Diät

[563] Diät, ein dem Griechischen entlehnter Ausdruck, bezeichnet in seiner ursprünglichen Bedeutung den wohlgeordneten Gebrauch aller zur Unterhaltung des Lebens nothwendigen Dinge mit Ausnahme der eigentlichen Arzneien, daher also nicht blos das regelmäßige Verhalten in Essen und Trinken, sondern auch hinsichtlich der geistigen und körperlichen Beschäftigungen, der Bewegung, des Wachens und Schlafens, der Art der Wohnung, Kleidung, Reinlichkeit, kurz gewissermaßen die ganze Lebensweise. Dagegen versteht der jetzige allgemeinere Sprachgebrauch unter Diät nur den regelmäßigen Genuß mancher Nahrungsmittel. So spricht man z.B. von animalischer Diät, wenn man vorzugsweise oder fast ausschließlich Fleisch genießt; von vegetabilischer Diät, wenn man sich mit Vermeidung des Fleisches auf Speisen aus dem Pflanzenreiche beschränkt. Mit Unrecht bedient man sich zuweilen des Wortes Diät auch in gleichbedeutendem Sinne mit Fasten, Enthaltsamkeit, oder will wol auch damit ausdrücken, daß nur solche Speisen und Getränke genossen werden, die eine arzneiliche Wirkung äußern sollen. Bei Anordnung irgend einer Diät in dem jetzt gebräuchlichen Sinne des Wortes kommen daher die Zeit des Essens, die Menge der Speisen und Getränke, ihre Beschaffenheit u.s.w. in Betracht. Doch lassen sich in dieser Beziehung allgemein gültige Regeln kaum aufstellen, da sie eine sehr verschiedene sein muß je nach dem Alter, Geschlecht, der körperlichen Constitution und den ganzen Lebensverhältnissen. Unter allen Umständen dürfte jedoch die Stimme der Natur als Gesetz dienen und deshalb ein Bedürfniß nicht eher und reichlicher zu befriedigen sein, als es sich kund gibt. Wie Mäßigkeit in allen Dingen und Genüssen weise ist, so wird sie auch hier fast mehr noch als eine von Natur kräftige Körperconstitution die Quelle und Bewahrerin der Gesundheit, ja kann die verlorene wiedergeben und verlängert das Leben. Ein auffallendes bekanntes Beispiel ist das des Luigi Cornaro, eines edlen Venetianers, der bis in sein 40. Jahr gelebt hatte, ohne sehr auf seine Gesundheit Rücksicht zu nehmen und deshalb immer kränklich gewesen war, nun aber sich zu einer Mäßigkeit gewöhnte, bei welcher er nicht nur alle seine Kräfte wiedererhielt, sondern auch über 100 Jahre alt wurde. Im Allgemeinen wird viel mehr genossen, als zur Befriedigung des nicht durch künstliche Mittel gesteigerten Hungers oder Durstes nöthig ist; ebenso begeht man häufig Fehler hinsichtlich der Zeit der Mahlzeiten. So sollte man z.B. nie spät zu Abend essen, weil während des Schlafs die Verdauung nicht so gut und kräftig von statten geht als im Zustande des Wachens, überhaupt aber auch hinsichtlich der Zeit des Essens sich an eine gewisse Regelmäßigkeit gewöhnen, wovon jedoch Kinder und junge Leute, denen es zu allen Stunden und Tageszeiten schmeckt, unter gewissen Umständen eine Ausnahme machen dürften. Befinden sich Körper und Geist in einem Zustande großer Aufregung und Unruhe, so ist es nicht wohlgethan, etwas zu sich zu nehmen, wie es denn eine bekannte Thatsache ist, daß Ruhe der Seele, Frohsinn und Heiterkeit des Gemüths den Appetit und die Verdauung ausnehmend befördern, weshalb es auch besser ist, in Gesellschaft zu essen als allein. Immer ist es besser, etwas zu wenig als zu viel Nahrungsmittel zu genießen, auch soll man deren nicht eher wieder [563] in den Magen bringen, als bis die darin befindlichen schon verdaut sind. Im Durchschnitt gehören sechs Stunden zur Verdauung einer gewöhnlichen Mahlzeit, deren zwei des Tags für einen erwachsenen Menschen vollkommen hinreichend zu sein scheinen. Rathsam ist es, im Allgemeinen mehr Getränke zu sich zu nehmen, als feste Speisen, am gesündesten aber sind die Getränke, in denen das Wasser vorherrscht; die gegohrenen weingeistigen und aromatischen, zumal wenn sie in großer Menge genossen werden, verkürzen das Leben. – Unter Diätetik versteht man denjenigen Theil der Heilkunde, der sich mit den Regeln, nach welchen man seine ganze Lebensweise im Zustande der Gesundheit einrichten soll, beschäftigt.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 563-564.
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