Geschichte

1. Alte Geschichte, neue Lehre.

Dän.: Gamle historier ny lectie. – Historier skrives om den nærværende for den efterkommende. (Prov. dan., 292.)


2. Alte Geschichten zu erzählen, macht neuen Zorn.


3. Angenehme Geschichten brechen des Jünglings Knie. (Surinam.)

Angenehme Unterhaltung macht junge Leute träge, hält sie von der Arbeit ab. Anziehende Gesellschaft ist ihr Unglück.


4. Aus der Geschichte kann man alles beweisen.

»Die Geschichte ist der unversiegbare Dorfbrunnen, aus dem jeder das Wasser des Beispiels schöpft, um seinen Unflat abzuwaschen.« (Welt und Zeit, III, 80, 23.) »Aus der Geschichte läst sich alles beweisen, nur das nicht, dass die Menschen irgendwo jemals vernünftig und gerecht waren.« (Welt und Zeit, V, 338, 166.)


5. Besser Geschichte machen, als Geschichte schreiben.

6. Ich habe dir eine Geschichte zu erzählen, aber es ist keine Bank zum Niedersetzen da. (Surinam.)

Viel Stoff zu Mittheilungen, aber Zeit und geeignete Umstände mangeln.


7. Man muss aus der Geschichte nicht (blos) lesen, was geschehen ist, sondern was geschehen wird.

»Gemeine Köpfe lesen in der Geschichte die Vergangenheit, kluge Männer die Zukunft.« (Welt und Zeit, III, 54, 21.)


8. Neue Geschicht' bringt alt' ans Licht.

In allgemeinerer Fassung behaupten dies auch die französischen Neger. (Reinsberg III, 76.)


9. Ungewisse Geschichte glaubt man nicht.Graf, 452, 422.

Vor Gericht heisst es nicht blos sagen, sondern beweisen.

Mhd.: Ungewisses geschicht gloubt man nicht. (Daniels, 329, 8.)


10. Wer Geschichte schreibt, muss ein Löwenherz haben.


*11. Alte Geschichten aufwärmen.

Um zu sagen: Es kommt nichts Gutes dabei heraus, alte Dinge aufzurühren; was vorbei ist, lasse man vorbei sein. Die Neger in Surinam haben das Sprichwort: Alte Geschichten zu erzählen, sagte der Aasgeier, ist nicht gut.


*12. Das ist eine andere Geschichte.

Eine ganz andere Sache.


*13. Das ist eine schlumprige1 Geschichte. (Schles.)

1) Auch koddrige, verdriessliche, verfitzte, d.i. eine faule, verfahrene, widerwärtige Sache.


*14. Davon liesse sich eine (lange) Geschichte erzählen.

Engl.: And thereby hangs a tale. (Shakspeare, Der Widerspenstigen Zähmung, IV, 1.)


*15. Du machst da saubere Geschichten.

Ironische Misbilligung.


*16. Er kan von alten Geschichten sagen.Eyering, II, 387.


[1593] *17. Es ist die Geschichte von Münchhausen's Zopf.

Der sich an demselben aus dem Sumpfe gezogen. »Wenn z.B. die Engländer solchen Völkern, die weder unabhängige Richter noch eine freie Presse haben, den Rath geben, eins durch das andere zu erkämpfen.« (Bucher, Parlamentarismus.)


*18. Es ist eine (die) alte Geschichte (doch bleibt sie ewig neu).H. Heine's Buch der Lieder.

»Die Geschichte wiederholt ihre Cirkel, aber in einer endlosen Spirallinie.« (W. Menzel, Streckverse, 162.)


*19. Es sind gelbe Geschichten.

D.h. Lügen.


*20. Ich lasse die Geschichte Geschichte sein.

Bekümmere mich nicht weiter um die Sache. Die Franzosen sagen, wenn sie ausdrücken wollen, dass sie sich über gewisse Bedenklichkeiten wegsetzen; oder auch, wenn sie eine Erzählung schliessen wollen, deren Ende ihnen nicht bekannt ist: Jetter son bonnet par-dessus les moulins. (Lendroy, 185.) Vgl. auch Fr. Roux, Nouveau Dictionnaire (Halle 1789), S. 104.


[1594]

21. Ein gutes Blatt Geschichte ist mehr als tausend Gedichte.

Dieser Spruch erfolgte als Antwort von dem Dichter J.V. von Scheffel in Karlsruhe an den deutschen Reichskanzler Fürst Bismarck auf ein Glückwunschschreiben desselben zur fünfzigsten Geburtstagsfeier des Dichters im Februar 1876.


22. Da hab' ich mir eine schöne Geschichte eingefädelt, sagte der Schneider.

Etwas Schlimmes eingerührt. Zur Zeit, als der Präsident der Vereinigten Staaten Nordamerikas, Johnson, durch sein verfassungswidriges Verfahren unter Anklage gestellt war, vernahm man dort das obige Wort als Anspielung auf seinen frühern Beruf.


*23. Das is a verdraxelte1 Geschichte. (Oberösterr.)

1) Verdrechselte, d.i. ein verwickelter Handel.


*24. Der macht G'schichten, als wenn der gross' Hund sein Vetter wär'.Wurth, 87.

Bildet sich sehr viel ein.


*25. Er ist mit seiner Geschichte vor das Wehr geschlage. (Oderbruch.) – Engelien, 222.

So sagt man in den an der Oder liegenden Dörfern, wenn ein Vorhaben misglückt ist. Es ist das Wehr bei Bellinchen gemeint.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Klingemann, August

Die Nachtwachen des Bonaventura

Die Nachtwachen des Bonaventura

Erst 1987 belegte eine in Amsterdam gefundene Handschrift Klingemann als Autor dieses vielbeachteten und hochgeschätzten Textes. In sechzehn Nachtwachen erlebt »Kreuzgang«, der als Findelkind in einem solchen gefunden und seither so genannt wird, die »absolute Verworrenheit« der Menschen und erkennt: »Eins ist nur möglich: entweder stehen die Menschen verkehrt, oder ich. Wenn die Stimmenmehrheit hier entscheiden soll, so bin ich rein verloren.«

94 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon