Charwoche

[403] Charwoche (die), auch die stille, große, Marter- und Trauerwoche, wird von den Christen die dem Andenken an die Leiden und den Tod des göttlichen Stifters ihrer Religion vorzugsweise gewidmete Woche vor Ostern genannt, und der Freitag in derselben, daher Charfreitag, ward von jeher als der heiligste Festtag im Jahre begangen, indem [403] er nach der gewöhnlichen Annahme für den Todestag des Erlösers gilt. Die katholische Kirche zeichnet die Charwoche und schon die vorhergehenden Fasten (s.d.) durch feierlichen Ernst und Stille aus, am Chardienstag, Charmittwoch und Charfreitag aber wird die Leidensgeschichte Jesu aus den Evangelisten verlesen, die Altäre sind ihres Schmuckes entkleidet, die Glocken schweigen am Charfreitag, das bedeckte Kreuzbild wird dem Volke gezeigt, das Hochwürdigste wird auf einem Seitenaltare zur Anbetung ausgestellt, und an manchen Orten werden nachgeahmte heilige Gräber errichtet, bei denen die Gläubigen bis zum Ostertage ihre Andacht verrichten. Anstatt der Vorlesungen aus der Leidensgeschichte wurde diese auch an vielen Orten während der Charwoche in Kirchen und auf öffentlichen Plätzen oft sehr unziemlich aufgeführt, was z.B. noch zu Anfange dieses Jahrh. in Kärnten geschah, wo bei einer solchen sogenannten Charfreitagstragödie Christi Verhör vor Kaiphas mit den Worten anhob:


Bist du das Wunderthier? Komm, laß dich recht erkennen!

Was unterstehst du dich als ein Prophet zu nennen?

Verwünschter Landrebell, Zerstörer unsres Geschlechts!

Komm, defendire dich, dein Unschuld selbst verfecht.


Ferner war es noch nach der Reformation auch in protestantischen Ländern Sitte, lange und traurige Predigten zu halten, durch die man die Gemeinde zum Weinen zu bringen suchte, und in denen vorzüglich auf die Juden und den Verräther Judas gescholten ward. Gegenwärtig herrscht bei den Protestanten ziemlich allgemein die Sitte, Altar, Kanzel und Taufstein am Charfreitage schwarz zu bekleiden; auch enthält man sich an demselben vorzugsweise jeder Arbeit, in manchen katholischen Ländern aber wird er nur noch als ein halber Feiertag angesehen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 403-404.
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