[471] Corday d'Armans (Marie Aline Charlotte), eine Heldin der franz. Revolution, die Mörderin Marat's, geb. 1768 zu St.-Saturnin bei Seez im Orne-Departement, wo, wie in dem benachbarten Departement der Calvados, mehre der Deputirten, die in Folge des von der Bergpartei im franz. Nationalconvent am 31. Mai 1793 über die Gironde davongetragenen Sieges geächtet worden waren, sich um Beistand wider die Tyrannei des Berges bewarben.
Ihre Meinung theilend, faßte das durch Lesen der alten Geschichte von begeisterter Liebe zur Freiheit beseelte, anziehende, ihres Vaterlandes Unglück tief empfindende Mädchen den heldenmüthigen Entschluß, an dem blutdürstigen Marat Frankreich und die geopferten Patrioten zu rächen. Sie begab sich zu dem Ende nach Paris, wo sie am 12. Jul. 1793 anlangte, mußte aber zur List ihre Zuflucht nehmen, um bei dem damals kranken Marat Zutritt zu erhalten. Zweimal hatte sie vergeblich an ihn geschrieben, daß sie aus Caen komme und ihm wichtige Geheimnisse mitzutheilen habe, von denen Frankreichs Wohl abhänge; allein erst nachdem sie am 15. Jul. einen dritten Brief abgegeben, gestattete ihr Marat ein Gespräch ohne Zeugen. Er befand sich im Bade, als sie eingelassen wurde und verlangte zuerst von den Bestrebungen der geächteten Deputirten zu hören; als er aber nach Nennung der Namen der Verschwörer mit wilder Zuversicht ausrief: »Ich werde sie alle in Paris guillotiniren lassen!« stieß ihm Charlotte plötzlich ein bisher verborgen gehaltenes Messer in die Kehle. Mit einem matten Hülferufe starb der Getroffene, Charlotte aber ertrug gelassen die Mishandlungen der herbeieilenden Hausgenossen, und als sie später nach dem Gefängniß gebracht wurde, rettete sie nur der Muth der begleitenden Wache vor den mordlustigen Händen des empörten Volkes. Mit edlem Anstande erschien sie hierauf am 17. vor dem Revolutionstribunal, wo sie ihre That unumwunden eingestand und erklärte: »sie habe einen Menschen getödtet, um dem Vaterlande die Ruhe zu geben. Schon vor der Revolution sei sie Republikanerin gewesen und an Energie habe es ihr nie gefehlt.« Vergebens wies der ihr zugeordnete Vertheidiger darauf hin, daß nur politischer Fanatismus ein Mädchenherz mit solchem Muthe stählen könne; das Todesurtheil ward über sie ausgesprochen und am Abende des nämlichen Tages vollzogen. Heitere Seelenruhe sprach sich in ihren Zügen aus, während sie den Weg zum Schaffot durch das sie verwünschende Volk zurücklegte und wich nur einen Augenblick edlem Unmuthe, als der Henker der züchtigen Jungfrau das Halstuch abriß. Ihren Vater hatte sie im Kerker schon schriftlich um Verzeihung gebeten, weil sie über ihr Leben ohne seine Zustimmung verfügt habe und ihren Brief mit den Worten des Dichters geschlossen: »Die Schande kommt nur von der That, nicht vom Schaffot.«