Baumwolle

Baumwolle

[201] Baumwolle heißen die wolligen Fäden, welche in den Samenkapseln mehrer Pflanzenarten die Samenkerne einhüllen und zu vielerlei Geweben benutzt werden.

Vorzüglich geschieht dies mit der von der eigentlichen Baumwollenpflanze gewonnenen, von deren verschiedenen Arten die sogenannte krautartige die gemeinste ist, die in den südl. Gegenden von Europa, in der Levante und Ostindien häufig angebaut wird und deren Blätter, Blüten und Früchte hier abgebildet sind. Sie dauert nur einen Sommer, treibt bis drei Fuß hohe ästige Stengel mit hellgrünen, fünftheiligen Blättern und hat gelbe, rothgestreifte, den Malven gleichende [201] Blüten, aus denen sich in der Größe eines Taubeneies die Samenkapseln entwickeln. Von den andern Arten wird die 12–15 F. hoch wachsende baumartige Baumwollenpflanze in Ostindien, in Ägypten und einigen Gegenden von Spanien gezogen, man läßt sie aber ihre natürliche Größe nicht erreichen, weil die Einsammlung der Wolle dadurch zu sehr erschwert werden würde. In Ostindien und China wächst auch die gelbe Baumwollenpflanze, ein immergrüner Strauch, der eine blaßorangegelbe Wolle trägt, aus welcher die echten Nankings gewebt werden. Auch die Wolle des in Amerika und Ostindien wachsenden Wollbaumes, der gegen 20 F. Höhe und oft eine ansehnliche Stärke erreicht, wird benutzt, aber meist zum Ausstopfen verwendet, weil sie ihrer Kürze wegen schwer zu verarbeiten ist, und kommt wenig in den Handel. In Deutschland liefern die Samenkätzchen mehrer Weiden und Pappeln eine ziemlich nutzbare, aber kurze Baumwolle, die deshalb nur mit ausländischer vermischt, gut verarbeitet werden kann.

Die Samenkapseln aller Baumwollenpflanzen sehen anfangs grün, später braun aus, springen zur Zeit der Reife auf und werden dann sogleich eingesammelt, damit die vorher zusammengepreßte, nun stark herausquellende Wolle nicht vom Winde fortgeweht oder beim Herabfallen verunreinigt werde. Die aus den Kapseln gezogene Wolle wird von dem Samen meist durch Maschinen gereinigt, welche sie zwischen zwei so nahe übereinander liegenden Walzen durchlaufen lassen, daß der Durchgang den Kernen verwehrt wird, die man als Viehfutter, zu Öl und zur Aussaat benutzt. Die Baumwolle aus den verschiedenen Ländern ist in ihren Eigenschaften sehr ungleich und ihre Güte bestimmt sich zunächst nach dem Grade ihrer Feine, Länge, Reinheit und Geschmeidigkeit. An Sorten unterscheidet man im Allgemeinen die nordamerik., welche den Vorzug vor der ostind., europ. und levantischen, wie alle in der europ. und asiat. Türkei erzeugte Baumwolle genannt wird, erhält; ferner die südamerik., ausgezeichnet durch vorzügliche Länge und Feinheit; die westind. und die ägypt. oder alexandrin. Baumwolle, welche im Handel den Namen Mako erhält.

Unter allen spinnbaren Stoffen läßt sich Baumwolle am leichtesten in einen feinen und gleichförmigen Faden verwandeln. Schon vor Herodot's Zeit, 450 v. Chr., kam Baumwolle aus Ägypten und Indien; die Phönizier und Karthager brachten sie nach Griechenland, Malta, Sicilien, Neapel und Spanien, und bei Griechen und Römern kleidete sich das weibliche Geschlecht in baumwollene Zeuche, welche bereits 138 n. Chr. in Indien bunt gedruckt und bemalt wurden Seit dem 16. Jahrh. trug man in Deutschland baumwollene Kleider und die Baumwolle war ein Gegenstand des deutschen und franz. Handels mit Amerika; allein erst seit in England 1775 die Spinnmaschine (s.d.) erfunden wurde, ist durch die Wohlfeilheit und Güte der dadurch erhaltenen Garne oder Twiste, sowie durch wichtige Verbesserungen der Webstühle (s.d.) die jetzt fast über die ganze Erde verbreitete Verfertigung baumwollener Stoffe oder die Baumwollenmanufactur zu dem ungeheuern Umfange und der Wichtigkeit gelangt, die sie gegenwärtig behauptet. Durch die früher unerhörte Wohlfeilheit der schönsten Gewebe wurden viele wollene, leinene und selbst seidene Stoffe von ihnen verdrängt und die Vollkommenheit ihrer Herstellung schaffte den europ. baumwollenen Zeuchen sogar Absatz nach Ostindien, wo seit den ältesten Zeiten dergleichen verfertigt werden. Zu den vornehmsten baumwollenen Zeuchen gehören Kattune oder Kalikos, die gewöhnlich bunt gedruckt sind, Nankins, Musselin oder Nesseltuch, so genannt von der arab. Provinz Mossoli und von der Ähnlichkeit mit einem ältern Gewebe aus den Stengelfasern der Brennnessel; ferner Piqué, Madras, Rips, baumwollener Damast, Satinet, engl. Barchent und Dimity, Manchester oder baumwollene Sammete, letztere insgesammt dickere Zeuche, Ginghams, Indiennes, Bobbinets oder Spitzengrund u.s.w., wozu fortwährend von der Mode neuerfundene kommen. Eine der wichtigsten Benutzungen baumwollener Garne ist die zu gewirkten Strümpfen, in deren Fabrikation Sachsen von keinem andern Lande übertroffen wird. Einen Begriff von dem Verbrauche der Baumwolle gibt die jährlich nach Europa gebrachte Masse derselben, welche auf 1,800,000 Ballen, jeder zu zwei Centner, angeschlagen wird und wovon England über 1,200,000, Frankreich und Deutschland jedes 200,000 Ballen verarbeiten.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 201-202.
Lizenz:
Faksimiles:
201 | 202
Kategorien: