[418] Chlor (das), ein höchst merkwürdiger luftförmiger, einfacher Körper oder ein Element, hat seinen vom Griechischen entlehnten Namen wegen seiner gelbgrünlichen Farbe erhalten und wurde 1774 von dem schwed. Chemiker Scheele entdeckt. Man hielt es jedoch für zusammengesetzter Beschaffenheit, bis engl. und franz. Chemiker 1809 und 1810 die wahre Natur dieses für die Gewerbsthätigkeit immer wichtiger werdenden Körpers erkennen lehrten, der sehr häufig, allein stets in gebundenem Zustande vorhanden und am reichlichsten im Kochsalze und in den salzsauren Salzen überhaupt enthalten ist. Das Chlor besitzt einen durchdringenden Geruch und reizt schon beim Einathmen in geringer Menge die Schleimhaut von Mund und Nase so heftig, daß Husten und Schnupfen entstehen, in größerer aber bewirkt es Athmungsbeschwerden, welche sich bis zu Ohnmacht und Tod steigern können. Dem 1816 verstorbenen franz. Chemiker Guyton-Morveau verdankt man die Entdeckung der Eigenschaft des Chlors, Krankheitsstoffe, sogenannte Miasmen und alle schädlichen oder übelriechenden. Dünste zu zerstören, mit denen die Luft, Wohnungen und andere Räume, Kleider, Waaren u.s.w. verunreinigt sind. Man entwickelt es zu dem Ende aus einem bestimmten Gemenge von Kochsalz und Braunstein, welches auf einer irdenen Schale ausgebreitet und mit durch Wasser verdünnter Schwefelsäure benetzt wird. Für ein gewöhnliches Wohnzimmer sind gegen vier Loth des obigen in den Apotheken als Guyton-Morveau'sche Räucherung bekannten Gemenges und zur Benetzung desselben zwei Loth Schwefelsäure hinreichend, vor der Anwendung desselben müssen aber Menschen, metallene Gegenstände, Gemälde und bunte Zeuche entfernt werden, letztere weil das Chlor Metalle und die meisten Farben verdirbt und zerstört. Nachdem der zu reinigende Raum ungefähr 24 Stunden verschlossen gewesen, wird er dem allgemeinen Zutritt der Luft geöffnet, bis der Chlorgeruch sich größtentheils verloren hat. In neuerer Zeit hat man jedoch gefunden, daß Chlorkalk dieselben Dienste leistet, während er weder den unerträglichen Geruch des Chlors noch die nachtheiligen Wirkungen desselben auf die Athmungswerkzeuge äußert. Der Chlorkalk, ein weißes, nach Chlor riechendes Pulver, wird fabrikmäßig bereitet, indem man Chlor in große Behälter leitet, worin gelöschter Kalk auf Horden ausgebreitet liegt, und ist ebenfalls in den Apotheken zu bekommen, muß aber in für Luft und Licht unzugänglichen Gefäßen verwahrt werden, weil er durch beide zersetzt wird. Seiner mildern Wirkung wegen taugt er vorzüglich zur Luftreinigung in Räumen, wo fortwährend Menschen verweilen, wird dabei auf flachen irdenen Gefäßen ausgebreitet und dann und wann mit Wasser oder Essig benetzt, muß aber alle vier bis sechs Tage durch frischen ersetzt werden. Es versteht sich, daß man ihn sogleich entfernt, wenn die Anwesenden sich im Geringsten dadurch belästigt fühlen.
Bei Anwesenheit von Wasser bleicht das Chlor alle Pflanzenfarben, Kohle ausgenommen, und diese Eigenschaft wurde zuerst von dem franz. Chemiker Claude Louis, Grafen von Berthollet, gest. 1822, zur Beschleunigung des Bleichens der Leinwand benutzt, indem er aus dem im Wasser leicht auflöslichen Chlor ein gegenwärtig in großer Ausdehnung angewandtes, sehr schnell wirkendes Bleichmittel bereitete, was man jetzt auch durch Auflösung von Chlorkalk in Wasser erhält. Der Umstand, daß der Kohlenstoff durch Chlor nicht entfärbt wird, macht es besonders geeignet zur Reinigung alter Kupferstiche und Bücher, ohne Beschädigung des Druckes befürchten zu müssen, und eine durch Chlor unauflösliche [418] Tinte für wichtige Urkunden muß daher auch Kohlenstoff enthalten. In vieler Beziehung zeigt sich das Chlor dem Sauerstoffe ähnlich, ist in zahlreichen Fällen gleich diesem ein kräftiges Unterhaltungsmittel des Verbrennens und geht dabei mit den verbrannten Körpern auch Verbindungen ein, welche denen des Sauerstoffs oder den Oxyden einigermaßen ähnlich sind und von denen die weniger chlorhaltigen Chlorure, die reichern Chloride, die mit Metallen Chlormetalle genannt werden. Mit Metallen, selbst mit den edeln, deren Verwandtschaft zum Sauerstoffe gering ist, verbindet sich das Chlor aber auch leicht auf nassem Wege. So bedient man sich z.B. zur Auflösung von Gold und Platina des sogenannten Königswassers oder Königsscheidewassers, einer Mischung aus Salzsäure und Salpetersäure, die jedoch einzeln keines jener Metalle angreifen. Ihre Vereinigung und vorzüglich Erwärmung bewegt aber den Wasserstoff der Salzsäure mit einem Theile des Sauerstoffes der Salpetersäure Wasser zu bilden, während Chlor frei wird. Dies bleibt jedoch mit der rückständigen wässerigen salpetrigen Säure lose verbunden und dieser Chlorgehalt bedingt die auflösende Wirkung des Königswassers auf Gold und Platina.