Civil

[435] Civil, ein dem Lateinischen entlehnter Ausdruck, bedeutet überhaupt bürgerlich, enthält aber durch die Beziehungen, in denen er gebraucht wird, seine genauere Bestimmung. Ist z.B. vom Civilstande und von Civilbeamten die Rede, so setzt man diese dem Militairstande und den Militairbeamten entgegen, und in der Rechtsgelehrsamkeit wird gewöhnlich dem Civil- oder gemeinbürgerlichen Rechte das Criminal- oder peinliche Recht und der Civilproceß dem Criminalproceß gegenübergestellt. Civil heißt ferner gebildet, gesittet und Civilisation wird daher die aus dem geselligen Verkehr und dem Bürgerthume im Allgemeinen hervorgegangene höhere Ausbildung der Menschen und Völker genannt. Noch eine andere Bedeutung hat das Wort in Civilliste, wie in vielen Ländern diejenigen Staatsausgaben heißen, welche dem Regenten zur Bestreitung seiner persönlichen Bedürfnisse und der seiner Familie und Hofhaltung angewiesen sind. Unter Civilliste verstand man zuerst in England diejenigen Einkünfte, welche dem König bei seinem Regierungsantritte vom Parlamente zur Unterhaltung der bürgerlichen Regierung, der man das Kriegs, wesen entgegenstellte, bewilligt wurden. Solche Bewilligungen wurden erst nöthig, nachdem die Könige von England, wie dies früher in allen Ländern german. Ursprungs gebräuchlich war, sämmtliche Regierungsausgaben nicht mehr aus den bedeutenden Krongütern bestreiten konnten, daher Zuschüsse vom Parlament bewilligt werden mußten, welche zuerst unter Karl II. auf eine bestimmte Summe gebracht wurden. Georg III. überließ endlich der Staatseinnahme alle erblichen Krongefälle und für die Civilliste angewiesenen Einkünfte gegen eine jährliche Summe von 800,000 Pf. St., welche man nach und nach bis zum Jahre 1828 auf 1,057,000 Pf. St. vermehrte, nachdem aber später davon gegen 400,000 Pf. St. eigentliche Staatsausgaben auf die Staatskasse übernommen worden, bei der Civilliste des Königs Wilhelm IV. auf 510,000 Pf. beschränkte. In Frankreich fing man erst 1789 an, für den König und seine Familie eine bestimmte Summe auszusetzen, die nicht bedeutend war. Nach der Rückkehr der Bourbons 1814 wurde die Civilliste auf 25 Mill. Francs bestimmt, und außerdem für die Prinzen und Prinzessinnen des kön. Hauses 8 Mill. ausgesetzt; der 1830 zum Throne gelangte König Ludwig Philipp aber, der indeß bedeutendes Privatvermögen besitzt, erhält nur 12 Mill. und eine Mill. der Kronprinz. In Preußen wird die Civilliste ganz aus den Domainen bestritten, indem der kleinere Theil derselben zu einem Ertrage von 2,500,000 Thlr. zum Kronfideicommiß geschlagen ist. In Baiern beträgt die Civilliste 3,188,800 Fl., in Würtemberg und Baden nahe an 1,200,000 Fl., wozu in ersterm Staate noch der Ertrag des Hofdomainenguts mit 200,000 Fl. kommt, und in Sachsen ist die Civilliste zu 500,000 Thlr. anzunehmen. Mit den Gesammteinnahmen dieser Staaten verglichen, beträgt die Civilliste in England 1/107, in Frankreich 1/82, in Preußen 1/20, in Baiern 1/7, in Würtemberg 1/23, in Baden 1/11, in Sachsen 1/8 der gesammten Landeseinkünfte. Über die Civilliste kann der Regent nach Belieben schalten und was er mit ihrem Gelde erwirbt, gehört zu seinem Privatgute.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 435.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: