[670] Entwöhnen heißt diejenige Veränderung der Ernährungsweise eines Säuglings, durch welche ihm die Brust der Mutter oder der Amme, bisher seine alleinige oder doch hauptsächliche Nahrungsquelle, entzogen wird, um durch eine andere Nahrung ersetzt zu werden. Das Entwöhnen soll blos in einem allmäligen Übergange zu einer andern Ernährungsart bestehen, außerdem wirkt es gleich nachtheilig auf die Stillende wie auf das Kind. Die Mutter oder Amme versage also ihrem Säuglinge nicht mit einem Male gänzlich die Brust, sondern reiche sie ihm nur nach und nach seltener, während sie ihn gleichzeitig an die neue Kost zu gewöhnen sucht, bis der Drang der Säfte nach den Brüsten nachläßt und das Kind das Bedürfniß, an ihnen zu saugen, vergessen zu haben scheint. Als der natürlichste Zeitpunkt, einen Säugling ohne Nachtheil zu entwöhnen, ist wol derjenige zu betrachten, wo seine Verdauung kräftig genug geworden ist, um schwerere Nahrungsmittel als die Muttermilch, und namentlich auch feste zu verarbeiten, was nach dem Ausbruche der meisten oder sämmtlicher Milchzähne der Fall ist. Nur selten wird jedoch eine Mutter oder Amme im Stande sein, so lange zu stillen, denn bevor sämmtliche Milchzähne durchbrechen, vergehen oft zwei Jahre. Andererseits ist es aber wieder sehr schwierig, mit Genauigkeit zu bestimmen, zu welcher Zeit ein Säugling zu entwöhnen sei. Hauptsächlich entscheiden darüber die Fortschritte, welche die Entwickelung des Kindes macht und was die Mutter oder Amme betrifft, der Einfluß, den das Stillen auf ihren Gesundheitszustand zu haben scheint oder für die Zukunft haben kann. Das Entwöhnen ist immer mit einiger Gefahr für das Kind verbunden, die, je zarter sein Alter, um so größer ist, jedoch durch ein verständiges Verfahren sehr gemindert werden kann. Am wichtigsten ist in dieser Beziehung die Wahl der Nahrungsmittel, durch welche die Muttermilch ersetzt werden soll, und wozu wenigstens im Anfange keine andern, als flüssige oder halbflüssige geeignet sind. Unter diesen dürfte wieder die Milch der Thiere, und zwar um so mehr, je ähnlicher sie der Muttermilch ist, den Vorzug vor allen verdienen. Kann man sich nur Milch verschaffen, die weit dicker ist, wie z.B. die Kuhmilch, so muß man diese durch Zusatz einer wässerigen Flüssigkeit verdünnen. Ist das Kind noch sehr jung, vielleicht erst 6–8 Wochen alt, so mischt man in der Regel ein Drittheil Kuhmilch, die wo möglich von einem frischmelkenden und immer von einem und demselben Thiere genommen werden muß, mit zwei Drittheilen durch Zucker versüßten Wassers oder einer Abkochung von Hafergrütze zusammen. Nach und nach ändert man dieses Verhältniß je nach dem zunehmenden Alter des Kindes, läßt es übrigens trinken, so oft es Verlangen danach äußert, und sucht dasselbe auch allmälig an halbflüssige und feste Kost zu gewöhnen. Man beginnt zu diesem Zwecke mit einem Breie aus Weizenmehl und Milch, oder mit einem Breie von leichtem, schönem Weizenbrod, das mm mit heißem Wasser aufgießt und durch Zusatz von etwas Zucker annehmlicher Milch oder Wasser abgekochter Gries u.s.w. Anfangs reicht man diese festere Nahrung nur einmal des Tages und nur wenig auf einmal, später zwei Mal täglich, Morgens und Abends, endlich auch noch ein drittes Mal zu Mittag und läßt das Kind nach jeder solchen Mahlzeit trinken, um die früher gereichten festen Speisen zu verdünnen und dadurch verdaulicher zu machen.