[514] Darlehn oder richtiger Darlehnsvertrag nennt man diejenige rechtliche Übereinkunft, vermöge welcher Jemand als Darleiher oder Gläubiger einem Andern, dem Schuldner, eine Summe Geldes oder andere vertretbare, d.h. solche Sachen, welche sich durch andere von gleichem Werthe oder Beschaffenheit ersetzen lassen und deren Werth durch Zahl, Maß und Gewicht bestimmt werden kann, in der Absicht übergibt, daß sie sein Eigenthum werden und er späterhin ebenso viel von derselben Beschaffenheit oder gleichem Werthe zurückerstatte. Der Vertrag ist vollkommen, sobald die Sachen übergeben sind, zur Gültigkeit desselben wird indeß auch verlangt, daß die ihn eingehenden Parteien das Recht haben, über ihr Vermögen zu verfügen, also z.B. nicht unter Vormundschaft stehen. Heutiges Tags besteht das Darlehn gewöhnlich in Geld und es wird über ein solches Geschäft ein eignes Document, eine Schuldverschreibung ausgefertigt, welche der Schuldner wenigstens zu unterschreiben hat. Sie muß genau die Summe und Münzsorte des dargeliehenen Geldes, das Bekenntniß des richtigen Empfanges, das Versprechen und die Zeit der Zurückzahlung, sowie den Namen des Darleihers und Zeit und Ort des geschlossenen Vertrags enthalten. Häufig wird auch noch eine Kündigungsfrist, Entsagung der Einreden und Bestellung einer Sicherheit hinzugefügt, welche noch bedeutend dadurch verstärkt werden kann, daß man die Foderung, ist der Schuldner Grundbesitzer, ins Hypothekenbuch eintragen läßt. Zinsen, wurden sie nicht besonders ausbedungen, sind keine nothwendige Folge des Darlehns, im Gegentheil waren sie bis ins 16. Jahrh. in Deutschland verboten, weswegen man zur Umgehung des Gesetzes zu dem sogenannten verschleierten Darlehn, z.B. Verkäufen von Grundstücken mit Wiederkauf oder Verpfändung derselben mit Nutzungsrecht für den Gläubiger u.s.w. seine Zuflucht nahm. Verzugszinsen, d.h. solche, welche wegen nicht zu rechter Zeit erfolgter Zurückzahlung bezahlt werden müssen, sind indessen stets erlaubt und ihre Höhe ist gesetzlich bestimmt gewesen. Nach gemeinen Rechten steht noch zwei Jahre nach Ausstellung der Schuldverschreibung über ein Darlehn dem Schuldner die Einrede des nicht empfangenen Geldes zu, und wenn er sie geltend macht, muß der Gläubiger den Beweis der Zahlung führen. Läßt aber der Schuldner den Schuldschein zwei Jahre in den Händen des Gläubigers, ohne das Darlehn empfangen zu haben, so wird er dann mit seiner Einrede nicht weiter gehört, sondern muß bezahlen, weil er schrieb, selbst wenn er nichts empfangen hat; indeß gestattet die Praxis in solchen Fällen noch den Beweis des nicht empfangenen Geldes. Wenn der Schuldner nicht zur gehörigen Zeit das Capital zurückzahlt, so steht dem Gläubiger die Darlehnsklage zu, weigert sich indeß der Gläubiger, das Geld zur gehörigen Zeit anzunehmen, so muß es der Schuldner gerichtlich deponiren, wodurch er sich von allen Verbindlichkeiten befreit.