Meissner Kothurn.
Man bezeichnet damit eine zu grosse Nachgiebigkeit in seinen Ansichten und Meinungen gegen andere, eine zu grosse Anschmiegbarkeit an die Meinungen anderer, eine tadelnswerthe Dehnbarkeit (Elasticität der Grundsätze). Der Ausdruck ist im Jahre 1536 bei Gelegenheit des theologischen Streits über Annahme des bekannten Interims entstanden. Die meissner Theologen aus der milden Schule Melanchthon's wollten sich dem Kaiser entgegenkommend und nachgiebig zeigen. Die Weimarer starren Theologen wollten von keiner Nachgiebigkeit wissen, sie verwarfen die Interimslehre ganz. Die Nachgiebigkeit der Meissner aber, die sie für Doppelseitigkeit erklärten, nannten sie »Meissner Kothurn«, wobei sie auf die Tragödien-Schuhe oder genauer auf die Schuhunterlagen, die für alle Füsse passen, zum Unterschiede auf die wirklichen Schuhe, die nur einem bestimmten Fusse zusagen, anspielten. Daher liegt in der Redensart der Vorwurf der Doppelzüngigkeit. Die Römer sagten von einem Menschen, der in allen Farben spielte und jeder Meinung beipflichtete: Cothurno versatilior. Diese Erläuterung findet sich in der Geschichte der Landgrafschaft Thüringen vom Jahr 1685. (Vgl. Zeitschrift für die elegante Welt, Leipzig 1824, Nr. 128, S. 1025; Wurzbach III, 14.)