Flösse

[63] Flösse nennt man aus der Länge nach nebeneinander gelegten und mit starken zähen Ruthen und eisernen Klammern an darüber gelegte Querbalken befestigten Baumstämmen verfertigte Fahrzeuge, welche man baut, um auf Flüssen Holz aus Holzreichen in Holzarme Gegenden zu schaffen. Solche Flöße haben nach der Breite des Stroms, für den sie bestimmt sind, eine verschiedene Länge und Breite und auf dem Rheine, auf welchem viel Schiffbauholz nach Holland geflößt wird, sieht man Flöße, die 500 und 900 F. lang und 90 bis über 100 F. breit sind, und auf denen die Baumstämme oft fünffach übereinander liegen, sodaß sie 8–9 F. tief im Wasser gehen. Sie werden Holländerflöße genannt, aus kleinern Flößen erbaut, die vom Oberrhein, Neckar, Main und von der Mosel kommen und vom Fichtelgebirge, dem Schwarzwalde und den Waldungen zunächst der Mosel das Holz zusammenführen, haben an den Seiten mehre Anhänge oder kleinere Flöße (Kniee), die sie immer flott halten und am Stranden hindern und an jedem Ende etwa 20 Ruder, womit sie gelenkt werden. Übrigens wird ein solches Floß noch von 16–20 Nachen begleitet, die ihm die nöthigen Anker, Taue und Seile nachführen und von einem Floßführer oder Steuermann dirigirt, der von einem erhöhten Sitze in der Mitte des Floßes das Zeichen gibt, ob rechts oder links gerudert werden soll. Man kann sich einen ungefähren Begriff von der Größe eines solchen Holländerfloßes machen, wenn man weiß, daß zur Bemannung desselben 5–700 Menschen erfodert werden, daß man auf ihm 12–15 Hütten für die Mannschaft, eine bequeme Wohnung für den Floßführer, eine Küche, ein Waschhaus, Magazine für die Lebensmittel, Viehställe u.s.w. findet und daß die Rheinschiffahrtsverwaltung bei der Verzollung des Floßes, was nach dem Cubikinhalt geschieht, für Mannschaft, Lebensmittel, Anker und sonstige Geräthschaften allein 6000 Ctr. in Abzug bringt, die nicht verzollt werden. Jetzt sind so große Flöße, deren eines oft an 3–400,000 rhein. Gulden bis nach Holland kostete, nicht mehr sehr gebräuchlich. Die Holzflößerei umfaßt nicht allein Bau- und Brennholz, sondern überhaupt jede Art Werk- und Nutzholz.

Auch aus den Waldungen von Meiningen, Thüringen, Hessen, Fulda, Waldeck, Hanover, Braunschweig und andern benachbarten Ländern wird auf der Werra, Fulda, Ocker und Aller und andern Nebenflüssen der Weser eine große Menge rohes und bearbeitetes Holz, dessen Ausfuhrwerth jährlich auf mehre Millionen Thaler sich beläuft, nach der Weser und auf dieser nach Bremen geflößt. Auch der Holzhandel auf der Elbe aus Böhmen und der sächs. Schweiz nach Hamburg ist von Wichtigkeit, denn England, Holland und Frankreich beziehen von hier viel Schiffbau- und anderes Nutzholz; Stab- und Faßholz geht vorzüglich nach Spanien, Portugal, Italien, Frankreich und zuweilen selbst bis nach Westindien. Im übrigen Deutschland ist die Holzflößerei nur unbedeutend und beschränkt sich meist nur auf Brennholz, welches in den größern Flüssen auf kleinen Flösen fortgeschafft, oder wenn der Fluß für Flöße zu schmal ist scheitweise in das Wasser geworfen wird, und so einzeln nach dem Orte seiner Bestimmung schwimmt. Damit es sich unterwegs nicht stemmt, auf das Ufer legt oder gestohlen wird, sind längs des Flusses oder Floßgrabens Leute angestellt, die darauf Acht haben. Das Recht, Holz zu flößen, gehört unter die Regalien (kön. Vorrechte) und muß von Privatpersonen beim Fürsten nachgesucht werden. Die Flöße sind eine sehr alte Erfindung, da der Mensch nothwendig sehr bald auf dieses natürlichste Fahrzeug fallen mußte; so z.B. schließt Salomo (I. Buch der Könige, V. 5) mit dem Könige von Tyrus einen Vertrag ab, nach welchem ihm der Letztere Cedern- und Tannenholz vom Libanon ans Meer bringen, hier in Flöße legen und weiter schaffen lassen soll. Einfach zusammengefügte Balken oder eigentlich Flößböden, an deren Enden große mit Luft gefüllte Schläuche befestigt sind, damit das Floß über dem Wasser bleibt, gebrauchen noch jetzt die Araber auf dem Euphrat zur Fortschaffung ihrer Waaren, und haben sie diese verhandelt, so verkaufen sie auch die Flöße, da mit Flößen nie stromaufwärts gefahren werden kann, oder doch eine zu große Menschenzahl zur Fortschaffung derselben erfoderlich wäre. In China findet man ganze Dörfer auf Flößen von Bambusried erbaut, die auf den großen Flüssen schwimmen. Über amerik. Flöße mit Dampfmaschinen vergl. Dampf.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 63.
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