Florenz

Florenz

[60] Florenz (im Italienischen Firenze), die Haupt- und Residenzstadt des Großherzogthums Toscana und eine der schönsten und merkwürdigsten Städte der Erde.

Sie liegt in einem herrlichen Thale am Arno, welcher mitten durch die Stadt geht und von hier an schiffbar ist. Das Klima ist fortwährend mild und schön und auch die Kunst hat durch eine Menge prachtvoller Kirchen und Paläste mit berühmten Gemälden und Bildwerken zur Verherrlichung dieser Stadt beigetragen, welche daher mit Recht den Beinamen la bella, d.h. die Schöne, den man ihr gegeben hat, verdient. F. war überdies von jeher als Pflegerin der Wissenschaften und Künste berühmt. Einst herrschten hier die reichen, mächtigen, als Beförderer der Künste und Wissenschaften hoch berühmten Mediceer (s.d.). Neben seinen herrlichen Palästen und Kirchen hat jedoch F. auch eine große Menge schlechter und schmuziger Häuser in engen und finstern Straßen. Am schönsten ist die Mitte der Stadt, namentlich das mit Quadern eingefaßte Ufer des Arno. Die Stadt hat beinahe vier Stunden im Umfange und breitet sich an beiden Ufern des Arno cirkelförmig aus. Sie ist mit Mauern und Thürmen umgeben und hat sieben Thore, unter denen die Porta San Gallo von ausgezeichneter Bauart ist. Unter den vier Brücken über den Arno ist der Ponte della Santa Trinità die schönste, deren mittelster Bogen eine Spannung von 90 F. hat. Auf ihr stehen vier Statuen, welche die Jahreszeiten vorstellen. Von den 17 öffentlichen Plätzen ist die Piazza del Granduca der schönste. Er liegt vor dem Palazzo vecchio (dem alten Palaste oder großherzoglichen Palaste) und wird auf der andern Seite von einem Säulengange, der Loggia, begrenzt, in dessen Hallen die herrlichsten Bildwerke der berühmtesten Meister stehen. Mitten auf dem Platze steht die Reiterstatue Cosmus I. kolossal in Bronze gearbeitet und daneben ein Brunnen mit einer kolossalen Statue des Neptun. Nicht weniger schön ist die Piazza dell' Annunziata vor der Kirche gleichen Namens mit zwei schönen Springbrunnen und der Reiterstatue Ferdinand I., und die Piazza di Santa Croce, nach der heiligen Kreuzkirche genannt, wo sich während des [60] Carnevals die Masken versammeln, und der Domplatz, auf dem die Denksäule des heiligen Zanobius steht.

F. hat gegen 10,000 Häuser und über 93,000 Einw., 170 Kirchen, 89 Klöster, 12 Hospitäler, 10 Springbrunnen, 160 öffentliche Bildsäulen, 6 Säulen und 2 Obelisken. Das herrlichste aller Bauwerke ist der von Arnolfo di Lapo gegen das Ende des 13. Jahrh. begonnene, aber erst 150 Jahre später vollkommen ausgeführte, nachstehend abgebildete Dom Santa Maria del Fiore. Er ist 500 F. lang und gegen 400 F. hoch. Oberwärts ist seine Außenseite mit schwarzem und weißem Marmor schachbreiartig bekleidet wodurch sein großartiges Ansehen noch erhöht wird. Die herrlichsten Bildhauerarbeiten in Marmor und in Mosaik stehen über den Thüren; der Fußboden ist mit verschiedenen Marmorarten musivisch ausgelegt. Das höchste Meisterstück der Baukunst ist nach des großen Michel Angelo Zeugnisse die riesenhafte Kuppel, welche Brunelleschi gebaut hat und welche vom Fußboden bis zum Thürmchen, in welches sie ausgeht, 398 F. mißt. Zu diesem Thürmchen führt eine Treppe von 520 Stufen. Beim Eintritt in die Kirche erblickt man das Bildniß des berühmten Dichters Dante (s.d.), an welchen auch noch ein vor der Kirche liegender Stein erinnert, welchen das Volk Saffo di Dante (Dante's Stein) nennt, weil er auf demselben oft ausgeruht haben soll. Neben dem Dome steht abgesondert der Glockenthurm, der gleichfalls bunt mit Marmor bekleidet ist und Nischen mit vortrefflichen Marmorgruppen hat. Vor dem Dome liegt ferner eine prachtvolle Taufkapelle des h. Johannes, sie ist achteckig, die Thüren sind aus Erz gegossen und stellen biblische Geschichten dar. Michel Angelo sagte von diesen Thüren, sie seien werth, die Pforten des Paradieses zu zieren. Der Fußboden dieser Kapelle zeigt in eingelegter Arbeit die Figuren des Thierkreises. Die Kirche Santa Maria Novella hat prachtvolle Glasmalereien. In der Kreuzkirche sind die Grabmäler vieler berühmten Italiener, des großen Künstlers Michel Angelo (s.d.), des Geschichtschreibers Macchiavelli (s.d.), des Dichters [61] Aretino, des Astronomen Galilei (s.d.) u. A. Gleichfalls sehr schön ist die Kirche dell' Annunziata mit herrlichen Gemälden und Statuen. Werthvolle Gemälde hat die Kirche San Marco, und durch ihre Bauart zeichnet sich die Kirche di Santo Spirito (des h. Geistes) aus. In der Kirche San Lorenzo ist die berühmte Prinzenkapelle, die nach Michel Angelo's Zeichnungen ausgeführt und mit acht Statuen von demselben geschmückt ist. Hier ist das Grabmal des Julius von Medici mit den Statuen des Tages und der Nacht und des Lorenz von Medici mit den Statuen der Morgenröthe und der Abenddämmerung. Einige kleine Gänge führen in die Begräbnißkapelle der Mediceer, die ebenso kostbar als schön gebaut, aber nicht vollendet ist. Sie ist rund, ihre Wände werden von Pilastern getragen, mit vergoldeten Knöpfen aus Bronze und mit kostbaren Steinen eingefaßt. Hier stehen die Sarkophage der Mediceer aus orientalischem Porphyr, über denen von Edelsteinen glänzende Königskronen angebracht sind. Kolossale Statuen von Bronze stehen in den Nischen. Noch eine große Anzahl der hier nicht genannten florentin. Kirchen zeichnen sich durch vortreffliche Bildwerke und Malereien aus.

Unter den Palästen gewährt der schon erwähnte alte Palast den großartigsten Anblick. Er nimmt die ganze nördl. Seite der Piazza del Granduca ein. An seinem Eingange stehen die Marmorstatuen des Hercules von Bandinelli und des David von Michel Angelo. Der Palast der Staatscollegien, welcher die berühmte Magliabecchische Bibliothek, mehre Kunstsammlungen, das Archiv, die Schatzkammer u.s.w. enthält, der Palast Pitti, seit Cosmus I. die beständige Wohnung der Großherzöge, sind, namentlich der letzte, von herrlicher Bauart. In dem Palaste Pitti befindet sich in acht Sälen die berühmte Bildergalerie. Schöne und reichgeschmückte Privatpaläste sind die Casa Riccardi, sonst Medici, die Casa Corsini, die Casa Altoviti, die Casa Gerini, die Casa Ruccellai, die Casa Strozzi und viele andere. Auch das Haus des Michel Angelo und des Amerigo Vespucci, von dem Amerika (s.d.) den Namen hat, werden noch gezeigt.

Von den Kunstsammlungen ist am werthvollsten die großherzogliche oder Mediceische Galerie im Palaste der Staatscollegien, in welcher sich die berühmte Mediceische Venus, berühmte Gemälde von Tizian und Rafael, die Gruppe der Niobe und unzählige andere unsterbliche Kunstwerke befinden. Neben dieser behaupten aber auch die Gemäldesammlung im Palaste Pitti und das in der Nähe desselben befindliche Museum einen bedeutenden Rang. In dem letztern befinden sich in 40 Sälen Naturalien, physikalische Instrumente und vortreffliche anatomische Wachspräparate. Die Akademie der bildenden Künste hat werthvolle Sammlungen und Zeichnen-, Maler- und Bildhauerschulen. Bemerkenswerth sind ferner die Lorenzische Bibliothek mit 120,000 Bänden und 4000 Handschriften, die Marcollische Bibliothek mit 40,000 Bänden und schönen Kupferstichen, die Magliabecchische mit 90,000 Bänden und 3000 Handschriften. Die alte 1443 gestiftete Universität hat über 1000 Studirende. Von den gelehrten Gesellschaften zu F. ist am berühmtesten die Accademia Fiorentina oder Crusca, welche 1582 gestiftet wurde. Sie hat den Zweck, die ital. Sprache zu reinigen und auszubilden, daher in ihrem Versammlungssaale Symbole angebracht sind, welche, wie ihr Name (crusca, Kleien), auf das Sondern der Körner von der Spreu deuten. Eine großartige Wohlthätigkeitsanstalt ist das Hospital Santa Maria-Nuova für 700 Kranke. Merkwürdig ist die Fraternità della Misericordia (Brüderschaft des Erbarmens), welche 1200 Mitglieder hat, schon 1420 in Pisa und F. errichtet wurde, und den Zweck hat, Jedem ohne Unterschied des Glaubens, dem ein plötzliches Unglück zustößt, zu Hülfe zu kommen. Auf den Schall ihrer Glocke eilen die Mitglieder zusammen. Sie haben unter sich geringe Belohnungen ausgesetzt, dürfen aber von keinem Andern mehr als einen Trunk Wasser annehmen.

F. hat viele schöne Spaziergänge, unter denen der Garten Boboli durch Schönheit sich auszeichnet; Kunst und Natur verherrlichen ihn. Hier ist eine berühmte gemalte Grotte mit vier Statuen von Michel Angelo. Da die Italiener sich wenig in ihren Häusern aufhalten, sondern, wie sie auf den Straßen und Plätzen, unter den Hallen und Vorhöfen arbeiten, so auch zu ihrem Vergnügen öffentliche Versammlungsorte suchen, so ist F. reich an überaus angenehmen und billigen Kaffeehäusern. Während des Carnevals (s. Fastnacht) gibt es in F. sechs, sonst nur zwei öffentliche Theater. – F. zeichnet sich vor vielen ital. Städten durch Gewerbthätigkeit aus. Er werden hier viele wollene und seidene Waaren verfertigt und sehr bedeutend ist die Anzahl und Thätigkeit der hier sich aufhaltenden Künstler. Eigenthümlich ist die sogenannte florentiner Arbeit, eine musivische Kunst, bei der durch Zusammensetzung von Edelsteinen und Marmorstücken Gemälde und die Natur selbst nachgeahmt werden. Der florentiner Lack ist eine hochrothe Farbe, welche ein Franziskaner zu F. erfand und die noch jetzt in F., außerdem aber auch in Nürnberg, Wien, Berlin und an andern Orten verfertigt wird. – In der reizenden Umgebung von F. befindet sich das Lustschloß Pratolino mit einer riesigen Bildsäule des Gottes Apennin. Dieselbe ist in sitzender Stellung von Mauersteinen aufgeführt und drückt ein Ungeheuer, das einen Wasserstrahl in ein Becken speit. Sie ist hohl und enthält in ihrem Kopfe ein Zimmer, in welchem die Fenster die Augen der Bildsäule sind.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 60-62.
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