassen, gestorben, verkaufte sein Schwiegersohn dieselbe an C. E. Fritsch. Sie kam 1832 an Julius Hebenstreit, 1836 fiel der Verlag an die ältere Handlung und die Firma Johann Friedrich Korn erlosch. –

Wilhelm Gottlieb Korn (geb. 1739), zweiter Sohn des Begründers der Firma übernahm 1762 unter überaus schwierigen Verhältnissen das schon zu bedeutenden Dimensionen angewachsene väterliche Geschäft. Die Not des Krieges und die auf ein halbes Menschenalter hinauswirkende allgemeine Verarmung der Provinz machten sich nicht zum wenigsten im Buchhandel bemerklich. Korn mußte daher nicht nur auf die Einziehung zahlreicher Forderungen seiner Firma verzichten, sondern sah sich auch während eines Deceniums großenteils darauf beschränkt, die verschiedenen Verlagsunternehmungen seines Vaters fortzuführen, ohne neue von Belang ins Werk setzen zu können.

1757 war er nach Warschau gegangen und hatte bei einem mehrjährigen Aufenthalte daselbst Sprache, Sitten und Zustände der Bewohner Polens kennen gelernt. Als sich nun unter dem letzten Könige von Polen, dem geistreichen und kunstsinnigen[577] Stanislaus August Poniatowski, teils durch ihn selbst, teils durch das aufblühende deutsche Geistesleben angeregt, auch eine beachtenswerte polnische Litteratur entwickelte, benützte Korn seine alten Beziehungen in Polen dazu, den Verlag der bedeutendsten Werke polnischer Autoren zu erwerben, was ihm um so leichter gelang, als es in Polen an geeigneten Kräften für derartige Unternehmungen gänzlich fehlte. So wurden seinem Verlage die Werke der polnische Klassiker Kochanowski, Krasicki, Karpinski, Orzechowski und andere zugewendet. Noch unter seiner Geschäftsleitung unterhielt und förderte sein Sohn Johann Gottlieb Korn die polnischen Beziehungen des Hauses. Dieser erwarb sich nicht nur hohe Gunst beim Könige Stanislaus, welcher die nach der ersten Teilung Polens eingetretene zwanzigjährige Ruhe seines Landes dazu benutzte, Kunst und Wissenschaft in seinem Reiche zu heben, sondern wußte auch bei seinen häufigen Reisen nach Warschau mit mehreren der angesehensten Großen des Landes, welche dem Könige bei seinen litterarischen Bestrebungen zur Seite und sie fördern halfen, besonders ist dem Fürsten Czartoryski in Pulawy, dem Herzog Albert von Sachsen-Teschen und dem Grafen Mielczynski fruchtbringende Beziehungen anzuknüpfen. Die dem Könige nacheifernden Magnaten bezogen von der Kornschen Buchhandlung ganze Bibliotheken auf einmal, Graf Mielczynski allein eine solche für 30000 Taler. Für die Ausbreitung des Sortimentsgeschäftes in Polen erwies sich der Firma Korn die Verbindung mit der königlichen Bibliothek in Warschau und der Universitäts-Bibliothek in Wilna als ganz besonders nützlich, weil sie durch deren Vermittlung die Ermächtigung erlangte, Bücher frei von Zensurvorschriften in Polen einzuführen. Durch alle dieser Umstände begünstigt, konnte das Kornsche Haus Zweigniederlassungen in Warschau, Lemberg und Posen errichten. – Die Filiale in Posen wurde 1801 an den Geschäftsführer der Breslauer Handlung Joh. Fr. Kühn (geb. 17. 11. 1776, gest. 21. 7. 1847) verkauft und erlosch durch Aufgabe des Geschäftes im Jahre 1840. – Das polnische Verlagsgeschäft, welches auch die Herausgabe großer polnisch-deutscher und polnisch-französischer Wörterbücher unternommen hatte, erhielt einen solchen Aufschwung, daß der polnische Verlagskatalog der Firma Korn im Jahre 1790 250 Artikel aufwies, eine Zahl, welche den größten Teil der gesamten litterarischen Produktion Polens repräsentierte.

W. G. Korn starb 1806, nachdem er bereits 1790 seinem Sohne Johann Gottl. Korn das Geschäft übergeben hatte. Dieser war[578] am 4. 10. 174 geboren und schon von seinem Vater für den Buchhandel bestimmt worden. Er besuchte nach dem Elementarunterricht das Pensionat des Maria-Magdalenengymnasiums vier Jahre lang und trat mit 18 Jahren in den Buchhandel ein. Trotzdem er zunächst für dieses Geschäft keine Neigung besaß, fand er sich doch bald hinein und entlastete schon nach kurzer Zeit den Vater ganz. 1788 reiste er zum erstenmale als Bevollmächtigter des Geschäftes nach Leipzig. Sehr glücklich war Korn mit des deutschen Popularphilosophen Christian Garves Werken; er stellte später in den Parkanlagen seines Gutes Oswitz des Autors Büste auf und bekannte vor solcher jedesmal, daß Garve den ersten Grund zu dem glücklichen Gelingen seines Handels gelegt habe. Außer den oben schon erwähnten polnischen Beziehungen knüpfte er 1796 solche mit Frankreich an. Voltaires Werke verlegte er in mehreren Auflagen in der Ursprache und machte damit gute Geschäfte. Er hat zuerst in Deutschland ein regelmäßiges französisches Sortiment eingerichtet. Sein Geschäft brachte ihm reichlichen Gewinn, sodaß er große Besitzungen erwerben konnte, auf die er sich freiwillig zurückzog, als er 1828 seinem Sohne Julius Korn das Geschäft übergab. Am 31. 7. 1837 starb er während einer Kur im Bade zu Warmbrunn, nachdem ihm bereits einige Monate früher sein Sohn Julius auf den er so große Hoffnungen gesetzt hatte, vorangegangen war.

Julius Korn wurde am 31. 3. 1799 geboren; er trat nach einer sehr sorgfältigen Erziehung in seinem 15. Jahre in die väterliche Handlung als Lehrling ein, ging zu seiner weiteren Ausbildung noch drei Jahre nach Frankfurt a. M., und benutzte die Gelegenheit um Bekanntschaft mit Gelehrten und Künstlern anzuknüpfen. Nach Breslau zurückgekehrt, erfüllte er seine militärischen Verpflichtungen und ging dann noch ein Jahr zu Bossange nach Paris. Nach der Geschäftsübernahme, 1828, erweiterte er alsbald die Druckerei. Eine seiner ersten Handlungen war die Erwerbung der »Schlesischen Provinzialblätter« und des damit verbundenen »Schlesischen Litteraturblattes«. Ebenso begann er mit der Herausgabe einer »Schles. Landw. Monatsschrift« und widmete seine besondere Sorgfalt der inzwischen zu einer Tageszeitung ersten Ranges gewordenen »Schlesischen Zeitung« zu deren 150jährigen Bestehen, im Jahre 1892, Konsistorialrat Carl Weigelt die unten angegeben Festschrift verfaßt hat, in der er an der Hand der Tageszeitung ein überaus interessantes und wechselvolles Bild der Tagesgeschichte von 150 langen Jahren giebt. – Julius Korn, der seiner Vaterstadt lange Zeit als Stadtrat diente, starb also noch vor seinem[579] Vater, am 3. 2. 1837. Das Geschäft wurde nunmehr durch 13 Jahre unter vormundlicher Führung von Geschäftsführern verwaltet, bis am 1. Jan. 1850 Dr. Heinrich von Korn die Leitung übernehmen konnte, der auch zur Zeit noch Besitzer der Handlung ist. Als Socien stehen ihm Regierungsrat a. D. Richard Schultz-Evler (seit 1888) und Dr. phil. Wilhelm Korn (seit 1903) zur Seite. – Ueber die Beteiligung H. v. Korns an der Firma Ernst & Korn in Berlin siehe Artikel F. W. Ernst.

Ueberblicken wir den gesamten Verlag von Beginn der Handlung 1732 bis zur Neuzeit, so finden wir, daß die Firma kein Wissensgebiet vernachlässigte. Wir können hier nur wenige Namen nennen, so aus dem Gebiete der Theologie, die unstreitig den größten Raum einnimmt: Chr. Garve, D. G. Gerhard, H. J. Hermes, Haberkorn, nebst einer großen Reihe von Erbauungsbüchern; dem Gebiete der Philosophie und Philologie: eine Reihe Ausgaben griech. und röm. Autoren, Schulbücher und Erläuterungsschriften, Lehrbücher moderner Sprachen und Wörterbücher; aus dem Gebiete der Pädagogik und Litteratur-Wissenschaft: Litteraturblatt von und für Schlesien, Janozki (polnische Werke), Briefwechsel-Sammlungen; aus dem Gebiete der Rechts- und Staatswissenschaften: Reglements, Regulative, Edikte betr. schles. Provinzialgesetze, Rusticalgesetzgebung, Taxationswesen; Medizin und Naturwissenschaften: Schriften von Bleuland, Kühn, Otto, Struve, Knebel, Wendt u. a., Kroeker, Flora Silesiaea usw.; die schönen Wissenschaften sind vertreten durch Graf Haugwitz, Gustav vom See, Feßler, Bornemann (schles. Gedichte), Kotzebue u. a. Im Katalog vom Jahre 1827 steht die Bemerkung »Von französischen, lateinischen und deutschen großen Werken, wovon ein bedeutendes Lager vorhanden ist und die immer seltener werden, sind besondere Verzeichnisse, ebenso ist auch von Incunabeln und Manuskripten auf Pergament ein Katalog zu haben.« Aus der Neuzeit erwähnen wir: Das Handbuch der Provinz Schlesien (1904 in 57. Auflage erschienen); das Güter-Adreßbuch der Provinz Schlesien; das schlesische Ortschaftsverzeichnis; den landwirtschaftlichen Verlag, darunter Settegast's Werke über Tierzucht und landwirtschaftliche Betriebslehre und die Zeitschrift »Der Landwirt« von 1865-1896; den Gesang- und Choralbücher-Verlag; den Schulbücher-Verlag, darunter das Breslauer Volksschullesebuch; Luchs, kulturhitorische Wandtafeln, 50 Blätter usw.; die Predigten und Erbauungsbücher von Männern wie Weigelt, M. Richter, Kölling, Kawerau; den provinzialrechtlichen und den juristischen Verlag, darunter Niederdings Wasserrecht und Schubart, Verfassung des[580] Deutschen Reichs und des preußischen Staates (18 Auflagen); ferner das Statistische Jahrbuch deutscher Städte (bisher 12 Jahrgänge), das Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Provinz Schlesien von Hans Lutsch, usw.

Quellen: A. Plötz in Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 1837, 1882; C. Weigelt, 150 Jahre Schlesische Zeitung, Breslau 1892; Neuer Nekrolog der Deutschen 1837; Allgem. Verlagskataloge 1801, 1803, 1810, 1827, 1828, 1860, 1872, 1883.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 3. Berlin/Eberswalde 1905, S. 575-581.
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