Bonaparte [5]

[293] Bonaparte (Ludwig), Graf von St.-Leu, Exkönig von Holland, Napoleon's dritter Bruder, geb. 1778 zu Ajaccio, wurde in der Artillerieschule von Chalons zum Militair gebildet, begleitete seinen Bruder 1796 nach Italien und 1798 nach Ägypten, von wo er im März 1799 mit Depeschen nach Frankreich zurückkam. Nach dem. 18. Brumaire war er ein Jahr franz. Gesandter in Berlin, wurde 1802 Brigadegeneral und mußte sich nach Napoleon's Willen mit Hortensia Beauharnais, geb. 1783, gegen seine Neigung vermählen, daher trotz der Anmuth und Liebenswürdigkeit Hortensia's diese Ehe nicht glücklich war. Bald nach Errichtung des franz. Kaiserthums wurde Ludwig zum Connetable und Generalobersten der Carabiniers ernannt, wurde 1805 Generalgouverneur von Piemont, im Jun. 1806 aber von Napoleon auf den Thron des neuerrichteten Königreichs Holland berufen. Da sowol Verträge als auch die Meinung der holl. Nation gegen diese Berufung waren und Ludwig auch befürchtete, in zu großer Abhängigkeit von seinem kais. Bruder regieren zu müssen, ließ er sich nur mit Mühe zur Annahme der Krone bewegen und suchte sich nachher [293] die Zuneigung des Landes durch angelegentliche Sorge für Verbesserung seiner bedrängten Lage zu erwerben. Allein nicht immer gelang ihm die Ausführung seiner Absichten, ohne durch Verletzung werthgehaltener nationaler Sitten die Holländer, oder durch Bevorzugung ihres Interesses vor dem seines Bruders den Letztern gegen sich aufzubringen. Vorzüglich gab dazu das Continentalsystem (s.d.) Veranlassung, das Ludwig zu Gunsten des holl. Handels absichtlich vernachlässigte, was Napoleon zu sehr ernsthaften Vorstellungen, und da diese umsonst waren, zur Absendung eines franz. Truppencorps veranlaßte, das die holl. Küsten besetzen sollte. Als Ludwig davon hörte, legte er am 1. Jul. 1810 die Krone zu Gunsten seines 1804 geborenen Sohnes Ludwig nieder, den Napoleon schon 1809 zum Großherzog von Berg und Kleve ernannt und sich die Vormundschaft über ihn vorbehalten hatte, und setzte seine Gemahlin zur Regentin ein. Ludwig begab sich nach Gräz in Steiermark, wo er als Graf von St.-Leu den Wissenschaften lebte und wohin er wenigstens das Lob mitnahm, sich in Holland nicht bereichert zu haben; auch lehnte er jedes von daher zu beziehende Jahrgeld für sich und die Seinigen ab, da jenes Land sogleich dem franz. Reiche einverleibt worden war. Vergeblich bot er 1813 und 1814 Napoleon seine Dienste an, da er die Wiederherstellung Hollands unter einem franz. Regentenhause damit in Verbindung brachte, begab sich aber dennoch im Jan. 1814 nach Paris und suchte seinen Bruder, der ihn zurückhaltend aufnahm, zum Frieden zu bewegen. Nach dessen erster Abdankung ging er nach Rom, wo er 1815 auch dann blieb, als der von Elba wiedergekehrte Napoleon ihn nach Paris einlud und zum Pair von Frankreich ernannte. Er ließ sich jetzt von seiner Gemahlin scheiden und lebte später in Florenz, wo er sich 1828 ankaufte. Ludwig hat Gedichte, einen Roman und zwei Schriften über Verskunst, ferner genaue Nachrichten über seine Familie und einen historisch wichtigen, ausführlichen Bericht über seine Verwaltung Hollands in drei Bänden herausgegeben. Seine geschiedene Gemahlin lebt als Herzogin von St.-Leu abwechselnd in Italien und in der Schweiz. Ihr erstgeborener Sohn Napoleon starb 1807; der zweite, Napoleon Ludwig, vermählt mit Charlotte, Tochter Joseph B.'s, starb 1831 in Forli; der dritte endlich, Karl Ludwig, geb. 1808, führt den Titel Graf von St.-Leu, ist Bürger des Cantons Thurgau und Artillerielieutenant in Bern.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 293-294.
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