Rhein

Rhein

[689] Rhein (der) gehört nicht blos zu den Hauptflüssen Deutschlands, sondern von ganz Europa und ist durch die malerischen und wein- und fruchtreichen Ufergelände berühmt, welche er durchströmt.

Seinen Ursprung hat er im schweiz. Canton Graubündten aus mehren Gletscherbächen des St.-Gotthardgebirges, die sämmtlich den Namen Rhein führen; man nimmt jedoch für gewöhnlich drei Hauptzuflüsse an, aus deren Vereinigung noch in Graubündten der eigentliche Rheinstrom sich bildet. Von diesen entsteht der sogenannte Vorderrhein durch Vereinigung des Rhein de Toma und Rhein d'Ursera im tavetscher Thale, von dessen sämmtlichen Bächen verstärkt er bei dem Marktflecken Disentis den von der rechten Seite durch das Medelsthal herbeifließenden Mittelrhein aufnimmt. Vermehrt durch neue Zuflüsse erreicht ihn bei Reichenau der Hinterrhein, wodurch der [689] Strom schon 230 F. breit wird und nun blos der Rhein heißt. Der Hinterrhein entspringt aus dem Rheinwaldgletscher, welcher im Hintergrunde des acht Stunden langen und blos eine Viertelstunde breiten, von zum Theil über 10,000 F. hohen Gebirgen umschlossenen Rheinwald thals liegt. Aus diesem ist die folgende Ansicht mit einigen Häusern des 4100 F. hoch gelegenen Dorfes Splügen genommen, welches von Schwaben bewohnt ist, die Kaiser Friedrich I. dort ansiedelte, um sich den über den Splügen nach Italien führenden Alpenpaß zu sichern, zu welchem, wie zu dem über den Bernhardin, noch heute der Weg durch das Rheinwaldthal geht. Schon bis Splügen hat der Hinterrhein 16 Bäche aufgenommen, fließt dann noch durch das schamser und das domloschger Thal und wächst durch den reißenden Bergfluß Nolla und die Albula noch beträchtlich. In nordwestl. Richtung bis Chur gelangt, wendet sich nun der Rhein, der schon eine Strecke für kleine Fahrzeuge schiffbar wird, nördl. dem Bodensee zu, in den er zwischen Rorschach und Fußach einströmt und ihn am westl. Ende zwischen Konstanz und Petershausen wieder verläßt. Doch schon nach 11/2 Stunde erweitert er sich noch zu dem Unter- oder Zellersee, aus dem er bei Stein endlich 400 F. breit zwischen hohen Ufern westl. abfließt und den berühmten Wasserfall bei dem nahen Schaffhausen (s.d.) bildet. Sodann fließt er auf der schweiz. Grenze, zwischen dem Jura und Schwarzwald, ganz in der Art eines wilden Gebirgsflusses und theilweise mit gefährlichen Stromschnellen hin, bis er bei Basel sich plötzlich nach N. wendet, das schweiz. Gebiet verläßt und 35 M. weit die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland (Großherzogthum Baden) bildet. Die Hoheitsgrenze zwischen beiden liegt im Thalwege des Stroms, der hier viele Sand- und Kieselinseln hat, deren Lage sich jährlich bei Hochwasser verändert, daher in jedem Oct. die Grenze durch Ingenieure neu bezeichnet wird. Hierauf scheidet der Strom Rheinbaiern (seit 1837 die Provinz Pfalz) und Baden, strömt durch die südl. Hälfte des Großherzogthums Hessen, wo er zwischen 15–1700 F. breit wird, macht die Süd- und Westgrenze des Herzogthums Nassau, wo sich von Biberich bis Rüdesheim der 4 St. lange Rheingau (s.d.) an seinen Ufern hinstreckt und gelangt nach einem 36 M. langen Laufe durch die preuß. Rheinprovinzen unterhalb Emmerich bei den Trümmern der Schenkenschanz, 2300 F. breit in das Königreich der Niederlande. Auf dieser letzten Strecke durchbricht der Rhein von Bingen bis in die Nähe von Koblenz in einem engen Felsenthale die Schiefergebirge des Hundsrück und Taunus, hat mehre, sonst den Schiffern gefährliche Stromschnellen, wie das Bingerloch unterhalb des Mäusethurms (s. Hatto), das wilde Gefähr bei Bacharach und die Bank von St.-Goar, die mit den Rheininseln und Felsufern überaus malerische Partien bilden. Unterhalb Koblenz liegt das Bett des Stroms in einer überaus fruchtbaren Ebene, doch verengt sich dieselbe schon bei Andernach zu dem schmalen, vom Siebengebirge und der Eifel gebildeten Thale, wo sich auch die letzten Stromschnellen im Rheine, die Unkelsteine, befinden, eine Gruppe Basaltsäulen bei dem Städtchen Unkel, von denen [690] die größern unter der franz. Herrschaft beseitigt wurden. Unterhalb Bonn geht er in das nördl. Flachland über und auf niederländ. Gebiet theilt er sich sogleich in zwei Arme, von denen der stärkere linke die Waal heißt, der rechte aber den Namen Rhein behält. Letzterer scheidet sich wieder in einen rechten Arm, die Yssel, welche in den Zuydersee fällt, und einen linken, der sich von neuem in den zur Maas fließenden Leck und den krummen (auch alten) Rhein theilt, welcher über Utrecht, wo noch ein Arm, die Vecht, in den Zuydersee abfließt, nach Leyden gelangt. Ganz geschwächt windet er sich von dort aus durch die Dünen dem Meere zu und verlor sich noch zu Anfang dieses Jahrhunderts gleichsam in ihrem Sande, neuerdings aber ist seine durchaus versandete Mündung durch den Kanal bei Katwyk wieder geöffnet worden. Auch der Leck sendet rechts noch einen Arm ab, der aber auf einem geringen Umwege als Yssel eine Meile oberhalb Rotterdam ebenfalls die Maas erreicht. Mit dieser vereinigt findet auch die Waal durch zahlreiche, selbst mit den Scheldemündungen verzweigte Ausflüsse den Weg ins deutsche Meer. (S. Niederlande.)

Auf diese Weise legt der Rhein einen Weg von 190 M. zurück, während dessen er mehr als 12,200 Flüsse und andere Gewässer aufnimmt, zu denen die Thur und Aar (in der Schweiz), die Ill (unmittelbar aus Frankreich), der Treisam, Kinzig, Murg, Neckar (in Baden), die Lauter und Queich (in der Pfalz), der Main (in Hessen), die Lahn (in Nassau), die Mosel, Wied, Sieg, Erst, Ruhr und Lippe (in Preußen) gehören. Sehr reich ist der Rhein an Fischen, besonders an Lachsen, Stören, Hechten und Karpfen; auch enthält der Rheinsand etwas Gold, welches aus den schweiz. Bergen und mit den Zuflüssen vom Schwarzwalde hineingelangt. Fliegende und Schiffbrücken führen über den Strom bei Koblenz, Neuwied, Köln, Bonn, Mühlheim, Grimlinghausen, Düsseldorf, Duisburg, Wesel, Manheim, Germersheim, Fort Vauban oder Fort Louis und Strasburg; eine hölzerne Brücke hat Basel. In der Nähe des Bodensees liegt der Spiegel des Rheins 1200 F., bei Basel 755 F., bei Manheim 284 F., bei Bingen 235 F, bei Bonn 138 F., bei Köln 112 F., an der niederländ. Grenze 65 F. über dem Meere und soweit er Baden berührt, beträgt sein Gefälle daher ungefähr 920 F., im preuß. Gebiete 170 F. Die Tiefe wechselt zwischen Basel und Strasburg von 3–12 F., und er trägt auf dieser Strecke Fahrzeuge mit 5–600 Ctr.; von Strasburg bis Manheim beträgt die Tiefe 5–18 F., bis Kaub 5–20 F., von da bis Bonn 8–24 F., bei Köln 81/2–12 F., bei Mühlheim 15–23 F., oberhalb Düsseldorf 261/2–30 F., unterhalb dieser Stadt nur 11–14 F., und bei Emmerich 9–15 F. Zwischen Strasburg und Mainz gehen bis 2500 Ctr. schwere Fahrzeuge, von Mainz bis Köln Schiffe mit 4000, von da bis Holland mit 9000 Ctr.; regelmäßige Dampfschiffahrt ist auf dem Niederrhein (unterhalb Köln) seit 1825, auf dem Mittelrhein am 12. Mai 1827 und später bis Basel eingeführt. Außerdem ist die auf ihm und den Nebenflüssen betriebene Holzflößerei von der größten Bedeutung. (S. Flöße.) Die größern Rheinschiffe sind den Seeschiffen ähnlich gebaut, d.h. rund und bauchig, haben aber keinen Kiel, sondern wie alle Rheinschiffe platte Boden und führen zwei Masten.

Der Rhein hat natürlich als Wasserstraße von jeher für das westl. und südl. Deutschland die größte Wichtigkeit gehabt und schon die Römer suchten die Schiffahrt auf diesem Strome zu regeln und zu sichern, zu welchem Ende von ihnen besondere Aufseher darüber gesetzt, sowie zur Deckung des erwachsenden Aufwandes auch Schiffahrtsabgaben erhoben wurden. In ähnlichem Sinne verfuhr später Karl der Große, allein nachher vermehrten sich die Hemmungen und Belastungen der Rheinschiffahrt beständig, indem jeder Uferstaat den größtmöglichen Nutzen davon zu ziehen suchte. So kam es denn, daß, abgesehen von den Stapel- und Umschlagsgerechtigkeiten mehrer rhein. Städte, von denen Mainz und Köln am meisten um sich griffen. den bestehenden Reichsgesetzen und Verträgen sogar entgegen, gegen Ausgang des vorigen Jahrh. am Rheine 32 Zollstätten bestanden. Auf dem Congresse zu Rastadt ward zuerst durch die franz. Gesandten der Vorschlag ausgesprochen, die sämmtlichen Rheinzölle aufzuheben und die Schiffahrt auf dem Strome frei zu geben, allein erst im Aug. 1804 kam zwischen Frankreich und Deutschland eine Convention über die Rheinschifffahrt zu Stande, zufolge der von Strasburg bis zur holl. Grenze der Rhein für einen gemeinschaftlichen Strom beider Länder erklärt und in den Oberrhein bis Mainz, von da bis Köln in den Mittelrhein, in den Niederrhein unterhalb Köln abgetheilt wurde. Die Stapelgerechtigkeit von Köln und Mainz ward aufgehoben, der gezwungene Umschlag (Umladung) in beiden Städten jedoch beibehalten und ein Zoll (Octroi) eingeführt, welcher auf die ganze Strecke von Strasburg bis Holland vertheilt, stromab 1 Fr. 33 Sous, und stroman 2 Fr. nicht übersteigen durfte. Zugleich wurde eine gemeinsame Rheinschiffahrtsverwaltung zu Mainz errichtet, der reine Ertrag des Octroi aber kam Frankreich und Deutschland in gleichen Theilen zu. Auf die deutsche Hälfte wurden durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 außer einer jährlichen Rente von 350,000 Gldn. für den damaligen Kurfürsten- Erzkanzler, noch mehren deutschen Fürsten und Grafen immerwährende Jahrrenten, zusammen 161,500 Gldn., angewiesen. Die Errichtung des Rheinbundes (s.d.) veränderte nichts an diesen Bestimmungen, allein 1810 schloß der damalige Fürst-Primas einen Vertrag mit dem Kaiser Napoleon, zufolge dessen er auf seine Rente verzichtete und die Bezahlung der übrigen auf seine Einkünfte von Hanau und Fulda übernahm. Unter stillschweigender Aufhebung dieses Vertrags stellten 1814 und 1815 die pariser Friedensschlüsse und der wiener Congreß so ziemlich das frühere Verhältniß her. Nur kamen natürlich Frankreichs Ansprüche auf den beibehaltenen Octroi von dem wieder abgetretenen Theil des Rheins an die deutschen Bundesstaaten, welchen jene Gebiete zugetheilt wurden. Sie mußten aber auch die Zahlung der erwähnten, auf die deutsche Octroieinnahme angewiesenen Renten übernehmen, die jedoch blos noch 154,122 Gldn. Rhein. betragen. Eine neue Rheinschiffahrts. Central-Commission ward sofort zur gemeinschaftlichen Beaufsichtigung und obersten Verwaltung der Rheinschiffahrtsangelegenheiten in Mainz aus sieben Abgeordneten der Uferstaaten Baden, Baiern, Frankreich, Hessen, Nassau, Niederlande, Preußen errichtet und ihr aufgetragen, eine neue Rheinschiffahrtsordnung auszuarbeiten. Die Strecke von Strasburg bis an die schweiz. Grenze ward vorläufig [691] den für den übrigen Rhein geltenden Bestimmungen mit untergeordnet. Vom wiener Congresse war deshalb ausgesprochen worden, daß die Schiffahrt auf dem ganzen Laufe des Rheins, von dem Punkt an, wo er schiffbar wird bis an das Meer, auf-und abwärts gänzlich frei und für Handelszwecke Niemand untersagt sein solle. Der bisher beibehaltene, gezwungene Umschlag in Mainz und Köln sollte ebenfalls aufhören. Preußen wollte das jedoch nicht eher gewähren, bis eine allgemeine Rheinschifffahrtsordnung zu Stande gekommen sein würde. Da dies hauptsächlich in Folge der Anmaßung der niederländ. Regierung, welche den Ausdruck des wiener Congresses, der Rhein solle frei sein bis ans Meer (jusqu'à la mer), misbräuchlich dahin auslegte, daß damit keineswegs gesagt sei bis »in das Meer« und ihr daher an der Mündung desselben freistehe, zu thun was sie wolle, erst 1831 geschah, so bestanden auch jene Umschlagsgerechtigkeiten fort. Durch eine nach 16jährigen Verhandlungen am 31. März 1831 endlich abgeschlossene, im Juni von allen Uferstaaten unterzeichnete, am 17. Jul. ausgeführte Übereinkunft ward zwar die freie Schiffahrt auf dem Rheine bis in die See, doch nur für die Schiffe der Uferstaaten, sodann die Aufhebung der Gilten und Rangfahrten und des gezwungenen Umschlags in Mainz und Köln, sowie eine gleichmäßige Vertheilung des Rheinzolles festgesetzt, in deren Folge die Gebühren am Niederrhein eine Verminderung, am Oberrhein aber eine Erhöhung erleiden sollten. Holland braucht sonach, entgegen der Bestimmung des wiener Congresses, nur Schiffen der Uferstaaten die Fahrt ins Meer und das Einlaufen aus dem Meer in den Rhein zu gestatten, und überhaupt ist die Schiffahrt auf demselben keineswegs in der Art erleichtert worden, daß nicht immer noch ansehnliche Waarensendungen nach seinen Uferstaaten über Hamburg und Bremen, oder über Havre durch Frankreich gehen sollten. Indessen haben Rheinhandel und Rheinschiffahrt sich doch seit Verminderung der alten Beschränkungen fortwährend ausgedehnt. Vor dem I. 1790 fand jährlich ein Waarentransport von zwei Mill. Ctr. in ungefähr 1300 Schiffen, stromauf und ab zusammengenommen, statt; im J. 1822 passirten dagegen an der holländ. Grenze allein 1,750,630, bei Koblenz 2,148,004 Ctr. stromauf und stromab. Zu Köln langten 1825 vom Niederrhein 1,562,170, vom Mittelrhein 2,187,748 Ctr. an; im J. 1832 passirten an der holländ. Grenze stromauf 1,789,682, und stromab 3,934,749, zusammen also 5,724,431 Ctr. Der Ertrag des Rheinoctroi von Strasburg bis an die holländ. Grenze war in den sieben Jahren von 1805–12, wo der Handel durch die franz. Herrschaft sehr gehemmt wurde, nach Abzug der Erhebungskosten durchschnittlich des Jahrs 854,170 Gldn.; von 1815–20 belief sich die durchschnittliche Einnahme im Ganzen jährlich auf 1,246,721 Gldn. Die außerordentlichste Steigerung hat seit Einführung der Dampfschiffahrt der Transport von Reisenden auf dem Rheine gewonnen, welcher jedenfalls mehr als irgend ein anderer Strom wegen seiner malerischen Ufer befahren wird.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 689-692.
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