Bastille

Bastille

[193] Bastille, nach dem Französischen ein festes Schloß mit Thürmen, hieß vorzugsweise das sonst am Thore Saint-Antoine in Paris gelegene, als Staatsgefängniß berüchtigte kön. Schloß, zu welchem der Prévot Hugo von Aubriot aus Dijon am 22. Apr. 1369 den ersten Grund legte und das ursprünglich nur ein von zwei hohen Thürmen beschütztes Thor war, bestimmt, die Angriffe der Engländer abzuweisen.

Man verstärkte es bald mit zwei andern Thürmen, allein erst zu Anfang der Regierung Karl VI., 1380–1422, wurde die Bastille vollendet, hörte auf Stadtthor zu sein und blieb fortan in ihrer Hauptform unverändert. Sie bestand nun aus acht, in zwei Reihen einander gegenüberstehenden, über fünf Stockwerk hohen Thürmen, welche durch 10 F. starke Mauern miteinander verbunden und von einem 25 F. tiefen, trockenen Graben umgeben wurden. Den Graben erweiterte man 1634 und legte Bastionen rund um das Schloß an. Der Eingang in dasselbe befand sich rechts am Ende der Vorstadt St.-Antoine und man gelangte durch zwei Thore und über eine Zugbrücke zuerst in den Hof des Gouverneurs, der einen unter Ludwig XIV. hier erbauten Palast bewohnte, welcher wieder durch Graben und Zugbrücke vom Schlosse selbst getrennt war. Überhaupt waren drei Wachposten und fünf Thore zu passiren, ehe man den großen viereckigen, 120 F. langen und 80 F. breiten Schloßhof betrat, den sechs Thürme, mehre kleinere und quervor ein die ganze Breite einnehmendes Gebäude umschlossen, in welchem sich der sogenannte Rathssaal zu Verhören, das Archiv, die Wohnungen der Offiziere, des Chirurgen, mehrer Schließer und einige Krankenzimmer befanden. Von den Thürmen hatten die zwei ältesten die Namen de la Comté und des Schatzes, letzterer, weil Heinrich IV. ihn als Schatzkammer benutzte; die andern hießen Thurm der Kapelle, de la Bertaudier, weil ein Maurer Bertaud beim Bau desselben verunglückte; de la Bassinière und der Freiheit, was zugleich der ungesundeste und düsterste von allen war. Ein schmaler, mit drei Eisenthüren verschlossener Gang führte durch das Quergebäude in den letzten, 25 F. langen und 50 F. breiten Brunnenhof mit dem Winkel- und dem Brunnenthurm. Dies war der ödeste Theil der Bastille, da denselben beinahe nur die Schließer betraten, und zugleich der schauerlichste, weil der aus den Küchen dort aufgehäufte Abgang die Luft verpestete. Blos die schwersten Gefangenen wurden hier verwahrt; die übrigen befanden sich in den sechs Thürmen und den in der Mauer dazwischen angebrachten Gefängnissen, die in fünf Classen getheilt wurden. Die fürchterlichsten waren die unterirdischen, voller Schlamm und Ungeziefer, dann die eisernen Käfige, hohe käsigähnliche Behälter von eisenbeschlagenen Balken, und endlich die höchsten in den Thürmen, welche ihrer gewölbten Decke wegen Mützen oder Calottes hießen, sehr heiß im Sommer, ausnehmend kalt im Winter waren und in denen man nur in der Mitte aufrecht stehen konnte. Die Besatzung der Bastille bestand gewöhnlich aus 100 Invaliden, einem Gouverneur, kön. Lieutenant, Major, Hauptmann und Adjutanten; 13 Kanonen auf den Dächern der Thürme dienten zur Vertheidigung und zu Freudensalven bei festlichen Gelegenheiten.

Die Bastille war in Paris so gehaßt und gefürchtet, daß man sprichwörtlich sagte: es sei am Sichersten, sie gar nicht zu nennen. Der Grund davon lag theils in der willkürlichen [193] und geheimnißvollen Weise, mit der vorzüglich in späterer Zeit die Einkerkerungen durch Verhaftbriefe mit dem kön. Siegel (daher lettres de cachet) erfolgten, in denen die Minister die Namen ausfüllten und die oft wegen der kleinsten Vergehen, ja häufig um der Privatrache zu fröhnen, erlassen wurden; theils in der rücksichtslos harten Behandlung, welcher die Verhafteten dort preisgegeben waren. Der Groll gegen die gefürchtete Veste war auch in den Provinzen verbreitet und schon vor dem 14. Jul. 1789 äußerte man die Absicht, sie zu zerstören. An diesem Tage machte sich des Volkes langverhaltene, durch Necker's und Montmorin's Entlassung neugereizte Unzufriedenheit zunächst gegen die Bastille Luft. Schon in der Nacht vom 13. wurde sie von Volkshaufen belagert, welche zwar am 14. gegen Mittag abzogen, allein bald durch neue ersetzt wurden, die mit dem Rufe: »Wir wollen die Bastille!« anrückten. Zwei kühne Männer zerhieben die Ketten der ersten Zugbrücke; sie fiel, das Volk stürzte darüber, wurde mit Kleingewehrfeuer empfangen, setzte aber den Kampf mit Unterbrechungen fort, die vergeblich zu Unterhandlungen benutzt wurden. Aus dem Schlosse feuerte man erst dann mit Kartätschen, als die mit dem Volke verbündete franz. Garde mit schwerem Geschütz herbeikam und den Angriff mit Nachdruck erneuerte. Der Gouverneur Delaunay, welcher keinen Entsatz nahen sah, wollte gegen Abend die Bastille in die Luft sprengen, allein die Besatzung widersetzte sich und nöthigte ihn zur Übergabe. Man ließ die Brücken nieder, die Stürmenden drängten sich herbei und versprachen Schonung, allein die rachedürstende Masse füllte bald die Höfe; von der Besatzung retteten sich die 32 Schweizer, die 82 Invaliden beschützte die franz. Garde, der Gouverneur aber wurde ermordet. Die wenigen Gefangenen, deren man viele zu finden gehofft hatte, wurden im Triumph befreit, die Bastille aber ward geschleift, woran fast die ganze Bevölkerung der Hauptstadt, selbst Personen höchsten Ranges und Frauen thätigen Antheil nahmen. Die Männer des 14. Jul., wie man die Bastillenstürmer während der Revolution nannte, wurden erst durch die Juliusrevolution 1830 aus der Vergessenheit hervorgezogen, in die sie nach und nach gerathen waren, und erhielten Ehrenbezeigungen und Pensionen; auf dem Bastillenplatze aber, welchen Napoleon mit einem Springbrunnen in Form eines kolossalen Elefanten zieren lassen wollte, wird die Aufstellung einer Säule zu Ehren der Juliuskämpfer beabsichtigt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 193-194.
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