Ariosto

Ariosto

[115] Ariosto (Ludovico), seines ausgezeichneten Dichtertalents wegen von den Italienern »der Göttliche« genannt, geb. zu Reggio am 8. Sept. 1474, erhielt durch seinen Vater, der ihn für das Studium der Rechte bestimmte, und auf der Schule zu Ferrara seine wissenschaftliche Bildung.

Schon als Knabe zeigte er einen unwiderstehlichen Hang zur Dichtkunst und schrieb mehre kleine Lustspiele, die [115] er mit seinen Brüdern aufführte. Da er sich immer mehr zur classischen Literatur und der Dichtkunst hingezogen fühlte, so gab er endlich das Studium der Rechte ganz auf. Durch seine Dichtungen, welche bald allgemeinen Beifall fanden, lenkte er unter Andern auch die Aufmerksamkeit des Cardinals Hippolyt von Este auf sich, der ihn im J. 1500 an seinen Hof zog. Hier fand er die Muße zur Ausarbeitung des großen epischen Gedichts »Orlando furioso« (der rasende Roland), welches seinen Namen unsterblich gemacht hat. Der Mittelpunkt desselben ist Kaiser Karl der Große und die Belagerung von Paris durch den Saracenenkönig Agramonte, nicht aus der Geschichte, sondern aus dem Sagenkreise über Karl den Großen entnommen. Doch hält sich A. nicht streng an den Faden des Hauptinhalts und das Ganze bildet vielmehr ein wunderbar schönes Phantasiestück, welches sich ebenso sehr durch klare Lebendigkeit und tiefe Empfindung, wie durch Reinheit der Sprache und Wohlklang der Verse auszeichnet. Als er 1517 bei dem Cardinal in Ungnade fiel, weil er sich weigerte, ihn auf einer Reise nach Ungarn zu begleiten, fand er am Hofe des Herzogs Alonso von Ferrara, eines Bruders des Cardinals, willkommene Aufnahme und starb daselbst hochgeehrt am 6. Jun. 1533. A.'s geistige Vorzüge, die Sanftheit seines Charakters und die Feinheit seiner Sitten sprachen sich auch in seinem Äußern aus; er war ein Mann von schöner, kräftiger Gestalt, hatte sehr regelmäßig gebildete Gesichtszüge und einen offenen, freien Blick. Im Allgemeinen etwas zurückhaltend war er in geselligen Kreisen um so liebenswürdiger.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 115-116.
Lizenz:
Faksimiles:
115 | 116
Kategorien: