Länge und Breite

[698] Länge und Breite (geographische) eines Orts der Erde sind Angaben, durch welche die Lage des Orts auf der Erdoberfläche bezeichnet wird. Man denkt sich bekanntlich die ganze Erdkugel mit einem Netz von Kreisen überzogen, welche in beliebiger Anzahl angenommen werden können und theils solche sind, welche dem Äquator parallel (gleichlaufend) sind, theils solche, welche senkrecht auf dem Äquator stehen und durch die beiden Pole der Erde gehen. Die Kreise erster Art heißen Mittagskreise (s.d.) oder Meridiane, die zweiter Art Parallelkreise oder Breitenkreise. Geringe Überlegung lehrt, daß die Lage eines Orts auf der Erdoberfläche vollkommen bestimmt ist, wenn man weiß, unter welchem Meridiane und zugleich unter welchem Parallelkreise derselbe liegt. Jenes gibt die geographische Länge, dieses die geographische Breite an.

Es geschieht aber die Bestimmung der geographischen Länge in folgender Weise. Da alle Meridiane den Äquator durchschneiden und zwar jeder derselben in andern Punkten als die übrigen, so bestimmt man den Meridian eines Orts nach einem der Punkte, in welchem er den Äquator schneidet. Diese Punkte selbst aber werden nach ihrer im Kreise gemessenen Entfernung von dem Durchschnittspunkte des er sten Meridians mit dem Äquator bestimmt. Dieser Durchschnittspunkt selbst hat die Bezeichnung 0 und nun rechnet man sowol östl. als westl. bis zu 180°, indem die Grade weiter wie gewöhnlich in Minuten und Secunden getheilt werden. Wenn es also z.B. heißt: Die Stadt Leipzig liegt unter 10° 2′ östl. Länge, wenn als erster Meridian der von Paris angenommen wird, so heißt dieses eigentlich nichts Anderes, als der Punkt, in welchem der durch Leipzig gehende Meridian den Äquator schneidet, liegt in diesem um einen Bogen von 10° 2′ von demjenigen Punkte östlich, in welchem der Meridian von Paris den Äquator schneidet. Welchen Meridian man bei diesen Angaben als ersten zu Grunde legen will, ist im Grunde gleichgültig und die Geographen sind hierüber nie einig gewesen. Spanien allein rechnet nach sieben verschiedenen Meridianen, auf vielen holländ. Karten ist der über den Pic von Teneriffa gehende Meridian (18° 52′ westl. von Paris) als der erste angenommen; sehr gebräuchlich ist der die alte und neue Welt scheidende Meridian von Ferro (20° westl. von Paris) als der erste; die Engländer rechnen nach dem Meridian der berühmten Sternwarte zu Greenwich und die Franzosen nach dem von Paris. Die beiden letzten sind überhaupt diejenigen, nach denen jetzt gewöhnlich die Bestimmungen gegeben werden, wiewol fast jede bedeutendere Sternwarte auch nach ihrem Meridian als erstem rechnet. Man kann aber die Länge auch nach Zeit angeben. Da nämlich die Erde in 24 Stunden einmal um ihre Axe sich dreht und daher während dieser Zeit die Sonne über alle Meridiane der Erde senkrecht zu stehen kommt (vgl. Mittagskreis) oder, wie man auch zu sagen pflegt, alle Punkte des Äquators binnen 24 Stunden durch den Meridian gehen, so gehen offenbar (wegen der Gleichförmigkeit der Bewegung der Erde) in Einer Stunde 15 Grade des Äquators durch den Meridian, und man braucht eine Angabe in Graden des Äquators nur mit 15 zu dividiren, um die Angabe in Zeit-Stunden zu haben, sodaß z.B. Leipzig nach Zeit eine geographische Länge von 40 Min. 8 Sec. hat. Da nun jedesmal Mittag an einem Orte ist, wenn die Sonne in dem Meridian dieses Orts steht, so wird z.B. in Leipzig um 40 Min. 8 Sec. eher Mittag sein müssen als in Paris. Hierin hat man nun das Mittel, um die geographische Länge des einen Orts aus der des andern abzuleiten. Man braucht offenbar nur mit einer genau richtig gehenden Uhr von Leipzig nach Paris zu reisen, um die Beobachtung zu machen, daß in Paris erst Mittag ist, wenn die leipziger Uhr schon 12 Uhr 40 Min. 8 Sec. zeigt, und kann nun hieraus die Entfernung des leipziger Meridians von dem pariser Meridian, die sogenannte Meridiandifferenz beider Orte, berechnen. Weiß man dann nur die geographische Länge eines der beiden Orte, so erhält man die des andern durch Addition oder Subtraction der Meridiandifferenz. Besonders wichtig ist diese Bestimmungsart für den Seemann, welcher den Ort, wo er sich eben befindet, nur durch geographische Länge und Breite bestimmen kann. Man hat sehr genaue Uhren, Zeitmesser oder Chronometer; [698] einen solchen nimmt der Seefahrer mit, nachdem derselbe genau nach greenwicher oder pariser Zeit gestellt ist; dann braucht jener nur an irgend einem Orte seiner Reise die Zeit durch Beobachtung des Sonnenstandes für dieien Ort zu bestimmen und dann am Chronometer nachzusehen, endlich beide Bestimmungen zu vergleichen, um zu wissen, unter welchem Meridian der Ort liegt, an dem er sich im Augenblick befindet. Ein anderes Mittel, die Meridiandifferenz zu bestimmen, hat der Seefahrer am Monde. Man kennt nämlich die Bewegung des Mondes so genau, daß man für jeden Tag und jede Stunde lange im Voraus berechnet hat, bei welchem Sterne er erscheinen werde, wenn man ihn zu jener Zeit von Paris oder London aus beobachtet. Wenn nun der Schiffer zu einer bestimmten Stunde des Nachts den Stand des Mondes beobachtet und seine Zeit mit der in seinem (eigens hierzu berechnetem) Kalender angegebenen londoner oder pariser Zeit vergleicht, in welcher der Mond dort bei denselben Sternen steht, so weiß er gleichfalls den verlangten Zeit- und Längenunterschied. Noch anderer Mittel bedienen sich die Astronomen zur Bestimmung der Meridiandifferenzen. – Zu Paris und London sind eigne Anstalten, sogenannte Längenbureaus, eingerichtet, bei denen ausgezeichnete Astronomen angestellt sind mit dem Auftrage, die geographische Lage für Handel und Schifffahrt wichtiger Orte durch Beobachtungen und Berechnung zu bestimmen und zum Nutzen der Seefahrer öffentlich bekannt zu machen. Denn wenn ein Schiffer nach irgend einem Orte der Erde segeln will, so kann dieses, wenn er nicht an der Küste hinfährt, nur dadurch geschehen, daß er sich nach Länge und Breite desselben richtet.

Die geographische Breite wird an den Meridianen gezählt, wie die geographische Länge an dem Äquator gezählt wurde. Jeder Meridian nämlich zerfällt auch in 360° u.s.w., und indem man die geographische Breite eines Orts bestimmt, gibt man in Graden, Minuten u.s.w. die Länge des Bogens an, welcher zwischen dem Durchschnittspunkte des Äquators mit irgend einem Meridian bis zum Durchschnittspunkte des Parallelkreises jenes Orts mit demselben Meridian reicht. Je nachdem der Ort, von welchem die Rede ist, auf der nördl. oder südl. Halbkugel der Erde liegt, ist seine Breite entweder nördlich oder südlich.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 698-699.
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