Maratten

[49] Maratten (die), eine kriegerische Nation im nördl. Hindostan und die mächtigste von allen Hindus, sind von kräftigem Körperbau, zwischen hellbraun und schwarz schwankender Hautfarbe und bekennen sich zur Religion des Brahma (s.d.), beobachten die Gebräuche derselben aber nicht sehr streng. Sie theilen sich in zwei Classen, davon die erste aus Brahminen, die andere aus allen untern Ständen der Hindu besteht und gelangten erst im 17. Jahrh. zu politischer Wichtigkeit, als Sewadschi (gest. 1680) ihre verschiedenen Stämme und Länder zu einem Staate vereinigte. Seine Nachkommen beherrschten denselben mit dem Titel Maha-Rajah fast 100 Jahre, während der sich die früher auch als kühne Seeräuber gescheuten Maratten vorzüglich durch ihre tapfere Reiterei furchtbar machten und ihr Gebiet bis zu 28,000 ! M. vergrößerten. Als im Jahre 1740 der letzte Abkömmling der regierenden Familie als Kind das Reich erbte, benutzten das der Peischwah (Friedensrath) Bajirow und der Oberfeldherr Rogodschi, um die Gewalt [49] an sich zu reißen, hielten den Rajah gefangen, ließen ihm jedoch einen Schein seiner Würde und theilten sich in sein Land. Bajirow nahm die westl. Gebiete und machte Punah, das seit 1818 zu der engl. Präsidentschaft Bombay (s.d.) gehört, zur Hauptstadt, wovon sein Reich das der Punahmaratten hieß; Rogodschi nahm die östl. Provinzen und gründete das Reich der Bhunsla oder Nagpurmaratten mit der Hauptstadt Nagpurin der jetzigen Präsidentschaft Bengalen, zu deren mittelbaren Gebieten es seit 1817 gehört. Das gegebene Beispiel der Theilung fand an mehren Statthaltern bald Nachahmer, die große Provinzen an sich rissen, und so entstanden mehre Marattenreiche, die jedoch unter sich durch einen Bund vereinigt waren, als dessen Haupt der Peischwah galt, welche Würde in der Familie Bajirow erblich geworden war. Obgleich sie aber ihre Herrschaft noch erweiterten und 1796 zusammen ein Heer von 264,000 M. aufstellen konnten, mußten doch alle Marattenfürsten bis auf den Rajah von Scindiah sich den Engländern unterwerfen und ihre Länder abtreten, oder wenigstens die engl. Schutzhoheit anerkennen. Diese Schutzstaaten sind: der Staat des Bhuusia mit 3297 ! M. und 3 Mill. Einw.; des Holkar, 535 ! M. mit 1,206,600 Einw.; des Guicowar, 848 ! M. mit 2 Mill. Einw., und die 1818 von den Engländern gebildete Rajahschaft Satarah, 511 ! M. mit 11/2 Mill. Einw., welche einem Abkömmling des Sewadschi, Stifters des Marattenreichs, verliehen worden ist Der einzige unabhängige Marattenfürst Scindiah gebietet im nordwestl. Hindostan noch über 1860 ! M. und 4 Mill. Einw., theils Hindus, theils Mongolen, residirt in Gwalior, einer 342 F. hoch auf einem steilen, nur an einer Seite zugänglichen Felsen gelegenen Festung und hat ein stehendes Heer von 20,000 M., kann aber im Kriege gegen 100,000 Streiter aufstellen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 49-50.
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