[151] Aureng-Zeyb, einer der mächtigsten und reichsten Beherrscher Hindostans, der sich durch seine Charakterfestigkeit als Eroberer und durch viele nützliche Einrichtungen in der Verwaltung seines Reichs, aber auch durch Grausamkeit, Verschlagenheit und List in der Geschichte bemerkbar gemacht hat, ward 1619 geboren und gehörte zu der langen Reihe Fürsten, welche als Abkömmlinge des großen Timur über Hindostan herrschten. Den Namen Aureng-Zeyh, d.h. Zierde des Thrones, erhielt er von seinem Großvater, bei [151] welchem er, als sein Vater sich gegen diesen empört hatte, als Geisel die ersten Jahre der Kindheit verlebte. Da er bei seinem unansehnlichen Körper nicht hoffen durfte, seine Brüder durch seine Persönlichkeit zu verdunkeln, so griff er zur List, um seine weitaussehenden Pläne durchzusetzen. Durch strengen Gehorsam gegen die Vorschriften des Koran, ein einsames, der religiösen Betrachtung gewidmetes Leben und scheinbare Verachtung der weltlichen Dinge, sowie dadurch, daß er sich selbst unter die schmuzigen Fakirn, eine Art Mönche, aufnehmen ließ, verschaffte er sich bei den Indiern Ansehen und Anhang. Zwanzig Jahre alt, vertauschte er den Koran, den er so lange immer unter dem Arme getragen, mit dem Schwerte, erhielt nach einigen glücklichen Zügen von seinem Vater die Statthalterschaft Dekhan und trat nun ganz anders auf. So ließ er einst, um sich Geld zum Kriege zu verschaffen, eine Menge Fakirn zu einem Gastmahle zu sich einladen und zwang sie, mit Zurücklassung ihrer schmuzigen Kleider, in welchen sie aber viele Kostbarkeiten verborgen hielten, anständigere Kleidung von ihm als Geschenk anzunehmen. Doch erst nach zwanzigjährigen, mit List und Beharrlichkeit geführten Kämpfen errang er sich 1659 die Herrschaft durch die Gefangennehmung seines Vaters und die Hinrichtung zweier Brüder, Dara und Morad, während der dritte, Sudjah, auf der Flucht umkam, wobei er mit großer Schlauheit den tapfern Morad anfangs als Werkzeug zu benutzen gewußt hatte. Hierauf legte er sich den Namen Alem-Gir, d.h. Überwinder der Welt, bei und dachte an die Vergrößerung seines Reichs. Er besiegte die Rajabutten, eroberte die Reiche Golkonda und Visapur und vertrieb die Maratten. Doch auch gegen ihn empörten sich seine Söhne; allein er wußte sich gegen sie bis zu seinem Tode, 1707, zu behaupten und ließ zwei derselben ihre That mit dem Leben büßen. Obgleich A. Pracht liebte, so war er doch in seinen Genüssen stets sehr einfach und übte eine fast unglaubliche Enthaltsamkeit. Mehre Jahre lebte er nur von Pflanzen und gönnte sich lange Zeit nur zwei Stunden Schlaf auf seiner Tigerhaut. Er that viel für die Wohlfahrt des Landes, besonders für den Ackerbau und Handel, verbesserte die Gesetze und strafte streng die bestechlichen Richter. Selbst wissenschaftlich gebildet, beförderte er die Wissenschaften, suchte Gelehrte auf und legte Bibliothekenan; er begünstigte die Europäer und stellte sie beim Heere und an seinem Hofe an. Mit fanatischem Eifer suchte er auf jede Weise seinen mohammedan. Glauben zu verbreiten, wozu ihn vielleicht auch die reiche Beute anspornte, welche er bei Zerstörung der Brahmatempel machte. Dabei hatte er viele Sonderbarkeiten; während er als »Überwinder der Welt« pomphaft stets eine goldne Erdkugel vor sich hertragen ließ, schritt er selbst dahinter in schlichter Kleidung einher. In buchstäblicher Befolgung einer Vorschrift des Korans, sich von seiner Hände Arbeit zu nähren, soll er das Handwerk eines Mützenmachers getrieben haben. Ein Zeugniß seiner Liebe zum Ungewöhnlichen ist auch eine Kanone von 2640 Pfund Caliber, welche er gießen ließ, und die ihm von der Stadt Dehli als Neujahrsgeschenk überreichte Münze von fünf Pfund Gewicht, welche im Münzcabinet zu Gotha aufbewahrt wird. Er genoß eines so ausgebreiteten Rufes, daß selbst Ludwig XIV. an ihn eine Gesandtschaft schickte. Nahe bei Aurengabad, der Residenz des Großmoguls, steht das ihm gesetzte prächtige Denkmal.